"Beschissen" aber sinnvoll

Von Daniel Börlein
Meyer, Hans
© Getty

München - Kurz bevor es zu Ende geht, so heißt es, will man seine Lieben noch einmal an seiner Seite haben, ein letztes Mal um sich versammelt wissen.

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Will man Hans Meyers Entlassung beim 1. FC Nürnberg nun etwas Melodramatisches beimessen, könnte man sagen, der 65-Jährige habe sein Ende beim Club nahen sehen. Zum UEFA-Cup-Spiel bei Benfica hatte der Fußball-Lehrer nämlich seine Kinder und alle Enkel nach Lissabon eingeladen. Meyer ahnte eben, dass dies sein letzter großer Auftritt auf der europäischen Bühne werden könnte.

Diese letzte Bühne wurde ihm nun aber nicht mehr gewährt. Meyer wurde am Montagabend offiziell beurlaubt. "Wir mussten auf die sportliche Talfahrt reagieren", sagte Manager Martin Bader. Der Club ist derzeit 16. und weit von der Zielsetzung einer "sorgenfreien" Saison zwischen Platz acht und zwölf entfernt.

Überraschende Entscheidung

Und dennoch war die Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt überraschend. Am Sonntag sagte Bader den "Nürnberger Nachrichten", der Zeitpunkt sei noch nicht erreicht, "an dem der Trainer aufhören wird". Am Montagmorgen hatte Meyer in einer Pressekonferenz noch das Vertrauen der Club-Verantwortlichen "gespürt" und von der für den Abend anberaumten Sitzung mit Präsidium und Manager von "einer guten Sache" gesprochen.

Allerdings war zu diesem Zeitpunkt längst entschieden, dass Meyer gehen muss. Beim Treffen am Abend wurde nur noch über letzte Details der Vertragsauflösung diskutiert.

"Eine beschissene Sache"

So richtig wohl war den Nürnbergern dabei allerdings nicht. Manager Bader sprach von einer "beschissenen Sache", denn auch der 39-Jährige weiß um Meyers Verdienste und dessen Beliebtheit bei den Fans. Bis zuletzt hatte es keine "Meyer-raus-Rufe" oder sonstige Anfeindungen gegeben.

Gerade deshalb hatte man beim Club nicht wahr haben wollen, dass Meyer das Ruder nicht mehr herum reißen könnte. Und gerade deshalb verdient die Entscheidung, den Coach nun von seinen Aufgaben zu entbinden durchaus Respekt. Sie dokumentiert die Ambitionen des Vereins, der sich nach den Vorbildern Frankfurt und Hannover mittelfristig in der Bundesliga etablieren will. "Wenn wir jetzt absteigen, dann wäre alles, was wir uns unter Hans Meyer aufgebaut haben, völlig umsonst gewesen", erklärte Bader bereits im Herbst des letzten Jahres.

Konsequenz und Power abgegangen

Soweit wollte man es nicht kommen lassen. Und betrachtet man Meyers letzte Monate ist die Trennung auch durchaus nachvollziehbar.

Schon zum Ende der Vorrunde, so gab Meyer in der Winterpause zu, sei ihm auf Grund privater Probleme die letzte Konsequenz und Power abgegangen. Dennoch ging man mit ihm in die Vorbereitung auf die Rückrunde und erlaubte es dem Coach, die Mannschaft nach seinen Vorstellungen zu verstärken.

Mit der Verpflichtung von Jan Koller gelang Meyer denn auch ein Paukenschlag, der allerdings darüber hinwegtäuschte, dass es abermals versäumt wurde, die größte Baustelle im Kader - den zweiten Platz in der Innenverteidigung - zu beheben. Mit Jacques Abardonado wurde für die  schwächelnde Abwehr lediglich eine Ergänzung geholt.

Gegen Rostock reglos auf der Bank

Nun, nach zwei Rückrundenpartien gegen zwei Aufsteiger, aus denen man sich beim Club vier, mindestens aber drei Punkte ausgerechnet hatte, zogen die Verantwortlichen die Reißleine. Auch weil Meyer alles versucht hatte, die positiven Folgen allerdings ausblieben.

So wechselte der Coach immer wieder munter durch. Marco Engelhardt beispielsweise, von Meyer zum "großen Gewinner der Vorbereitung" gekürt, schmorte gegen Rostock 90 Minuten auf der Bank und wurde durch Jan Kristiansen ersetzt, der vorher lange ganz weit weg war von der Stammelf. Nur eines von mehreren Beispielen.

Gegen Rostock versuchte Meyer schließlich, sich selbst zu ändern. Statt wie üblich wild gestikulierend lautstark Anweisungen zu geben, saß er meist reglos auf der Bank. Auch das half nichts. Meyer war mit seinem Latein am Ende.

Mit Rücktritt kokettiert

Hinzu kam, dass der 65-Jährige immer häufiger öffentlich mit seinem Rücktritt kokettierte und die Club-Bosse dadurch quasi zu Abhängigen seiner Entscheidung machte. Nürnbergs Verantwortlichen gefiel das gar nicht.

"Wir wussten ja, dass Hans Meyer irgendwann bei uns aufhört", sagte Präsident Michael A. Roth im "DSF", deshalb habe man sich bereits mit anderen Kandidaten unterhalten. Ein Alleingang von "Trainerkiller" Roth war die Entlassung allerdings nicht. Der 72-Jährige soll vielmehr in der Entscheidung von Präsidium und Aufsichtsrat für Meyer gestimmt haben.

Drei Spiele Vorlauf für von Heesen

Nichtsdestotrotz trägt Roth die Ablösung mit und sagt über den neuen Coach Thomas von Heesen: "Wir haben ihn schon lange im Hinterkopf gehabt. Er hat Erfahrung im Abstiegskampf."

Drei Spiele hat der neue Coach nun Vorlaufzeit. Die beiden UEFA-Cup-Spiele gegen Benfica Lissabon waren schon unter Meyer als weniger wichtig eingestuft worden. Auch Punkte gegen Bremen am kommenden Wochenende waren und sind bei den Franken eher nicht eingeplant.

"Wir wollten noch so viele Spiele wie möglich haben, um mit dem neuen Trainer die Wende herbeizuführen", so Bader. Auch deshalb scheint der Wechsel zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll. Allerdings besteht nun auch die Gefahr, dass durch schlechte Ergebnisse in diesen drei Spielen der Effekt des Trainerwechsels schnell verpufft und Thomas von Heesen beim ersten Heimspiel gegen Cottbus schon gewaltig unter Druck steht. Von der Hypothek, das große Erbe von Hans Meyer anzutreten, ganz zu schweigen.

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