Ein professioneller Auftragsmord

Von Stefan Moser
van der vaart, hamburg, hsv
© Getty

München - Über Geschmack lässt sich nicht streiten, über Fußball aber allemal. Und die Winterpause der Bundesliga ist dafür genau der richtige Zeitpunkt.

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Aus diesem Grund stellt SPOX.com die Erkenntnisse der Hinrunde zusammen, handlich abgepackt in zehn streitbaren Thesen.

1. Ein Profi ist ein Profi ist ein Profi.

Eine professionelle Zahnreinigung ist eine gute Sache, ein professioneller Auftragsmord dagegen eher nicht. Was heißt eigentlich professionell? Und was sagt dieses unscheinbare Adjektiv über den Charakter seines Trägers aus? Am Beispiel Rafael van der Vaarts konnte sich die Bundesliga in diesem Sommer einmal mehr von der Doppelbödigkeit des Professionellen überzeugen.

Dass der Niederländer nur wenige Wochen, nachdem er sich beim Torjubel jedes Mal noch voller Inbrunst auf das HSV-Wappen auf der Brust geschlagen hatte, plötzlich nur noch weg wollte, erscheint zwar herzlos und berechnend, wurde in Hamburg aber schließlich zähneknirschend als professionelle Handhabe im Tagesgeschäft hingenommen. Genau wie die Wahl der Mittel, mit denen van der Vaart seinen Abschied aggressiv erzwingen wollte. Sich selbst unmöglich zu machen, indem man sich etwa mit einem Valencia-Trikot ablichten lässt, ist methodisch eben auch irgendwie professionell.

Das alles wirkte abgeschmackt und egozentrisch, van der Vaarts Charakter stand in Frage. Das änderte sich jedoch rapide, als der 24-Jährige, zum Verbleib in Hamburg verdonnert, ein Spiel nach dem anderen für die Hanseaten quasi im Alleingang entschied. Neun Tore und drei Vorlagen in 14 Spielen sind ein überragender Arbeitsnachweis und sprechen nach dem ganzen Schmierentheater für eine Einstellung zum Beruf, die man nicht anders beschreiben kann als professionell.  

2. Krawattenträger sind leichte Opfer - vermeintlich.

Seit auch der große FC Bayern donnerstags durch den UEFA-Cup tingeln muss und deshalb womöglich kürzer regenerieren kann als die Konkurrenz, ist es schwer en vogue, die Krawattenträger anzufeinden, die angeblich für die Spielpläne verantwortlich sind.Nun gibt das Klischee vom weltfremden Krawattenträger zwar ein hübsches Feindbild ab, tatsächlich aber entsandten alle 36 deutschen Profiklubs einst ihre Delegierten, die dann gemeinsam den Terminkalender absegneten.

Sie alle trugen damals wohl Krawatten, und sie alle unterzeichneten den TV-Vertrag, der zum einen zwar den Spielplan mit diktiert, zum anderen aber auch die fetten Summen garantiert, von denen Kahn und Co. den Lebensunterhalt bestreiten. Und das nicht schlecht.

3. Feuerwehrmänner sind out.

Egal ob erste oder zweite  Liga - wo auch immer ein Trainerstuhl wackelte oder sogar kippte, Peter Neururer war nie als potentieller Nachfolger im Gespräch. Auch keiner seiner üblichen Kollegen von der freiwilligen Feuerwehr.

Überhaupt wurden in der Hinrunde nur zwei Trainer entlassen - rekordverdächtig wenige. Allerdings: Bis zur Winterpause wurde auch in der letzten Saison nur zwei sportlichen Leitern der Stuhl vor die Tür gesetzt. Am Ende der Spielzeit waren es dann zwölf.

4. Deutschland hat ein Torwartproblem. Ein kleines.

Mit Jens Lehmann und Timo Hildebrand hat Deutschland immerhin die besten Ersatztorhüter der Welt. Abgesehen davon aber patzten die Keeper in dieser Hinrunde der Bundesliga außergewöhnlich oft.

Manuel Neuer quälte sich durch sein verflixtes zweites Jahr, Roman Weidenfeller fiel unangenehm durch verbale und sportliche Ausrutscher auf, Tomislav Piplica und Jan Lastuvka wurden wegen Formschwäche abgelöst, Simon Jentzsch sogar öffentlich gedemütigt, Stefan Wächter, Jaromir Blazek, Tom Starke, Christian Vander und Raphael Schäfer standen häufig in der Kritik.

Mit Rene Adler und Robert Enke aber lieferten immerhin zwei Sprösslinge der Torwart-Nation Deutschland eine bärenstarke Halbserie ab. 

5. Ernst Middendorp kann doch entlassen werden.

"Wann ich in Bielefeld aufhöre, das entscheide ich selbst", war sich Ernst Middendorp sicher - doch da hat er sich getäuscht. Womit der Bielefelder Trainer nämlich nicht gerechnet hatte, war, dass sich seine Vorgesetzten bei der Arminia einen erfolgreichen Machtkampf auch die horrende Abfindung von gut vier Millionen Euro würden kosten lassen.

Doch sie taten es. Damit verliert Bielefeld vermutlich knapp die Hälfte seines gesamten Jahresbudgets und die Bundesliga einen echten Typen auf der Trainerbank. Schade für beide.

Hier geht's weiter zu den Thesen Nummer 6 bis 10!

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