"Klinsmann war der große Glücksfall"

Von Interview: Alexander Marx/Stefan Rommel
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© Getty

Im zweiten Teil des großen SPOX-Interviews spricht Dr. Theo Zwanziger über die ungewisse Rolle von Jens Lehmann im DFB-Dress, die sein Glück bei der Bundestrainersuche vor drei Jahren und die Zukunft der beiden Youngster Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski.

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SPOX: Sie haben die Männer sehr gelobt. Bei den Frauen dürfte Ihr Fazit noch euphorischer ausfallen.

Zwanziger: Auch damit hatte ich nicht gerechnet. Zum Auftakt beim Algarve-Cup hatte die Mannschaft große Schwierigkeiten, ihre Form zu finden. Die Leistungsträgerinnen sind älter geworden, einige andere wie Steffi Jones oder Nia Künzer hatten sich verabschiedet. Wieder andere wie Renate Lingor haben sich schwer getan, ihr Niveau zu erreichen. Es fehlte die nötige Fitness. Also musste die Bundestrainerin eine Reihe junger Spielerinnen einbauen

SPOX: Wie hat die Mannschaft dann doch so phantastisch die Kurve gekriegt?

Zwanziger: Ich habe Silvia Neid versprochen: 'Du bekommst alles, was Du zur Vorbereitung für das Turnier brauchst.' Wir wollten und mussten gut abschneiden, schließlich ging es auch um die Vergabe der WM 2011. Also haben wir ein Trainings- und Lehrgangsprogramm aufgezogen, das wir vorher noch nie gemacht hatten. Silvia Neid hat es geschafft, die älteren Leistungsträgerinnen topfit ins Turnier zu schicken und die Jüngeren haben gleichzeitig eine positive Entwicklung gemacht. So haben wir den Titel verteidigt. Aber ganz ehrlich: Hätten Sie mich im März oder April gefragt - ich hätte nicht gedacht, dass wir Weltmeister werden können.

SPOX: Nochmals zurück zu den Männern: War Jürgen Klinsmann - und in dessen Fortführung Joachim Löw - der große Glücksfall für den DFB?

Zwanziger: Das kann man nicht anders sagen. Es hatten mit Ottmar Hitzfeld und Otto Rehhagel im Sommer 2004 nach dem Rücktritt von Rudi Völler schon zwei Kandidaten abgesagt. Als Berti Vogts dann Jürgen Klinsmann ins Gespräch brachte, habe ich sofort gesagt: 'Nehmt ihn! In dieser Situation braucht Ihr jemanden mit seiner Geisteshaltung, der sich total auf ein Ziel fokussieren kann.' Das hat im Nachhinein auch dem DFB geholfen, in den sportlich wichtigen Bereichen neue Strukturen zu optimieren.

SPOX: Inwiefern?

Zwanziger: Mit Oliver Bierhoff steht ein ehemaliger Nationalspieler an der Spitze, Matthias Sammer als Sportdirektor steht für eine klare Nachwuchsarbeit. Aus dem verwaltenden DFB ist auf der sportlichen Ebene ein kreativer DFB geworden. Dazu hat Jürgen Klinsmann durch seine klaren und knallharten Beiträge den Anstoß geliefert. Gerhard Mayer-Vorfelder und ich hatten vorher auch schon solche Gedanken. Wir sind aber immer an den Menschen gescheitert, die ihre Pflicht getan haben und denen man nicht auf die Füße treten wollte. Denn in der Regel hatten sie ihre Arbeit nicht schlecht erledigt. Aber wir waren etwas zu zurückhaltend und haben es verschlafen, die notwendigen Dinge zum richtigen Zeitpunkt zu vollziehen. Da hat uns Jürgen Klinsmann mit seinen Entscheidungen aufgeweckt. Das hat uns weitergebracht. Er hat einen notwendigen Prozess beschleunigt.

SPOX: Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski waren 2006 die Senkrechtstarter. Ein Jahr später hatten sie mit einigen Problemen zu kämpfen. Hat Sie diese Entwicklung überrascht?

Zwanziger: Die beiden spielen in einem Verein, in dem ein enormer Konkurrenzkampf herrscht. Dazu kommt eine ungeheuere Erwartungshaltung der Fans und der Medien. Außerdem warfen sie Verletzungen zurück. Es kommt also nicht nur auf das Können und die Einstellung an. Nehmen Sie das Zypern-Spiel: Da hat Lukas geglänzt - und das hat am Tag danach schon wieder Druck ausgeübt auf Ottmar Hitzfeld. Das ist doch eigentlich Quatsch.

SPOX: Sie vertrauen also weiter auf die beiden?

Zwanziger: Ich schätze sie, weil sie klassische Fußballtypen sind, wie sie jede Mannschaft braucht. Sie machen sich nicht fürchterlich viel Gedanken, obwohl sie wissen, wie wichtig dieser Sport für sie ist. Ich denke, dass beide den Mut und das Zeug dazu haben, sich bei einem Topverein Europas wie dem FC Bayern durchzusetzen. Und für die Nationalmannschaft bleiben sie sehr wertvoll.

SPOX: Jens Lehmann spielt im Moment beim FC Arsenal nicht. Ist es für Sie ein Muss, dass er den Verein wechselt, um bei der EM auch zu spielen?

Zwanziger: Die Entscheidung, wer bei der EM im Tor steht, trifft einzig und allein der Bundestrainer. Aber ich habe aus meiner großen Sympathie und Zuneigung zu Jens Lehmann nie einen Hehl gemacht. Jens Lehmann ist der komplette, moderne Torhüter. Wenn er spielen wird, wird er uns garantiert auch weiterhelfen.

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