Denn sie kennen kein Pardon

Von Stefan Moser
Unsere diesjährigen Oscar Gewinner
© spox

München - Von Oscar-Gewinner Daniel Day-Lewis geht das Gerücht um, er könne nicht nur schauspielern sondern auch ganz vernünftig mit dem Ball umgehen. Bei Stefan Ruzowitzky ist die Quellenlage diesbezüglich eher dünn, und aus der Tatsache, dass der Mann aus Österreich stammt, möge jeder Leser seine eigenen Schlüsse ziehen.

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Zum Oscar für "Die Fälscher" als bestem ausländischen Film des Jahres aber gratulieren wir recht herzlich! Als Zeichen unserer Anerkennung verleiht die SPOX-Academy darüber hinaus elf weitere Auszeichnungen - in der Alternativen Liste des 21. Spieltags.

1. Beste Nebenrolle: Das kleine Wörtchen "eigentlich". So unschuldig und so bescheiden schleicht es immer wieder durch die deutsche Sprache, als könnte es niemandem auch nur ein Haar krümmen. Dabei kündigt doch gerade dieses rhetorische Mauerblümchen nur allzu oft eine boshafte Beleidigung an. Wie im Fall von Mario Gomez. Denn "eigentlich", so der Stuttgarter Stürmer, wollte er über den Karlsruher Maik Franz ja "gar nicht sprechen". Noch viel eigentlicher aber wollte er ihn ein "Arschloch" nennen. Und das tat er dann ja auch.

2. Beste Regie: Gott. Vor dem Abstiegsschlager in Bielefeld zündete Duisburgs Trainer Rudi Bommer im Marienfelder Zisterzienser-Kloster eine Kerze an und bat damit um Hilfe von ganz oben. Und siehe! Dank göttlichem Beistand gewann der MSV mit 2:0 - und Arminen-Trainer Michael Frontzeck holt vermutlich bald der Teufel.

3. Bester Film: Das große Fressen. Dass er ein regelrechter Fitness-Fanatiker ist, das sieht man Felix Magath ja nun nicht unmittelbar an: Der 54-Jährige ist fast so breit wie hoch. Dafür gibt es viele Gründe. Erstens ist er schlichtweg nicht besonders hoch, zweitens schlägt sich zu viel Macht bei Männern mittleren Alters auch immer auf den Hüften nieder, und drittens ist Magath offenbar besessen von Schokoladenkuchen.

"Die Deutsche Bahn hat mir einen versprochen, aber ich habe keinen bekommen. Und das macht mir doch zu schaffen", sagte Magath auf der Pressekonferenz nach dem 0:0 seiner Wolfsburger gegen Berlin - einem Spiel, das allen anderen Augenzeugen doch gehörig den Appetit verdarb.

4. Ehrenpreis für Kritiker: Vom irischen Dramatiker Brendan Behan ist folgender kluge Satz überliefert: "Kritiker sind wie Eunuchen in einem Harem. Sie wissen ganz genau, wie es gemacht wird, aber sie sind selbst nicht fähig, es zu machen." Der Satz ist vor allem deshalb so klug, weil er plausibel erklärt, warum Film- und Theaterkritiker so griesgrämige Trolle sind, die ihre Leser mit frustrierten Nörgeleien von exzessiver Länge langweilen. Insofern muss man dem Frankfurter Kunstrichter Soto Kyrgiakos ja schon beinahe dankbar sein für den prägnanten Duktus, mit dem er über die darstellerische Begabung des Bremers Diego räsonierte. Nach nur 40 Minuten nämlich kam der Eintracht-Hüne zu der Auffassung, als Schauspieler sei der Brasilianer eher mau. Um diesem Urteil noch einen kosmopolitischen Anstrich zu geben, verfasste Kyrgiakos es auf Englisch - und teilte es Diego dann auch gleich persönlich mit. Die Rezension in voller Länge: "Stand up and fuck you!"

5. Bestes Remake: Der pointierte Stil des Griechen in allen Ehren - inhaltlich aber lag Kyrgiakos voll daneben. Denn Diego hatte gar nicht die Absicht, den sterbenden Schwan zu geben. Dem Bremer Spielmacher taten nur einfach seine Knochen weh, nachdem Kyrgiakos und Kollegen ihm da etliche Male akkurat drauf gekloppt hatten. Das folgenschwere Missverständnis mündete in ein Trauerspiel, das weder moralisch noch ästhetisch der Kritik standhalten kann. Diego schlug Kyrgiakos vor die Brust - allerdings nicht wie im Original mit dem Kopf sondern recht ordinär mit der linken Schulter. Kyrgiakos wiederum sank wie vom Blitz getroffen auf die Erde. Weil er aber sieben Köpfe größer und knapp 100 Kilo schwerer ist als Diego, war sein Heldentod doch letztlich eine ziemlich abgeschmackte Vorstellung.

6. Bester ausländischer Film: Was man Diego dabei immerhin zugute halten kann, sind seine Sprachkenntnisse. Denn mit Beleidigungen in englischer Sprache ist das ja so eine Sache. Frisch in der Premier League angekommen flog etwa Didi Hamann einst vom Platz - und rechtfertigte sich hinterher wie folgt: "Dass mein Gegenspieler mich umgestoßen und am Torschuss gehindert hat, hab ich ja noch wegstecken können, aber als er mich obendrein noch einen 'Pardon' geheißen hat, habe ich die Nerven verloren und nachgetreten."

7. Bester Heimatfilm: Bei all diesen möchtegern-urbanen Anglizismen aus Weltstädten wie Frankfurt, Bremen oder Liverpool tut ein wenig provinzielles Lokalkolorit aus dem Pott mal richtig wohl. Vor dem Gastspiel der Rostocker schwärmte BVB-Coach Thomas Doll nämlich richtig schön altbacken von seiner alten Heimat: "Die Brise an der Ostsee, das ist einfach schön. Und außerdem vermisse ich die Broiler-Bar im Hotel Neptun." Nicht zu vergessen die zwielichtigen Krabbenpuler an den Tresen im Gasthaus zur Hansa-Kogge.

8. Bester Hauptdarsteller: Huub Stevens' Erfolgsgeheimnis im Umgang mit der Presse ist eigentlich ganz einfach: Ein niederländischer Akzent, das wirkt charmant. Grimmig kucken und dabei immer anderer Meinung sein als der Gesprächspartner, das wirkt kompetent und überlegen. Und dazu immer schön tiefstapeln, denn das wirkt angeblich seriös. Doch am Sonntag war irgendetwas anders. Nach dem 1:1 der Hamburger bei den Bayern wagte Stevens doch das Experiment, verbal so richtig auf die Kacke zu hauen und den HSV - völlig gegen sein Naturell - zu einem Titelanwärter zu erklären. Ein rhetorischer Hürdenlauf war das Ergebnis: "Ich glaube, dass äh HSV doch äääh der Meisterschaft äh äh noch nicht äääh in so Ferne durch äääh die äh äh ganze Bundesliga ääh aufgegeben hat." Da konnte selbst ein niederländischer Akzent nix mehr retten.

9. Beste Dialogführung: Neben all dem hilflosen Gestammel, der Fäkalsprache und der verbalen Flegeleien zeigten immerhin noch ein paar wenige Akteure, dass man auch beim Fußball eine sprachlich feine Klinge führen kann und bedienten sich souverän des Stilmittels der Ironie. Die Bielefelder Fans sangen "Oh, wie ist das schön", obwohl die Mannschaft Kraut und Rüben spielte, Manuel Friedrich wollte seinen Sonntagsschuss aus 40 Metern mit Absicht abgefeuert haben, und Jermaine Jones beschwerte sich über seine Gelb-Rote Karte.

10. Klaus-Kinski-Gedächtnis-Oscar: Niemand spielt Mark van Bommel so eindringlich und überzeugend wie Mark van Bommel. Gerade weil der pubertäre Ausraster des 30-Jährigen gegenüber Schiedsrichter Lutz Wagner so unendlich bescheuert war, war die Darbietung so mustergültig und authentisch. Der Mann kann offenbar nicht aus seiner Haut.

11. Ehren-Oscar: Ze Roberto ist der große Abräumer.Schon zum vierten Mal steht der Brasilianer in der Alternativen Liste, obwohl er eigentlich nichts gemacht hat, außer zum vierten Mal zu treffen. Für alle, die bisher leer ausgegangen sind, sei zum Trost erwähnt: Auch beim Oscar gibt es nicht nur Sieger.

Richard Burton etwa: Sieben Mal nominiert, aber nie gewonnen - ein echter Chancentod. Oder Alfred Hitchcock: Sechs Mal nominiert, am Ende aber ohne einen einzigen Goldjungen ins Grab gegangen. Auch Johnny Depp, Leonardo di Caprio oder Kate Winslet müssen ohne Oscar leben - und kommen trotzdem ganz gut über die Runden.

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