Weniger quatschen, mehr arbeiten

Von Thomas Gaber
klose, bayern
© Imago

München - Der FC Bayern München ist Herbstmeister. Da ist Anerkennung angebracht. Die Redaktion von SPOX.com möchte da nicht zurückstehen. Glückwunsch!

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Doch die Gratulation würde leichter fallen, wenn sich die Bayern den Halbzeit-Titel mit von den Fans sehnsüchtig gewünschtem und von der Vereinsführung infolge der Rekordinvestitionen von 70 Millionen Euro erwartetem Zauberfußball verdient hätten.

Anfangs waren auch alle zufrieden. Es lief bombig. Die Gegner, ob Rostock oder Bremen, wurden in sämtliche Einzelteile zerlegt, aufwendig errichtete Abwehrreihen lagen in Trümmern. Zuletzt winselte der 1. FC Nürnberg um Vergebung. Das allerdings war am 7. Oktober.

"Scheiß-Stimmung" und Sticheleien en masse 

Seitdem ist viel passiert beim FC Bayern - abgesehen von vier mühsamen Siegen in Bundesliga und UEFA-Cup und Lukas Podolskis Vaterfreuden ausnahmslos in negativer Hinsicht. Alles hinlänglich bekannt, deswegen an dieser Stelle stakkatoartig zusammengefasst.

Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge greift öffentlich Ottmar Hitzfelds Rotationsprinzip an. Valerien Ismael erzwingt seine Flucht nach Hannover durch permanente Sticheleien gegen Hitzfeld. Manager Uli Hoeneß macht die Fans für die "Scheiß-Stimmung" im eigenen Stadion verantwortlich.

Willy Sagnol fordert seinen Verkauf in der Winterpause. Oliver Kahn attackiert Luca Toni und Franck Ribery und missachtet seine Pflichten als Kapitän, indem er sich von der Weihnachtsfeier davonschleicht. Und abschließend beschwert sich Miroslav Klose über den Lebensstil der Bayern-Jungstars.

Ganz nebenbei verliert die Mannschaft ihre spielerische Leichtigkeit, hangelt sich so mühsam von einem 0:0 zum nächsten wie Private Paula in "Full Metal Jacket" von Gerüst zu Gerüst im Soldaten-Parcour.

Alles nur Quatsch?

Das vierte torlose Remis der Hinrunde in Berlin spiegelt die äußerst bedenkliche Verfassung der Mannschaft erneut wider. Hitzfeld und Hoeneß stellen sich nach dem Spiel vor die Mikrofone und sprechen unisono von einer "spielerisch sehr guten Leistung" und "totaler Kontrolle". Es sei "Quatsch", dieses Spiel schlecht zu reden.

Auf die Gefahr hin, dass hier jetzt nur Quatsch geschrieben wird und bei allem Respekt vor den grandiosen Erfolgen, die Hoeneß als Spieler und Manager und Hitzfeld als Trainer des FC Bayern vorzuweisen haben: Herr Hoeneß und Herr Hitzfeld, tun Sie uns den Gefallen und öffnen Sie die Augen!

Zwei ansprechend vorgetragene Angriffe in 90 Minuten gegen einen total verunsicherten Gegner und zwei Schüsse, die aufs Tor und nicht ins Nirvana gehen, können den Anspruch - und der ging in den letzten Wochen ohnehin rapide bergab - beileibe nicht befriedigen.

Alarmierende Fakten 

Die Fakten der vergangenen sieben Ligaspiele sind erschreckend. Vier Mal spielten die Münchner 0:0 - einmalig in der 42-jährigen Bundesliga-Geschichte des mit Abstand erfolgreichsten deutschen Fußballvereins.

Magere vier Tore erzielte Bayern in diesem Zeitraum - das gab es zuletzt vor 30 Jahren, in der Saison 1967/77 zwischen dem 16. und 22. Spieltag. Und nur zwischen dem 15. und 21. Spieltag der Saison 1968/69 schnitten die Bayern schlechter ab (3 Tore). Das Angriffsspiel krankt seit geraumer Zeit an Einfallslosigkeit, Ungenauigkeit, Planlosigkeit und Behäbigkeit. Ganz zu schweigen von der Harmlosigkeit beim Torabschluss.

DFB-Sportdirektor Matthias Sammer sprach bei Premiere von einem "klaren Abwärtstrend" seit Oktober. Und auch Hoeneß outete sich als innerlich tief enttäuschter Beobachter, als er eine "gute Vorbereitung auf die Rückrunde" als Notwendigkeit erachtete, um "die guten Leistungen aus den Monaten August und September zu wiederholen."

Grüppchenbildung unübersehbar

In der Winterpause bedarf es einer knallharten Analyse der hausgemachten Probleme beim FC Bayern. Vieles muss hinterfragt werden.

Das Kritisieren der eigenen Mitspieler ist in Mode gekommen. Die Grüppchenbildung innerhalb der Mannschaft ist unübersehbar, viele Neuzugänge sind noch nicht integriert. Jan Schlaudraff wirkte im Trainingsspielchen am Donnerstag so verloren wie Edmund Stoiber bei seiner legendären Rede über den Münchner Transrapid. Nach der Übungseinheit schlichen die Spieler tröpfchenweise einzeln in die Kabine.

Oliver Kahn machte einen Anfang, als er nach seiner Suspendierung für das Berlin-Spiel ankündigte, sich und seine Handlungen als Boss des Teams zu hinterfragen (das Video in SPOX.TV). Das sollten aber auch andere tun.

Mannschaft verspielt Kredit 

Hoeneß geißelte die Spekulationen um Hitzfelds Zukunft als Bayern-Coach als "Versuch, Unruhe in den Verein zu bringen." Für die Unruhe war Hoeneß mit seiner Fan-Attacke mitverantwortlich.

Hoeneß lebt den FC Bayern so intensiv wie keiner vor ihm und wahrscheinlich auch keiner nach ihm. Deswegen haben ihm die meisten Fans auch verziehen. Die Mannschaft verspielt aber mehr und mehr Kredit. Sie finden keine plausible Erklärung für die Stagnation eines Bastian Schweinsteiger oder eines Lukas Podolski. 

Doch wie sind die Probleme zu lösen? Sollen Hoeneß und Rummenigge den Verein abschotten, die Mannschaft in Quarantäne stecken, Fans und Presse vom Trainingsgelände vertreiben und nur noch nach Spielen der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen?

Ratschläge sind fehl am Platz, die Antworten müssen die Bayern schon selbst finden. Aber eins steht fest: die Konzentration muss dem Wesentlichen gelten. Deshalb vielleicht doch noch ein gut gemeinter Rat: weniger quatschen, mehr arbeiten.

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