"Müssen noch abgezockter werden"

Von Interview: Sven Nitsche
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© Imago

 München - Bernd Schneider ist in Leverkusen und in der Nationalmannschaft eine Institution. Doch ausgerechnet in der Saison vor der Europameisterschaft und mitten im Umbruch bei Bayer verletzte sich der Dauerbrenner und fiel lange aus.

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 Zur Rückrunde will der Schnix nun aber wieder voll durchstarten. 

Im Interview mit SPOX.com spricht der 34-Jährige über seine Verletzung, die Leistung von Trainer Michael Skibbe und über die wohltuende Bodenständigkeit des Vereins.

SPOX: Herr Schneider, in Ihrer Karriere waren Sie eher selten verletzt, jetzt hat es sie mal erwischt. Was ist das Geheimnis ihrer Fitness?

Bernd Schneider: Das ist kein großes Geheimnis. Wichtig ist, dass man sich ständig wieder entsprechend regeneriert. Ein gewisses Fitness-Level muss man in der Bundesliga einfach immer halten. Natürlich wird man auch vom Verein ideal medizinisch betreut. In dieser Saison musste ich diesen Dienst ja leider häufiger in Anspruch nehmen.

SPOX: Der Zaubertrank von Physiotherapeut Dieter Trzolek hat also gewirkt?

Schneider: Die medizinische Betreuung ist bei der hohen Belastung immens wichtig. Aber bei meiner Verletzung konnte man mit Hokuspokus nicht viel machen. Da hieß es einfach nur Abwarten.

SPOX: Bayer-Coach Michael Skibbe ist trotz erfolgreicher Arbeit nicht unumstritten bei den Fans. Ist das etwas, worüber Sie mit dem Trainer sprechen?

Schneider: Nein, das nicht. Übrigens glaube ich gar nicht, dass unser Trainer umstritten ist und in der Kritik steht. Durch seine Arbeit im letzten halben Jahr bekommt er mittlerweile die nötige Anerkennung. Man darf nicht vergessen, dass er bei Amtsantritt ein schwieriges Umfeld vorgefunden hat.

SPOX: Und in diesem Umfeld hat Skibbe trotzdem Großes geleistet?

Schneider: In der Mannschaft hat es einen Umbruch gegeben. Es wurde mehr auf die Jugend gesetzt. Das braucht eben seine Zeit. Natürlich gab es dann die eine oder andere Niederlage, die Unmut hervorgerufen hat. Aber unser Trainer ist trotzdem seinen Weg gegangen und hat weiter den jungen Spielern vertraut. Die haben ihm dieses Vertrauen zurückgegeben, denn sie haben einen Sprung nach vorne gemacht und gezeigt, welches Steigerungspotenzial noch vorhanden ist. Die jungen Talente, wie beispielsweise Rene Adler oder Gonzalo Castro, haben eine große Zukunft vor sich.

SPOX: Sie haben 2002 in der bislang besten Leverkusener Mannschaft gespielt. Wie nah ist die aktuelle Elf am damaligen Champions-League-Finalisten dran und was fehlt ihr noch?

Schneider: Vielleicht fehlt gar nicht mehr so viel. Natürlich fehlt einigen Spielern noch die Erfahrung, das hat sich in dieser Saison klar gezeigt. Wichtige Partien, bei denen wir uns noch weiter nach vorne hätten spielen können, wurden verloren. Wir müssen auf jeden Fall noch abgezockter werden.

SPOX: Würden Sie sich wünschen, dass Bayer die Saisonziele noch aggressiver formuliert?

Schneider: Nein, das geht zurzeit überhaupt nicht. Die Priorität muss einfach sein, international dabei zu sein. Bisher scheint das Ziel ja erreichbar, aber man darf nicht vergessen, dass hinter uns noch der aktuelle Meister und der Vize-Meister stehen. Wir wollen einfach so weiter spielen wie bisher. Vielleicht geht es ja dann noch den einen oder anderen Platz weiter nach vorne.

SPOX: Es heißt häufig, Sie wollen irgendwann gerne noch mal bei Ihrem Heimatverein Carl Zeiss Jena tätig sein.

Schneider: Natürlich hat man etwas im Hinterkopf, aber für mich zählt das Hier und Jetzt. Wie es tatsächlich in ein oder zwei Jahren aussieht, weiß ich heute einfach noch nicht. Meine Verletzung hat mir gerade wieder deutlich gezeigt, dass man nicht in langfristigen, sondern in kürzeren Abschnitten planen sollte. Momentan stehen Bayer und meine Gesundheit im Blickpunkt.

SPOX: Warum hat Sie eigentlich nie ein Engagement im Ausland gereizt?

Schneider: Gereizt schon. Aus verschiedenen Gründen ist es aber nie zustande gekommen. Jetzt mit 34 Jahren ist es wahrscheinlich zu spät noch mal ans Ausland zu denken.>

SPOX: Denken Sie noch oft an Ihre eine große Chance im WM-Halbfinale gegen Italien?

Schneider: So groß war sie nicht. Ich habe nicht freistehend vor dem Tor gestanden. Ich ärgere mich darüber, wie ich den Ball mitgenommen und damit die größere Chance zunichte gemacht habe.

SPOX: Während der WM haben Sie sich mit Sodoku die Zeit vertrieben. Was ist jetzt gerade angesagt?

Schneider: Jetzt bin ich bei Nintendo DS angekommen.

SPOX: Wenn Sie die jungen Profis mit ihren Handys, Playstations,  verrückten Klamotten und schnellen Autos heute so sehen - entspricht das noch Ihrer eher zurückhaltenden Mentalität?

Schneider: Schauen Sie mal auf unseren Parkplatz. Aufgemotzte Autos sehe ich da nicht. Auch in punkto Kleidung sind wir bei Bayer nicht besonders abgedreht. Man hat immer noch das Gefühl, dass wir hier in einem Fußballverein sind. Auch die jungen Spieler sind eher bodenständig.

SPOX: Sie hatten in Ihrer Karriere 13 Trainer.

Schneider: Schon 13?

SPOX: Von wem haben Sie rückblickend am meisten mitgenommen?

Schneider: Jeder Trainer prägt einen natürlich und hat mir etwas mit auf den Weg gegeben. Auch wenn ich in meinem Kopf natürlich auch eine gewisse Wertung habe, möchte ich diese nicht öffentlich preisgeben.

SPOX: Wer ist der beste Spieler, mit dem sie je zusammen gespielt haben oder gegen den sie je gespielt haben?

Schneider: Da gibt es schon einige. Zu den Besten mit denen ich je zusammengespielt habe, zählen sicher Michael Ballack, Oliver Neuville und Carsten Ramelow. Mit diesen Spielern habe ich mich blind verstanden und tue es auch heute noch. Denen muss ich nur auf den ersten Pfosten flanken, und die stehen dann halt da und machen die Kugel rein. Bei meinen Gegner sind mir die Duelle mit Roberto Carlos noch gut in Erinnerung. Da ging es immer hoch und runter.

SPOX: Wen sehen Sie am ehesten als Ihren Nachfolger auf der rechten Seite in der DFB-Elf?

Schneider: Die Frage kann ich nicht beantworten. Denn es sind alles andere Spielertypen, die alle ihre ganz besonderen Stärken haben.

SPOX: Den Spielertyp Bernd Schneider gibt es also nicht mehr?

Schneider: So sieht es aus.

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