Aus Mangel an Alternativen

Von Stefan Moser
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© Getty

München - Stell dir vor, du wirst Meister - und alle hauen ab. Allen voran dein Trainer und dein absoluter Schlüsselspieler.

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Dem Hamburger SV könnte im Sommer genau dieses groteske Szenario blühen. Nach einer überzeugenden Hinrunde liegen die Hanseaten zur Winterpause auf Platz drei in der Bundesliga, doch die aktuellen Schlagzeilen verraten vor allem eins: einen ganzen Sack voll Probleme.

Dass Coach Huub Stevens den Verein in Sommer in Richtung Eindhoven verlassen wird, steht schon seit Wochen fest, am Samstag ließ nun auch Rafael van der Vaart wissen, dass er den Vertrag in Hamburg nicht verlängern wird.

"Ich unterschreibe nicht", sagte der 24-Jährige der "Bild"-Zeitung. Denn: "Mein Traum von einem Top-Verein ist noch immer akut. Ich habe vom Interesse Juves gehört und könnte mir vorstellen, dort zu spielen."

Umbau im Gesamtgefüge

Damit könnte der Niederländer 2009 für das lächerliche Sümmchen von 1,5 Millionen Euro an festgeschriebener Ablöse wechseln. Es ist davon auszugehen, dass der HSV ihn deshalb schon im kommenden Sommer - dann für richtig gutes Geld - verkaufen wird.

Der sportlichen Führung um Vorstandschef Bernd Hoffmann und Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer steht also eine durchaus prekäre Umbaumaßnahme des Hamburger Gesamtgefüges ins Haus.

Denn der Abschied von van der Vaart und Stevens verändert die hanseatische Fußballwelt komplett. Das System des HSV basiert ganz wesentlich auf diesen beiden Protagonisten. Der Trainer hat den charakterlich nicht ganz unkomplizierten multikulturellen Kader diszipliniert und eine Spielphilosophie installiert, die in der Offensive auf van der Vaart zugeschnitten ist.

Und ein Ersatz für den Schlüsselspieler dürfte nur schwer zu finden sein. Etablierte Spielmacher sind in der Bundesliga rar, und Typen wie Diego sind vermutlich kaum an die Elbe zu locken - es fehlt der wirtschaftliche Background und in der momentanen Situation wohl auch die sportliche Perspektive. Denn noch ist bei weitem nicht absehbar, wie sich der HSV mittelfristig entwickeln wird.

Kaum Trainer auf dem Markt

Nicht ohne stolz bemerkte Beiersdorfer zwar zuletzt, dass es ihm inzwischen gelinge, mit Spielern wie Macauley Chrisantus (17) oder Vadis Odjidja-Ofoe (18) auch internationale Toptalente zu verpflichten. Doch ob die schon das Potential haben, die Hamburger als Spitzenmannschaft zu etablieren, ist mehr als fraglich.

Nicht weniger kompliziert gestaltet sich indes die Suche nach einem adäquaten Nachfolger für Huub Stevens. Denn arrivierte Trainer sind derzeit kaum auf dem Markt. Zudem werden im Sommer auch noch etliche Planstellen bei prominenten Klubs frei.

Ajax Amsterdam wird einen Trainer suchen, möglicherweise auch der FC Valencia und vor allem der FC Bayern, der in der Bundesliga sicher noch der weit attraktivere Arbeitgeber ist.

Zurück zur Basis

Ein unbekannter und unerfahrener Trainer ohne Profil aber wäre angesichts des zu Undiszipliniertheiten neigenden Kaders wohl reichlich riskant. Thomas Doll - der unselige Vorgänger von Stevens - weiß ein Lied davon zu singen.

Als mögliche Alternative käme daher vor allem eine Art Rückkehr zur Basis in Frage. Ein Trainer, der zumindest über einige Erfahrung verfügt, der vor allem aber großen Rückhalt im Hamburger Umfeld genießt.

Ein geeigneter Kandidat wäre etwa Thomas von Heesen. Der 46-Jährige erwarb sich während seiner Zeit bei Arminia Bielefeld ein beachtliches Renommee und vor allen Dingen ein klares Profil. Zudem genießt er mit 368 Bundesligaspielen für Hamburg noch immer jede Menge Kredit bei den Fans.

Fieberkurve weckt Zweifel

Ein Blick in die jüngste Geschichte jedoch dürfte beinah jeden möglichen Trainer-Kandidaten ins Grübeln bringen. Denn seit Ernst Happel 1987 dem HSV den Rücken kehrte, gleicht der Verlauf des Hamburger Gesamtverlaufs in der Bundesliga einer unkonstanten Fieberkurve.

Einem erfolgreichen Jahr folgte beinahe immer der Absturz. 1988/89 etwa landeten die Hanseaten immerhin noch auf Platz fünf in der Tabelle. Im Jahr darauf wurden sie Elfter. Wiederum ein Jahr später Platz sechs, dann runter auf Rang zwölf. Zuletzt wurde Hamburg 2005/06 Dritter, qualifizierte sich für die Champions League - und fand sich keine sechs Monate später auf Platz 18 wieder.

Dann übernahm Huub Stevens das Kommando, führte sein Team noch auf Rang sieben und liegt aktuell mit nur vier Punkten Rückstand auf Bayern und Bremen auf Rang drei. Stell dir vor, er wird am Ende sogar Meister - und haut dann einfach ab.

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