Mentalitätstrainer David Kadel im Interview: "Glaube ist legales Doping"

Mentalitätstrainer David Kadel bei einem seiner Vorträge
© David Kadel
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SPOX: Kommt das in den Mannschaften gut an?

Kadel: Bei klassischen Mental- oder Motivationstrainern verdrehen sicher 20-30 Prozent der Spieler die Augen und sagen: "Ach, jetzt kommen die mit so 'nem Scheiß daher." Das ist bei mir nicht so, denn ich mache das bewusst mit den Führungsspielern und die stecken dann die anderen an. Das geht übrigens bis in die dritte oder vierte Liga runter, und ich merke, wie das Bedürfnis der Spieler, tatsächlich ein verschworener Haufen zu werden, immer größer wird. Aber wie gesagt: Zwei Tage Bergwandern reicht da niemals aus.

SPOX: Nicht jeder mag Veränderungen ...

Kadel: Klar, wenn wir etwas anders machen, dann hat erstmal keiner Bock. Im Fußball ist jeder eine Ich-AG, man will nach Hause, Kopfhörer drauf, lasst mich in Ruhe. Einer wie Sandro Wagner, den ich ja als Typ auch mag, sagt ganz offen: Ich verdien' da mein Geld, der Rest ist mir scheißegal.

SPOX: Aber das wäre ja auch eine Persönlichkeit.

Kadel: Er ist eine Persönlichkeit. Aber durch seine Aussage, dass Fußballer zu wenig verdienen, kam er für viele rüber wie ein Egoist, und das weiß er auch selbst. Manche Trainer stehen auf solche Typen. Klopp dagegen setzt mehr auf Teamplayer. Er schickt einen, der 20 Tore schießt, lieber weg, wenn der seine Mannschaft zerstört, als dass er ihn nur der Tore wegen behält.

SPOX: Sie haben vor der EM 2016 in Eigenregie einen Film herausgebracht: "Und vorne hilft der liebe Gott". Darin besuchen Sie unter anderem Jürgen Klopp, David Alaba, Daniel Didavi und weitere Fußballer und plaudern mit ihnen über alles Mögliche, auch über ihren christlichen Glauben. Hängt das mit Ihrer Arbeit als Mentalitätstrainer zusammen?

Kadel: Wenn man 50.000 Euro in die Hand nimmt und einen solchen Film im Alleingang stemmt, muss man schon ein dickes Motiv haben. Ich hatte zwei. Zum einen suche ich für meine Arbeit mit Fußballern immer nach Biographien, Büchern oder guten Motivationsfilmen. Die typischen Ami-Filme wie "An jedem verdammten Sonntag", die man irgendwann mal zeigt.

SPOX: Al Pacinos Kabinenrede.

Kadel: Genau. Aber irgendwann geht einem da der Stoff aus. Deshalb habe ich Kloppo angerufen, um selbst einen solchen Motivationsfilm zu machen, und er fand die Idee geil. Neun Monate später - es kam mir vor wie eine Geburt - gab es einen Film, dem man auch mal einem 14-Jährigen geben kann oder einem Jungprofi, der sagt: "Ich brauche Selbstbewusstsein." Es ist quasi ein Schulungsfilm.

SPOX: Und das zweite Motiv?

Kadel: Der Glaube ist für mich ganz persönlich wichtig und es ist nicht jedem gegeben, ganz frei von der Leber weg darüber zu reden. Und so kann man es eben anders kommunizieren als sonst in Deutschland üblich. Es ist aber nicht so, dass ich in meinem Coaching nur mit Christen zusammenarbeite. Das war einfach Zufall. Antonio Rüdiger zum Beispiel ist Moslem, soweit ich weiß.

SPOX: Muss man nicht aufpassen, dass ein großer Teil vom Thema Religion nicht gleich abgeschreckt ist?

Kadel: Das war tatsächlich kein Problem, weil Klopp oder auch David Alaba absolute Dosenöffner sind. Bei diesen Megastars fragt man sich ja immer: Warum ist der so selbstbewusst? Viele wussten schon immer, dass Klopp die coolste Sau der Welt ist - aber dass er auch noch einen solchen Glauben hat? Das Thema Glaube gehört nicht der Kirche allein - ich bin auch jemand, der Kirche sehr kritisch sieht. Wir machen es bunt, frech, Kloppo macht auch jeden Scheiß mit. Um zu zeigen: Glaube heißt nicht, dass man zum Lachen in den Keller geht oder nur streng irgendwelche Dinge einhalten muss. Glaube ist das, was du selbst ganz intim lebst. Das ist der Kern des Films. Es hat mich selbst geflasht, wie offen und fast schon zerbrechlich Typen wie Didavi oder Ujah darüber erzählen konnten.

SPOX: Haben Sie die Protagonisten vorher alle schon gekannt?

Kadel: Bis auf Elias Kachunga ja. Mit Sven Schipplock habe ich schon als Amateur zusammengearbeitet, Alaba kenne ich, seit er 18 ist. Ich weiß noch, wie ich ihn kennenlernte und dachte: Wie kann einer nur so cool sein? So aussehen und dann noch so reden. (lacht) Deshalb war es keine Überzeugungsarbeit, sondern einer nach dem anderen sagte zu. Es gibt viele Spieler, die ihre Vorbildfunktion anders nutzen wollen als mit einem gespendeten Trikot oder einem unterschriebenen Scheck.

SPOX: Wie sind bisher die Reaktionen ausgefallen?

Kadel: Ein solcher Film aus der Low-Budget-Sparte hat natürlich nicht die Wucht wie "Die Mannschaft" oder "Das Sommermärchen". Aber es spricht sich Stück für Stück rum, es haben sich auch schon Spieler oder Trainer bei mir gemeldet. Ich habe Oliver Bierhoff den Film gegeben und bin bei Nachwuchsleistungszentren von Werder Bremen und RB Salzburg eingeladen, wo ich nicht nur vom Film erzähle, sondern auch von meiner Arbeit. Außerdem wird es vierteljährlich unter dem gleichen Namen eine Web-Serie geben. Das erste Portrait ist von Davie Selke, danach kommen Benjamin Henrichs oder Chicharito von Leverkusen.

SPOX: Geht es auch darum, einmal die Kehrseite vom glamourösen Fußballer zu präsentieren?

Kadel: Schauen Sie sich Mario Götze an. Da bringt einer seine Leistung nicht und wird dann auseinander genommen, das geht ja schon ins persönlich Verletzende. Da sehe ich bei einigen Fußballstars heutzutage auch eine Sehnsucht zu sagen: "Ich will mal persönlich erzählen, wie es wirklich ist. Ihr denkt, es ist so einfach, da unten zu stehen, einen Pass über 20 Meter zu spielen und 60.000 pfeifen. Aber wir sind alle nur Menschen!"

SPOX: Nehmt mal ein bisschen Rücksicht?

Kadel: Rücksicht ist vielleicht das falsche Wort, da heißt es dann: Ihr kriegt ja zehn Millionen. Aber ein bisschen Empathie im Sinne von: Versuch dich mal in meine Lage zu versetzen. Du bist 20, hast alle möglichen Angebote, an jeder Ecke wartet eine Frau auf dich. Du sollst straight sein, musst aber bei jedem Wort aufpassen, damit dich nicht der nächste Shitstorm erwischt. Du sollst Leistung bringen, sollst aber gleichzeitig auch eine Persönlichkeit sein. Es wird also schon eine Menge von den Jungs gefordert.