Auf dem Kreuzzug für Transparenz

Von Roman Ahrens
Vor allem mit dem Vertrag von Gareth Bale erlangte Football Leaks Berühmtheit
© getty

Seit gut einem halben Jahr gibt es Football Leaks. Anfangs kaum wahrgenommen, sorgt der Blog mittlerweile durch die Enthüllung geheimer Dokumente für Aufsehen. Betroffen sind die größten Namen des Fußballs.

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Alles begann im September 2015 mit einem kleinen Leck. Aber wie das manchmal so ist, wurde auch dieses Leck größer und nun stört es doch viel mehr als anfangs gedacht. Aus ihm strömt aber kein Wasser - sondern Informationen über die Seite des Fußballs, von der die Öffentlichkeit bisher nie etwas mitbekommen hat. Football Leaks versetzt Vereine und Spieler auf der ganzen Welt in Aufregung.

Spätestens seit den aufsehenerregenden Enthüllungen um Gareth Bale sowie den Weltmeistern Toni Kroos und Mesut Özil ist auch die breite Öffentlichkeit auf die Arbeit des portugiesischen Blogs aufmerksam geworden. Aus den Dokumenten geht etwa hervor, dass Madrids Waliser - entgegen der Angaben von Real - mit einem Kaufpreis von 100.765.417 Euro der teuerste Fußballer der Welt ist. Auch der 46-Millionen-Kaufpreis von Özil wurde offengelegt, ebenso wie Kroos' Gehalt von knapp elf Millionen Euro.

Bale schlägt Ronaldo

Wer genau hinter Football Leaks steckt, ist unklar. Nach eigenen Angaben besteht der Blog nur aus einem Kreis von neun Personen. Presseauskünfte gibt es nur per Mail von einem gewissen "John".

So klein der Kreis der Mitwisser auch ist, die Liste der geleakten Dokumente ist umso länger. Sie stehen meist in PDF-Form auf einer einfachen Wordpress-Seite zum Download bereit und behandeln prominente Namen wie Angel Di Maria oder Jackson Martinez. Kürzlich gesellte sich auch der Kolumbianer James Rodriguez dazu, dessen Gehalt und Ausstiegsklausel nun schwarz auf weiß zu lesen sind. Bei den Königlichen verdient er aktuell 7.759.380 Euro pro Jahr, für einen Wechsel müsste ein Interessent 500 Millionen Euro in die spanische Hauptstadt überweisen.

Mit ihrem Vorgehen verfolgt Football Leaks ein klares Ziel: Man wolle, so John, eine Kontaktperson des Blogs, "Transparenz in das schöne Spiel" und "Licht in die Deals aus den Hinterzimmern" bringen, heißt es in der NY Times. So soll den Vereinen wieder Respekt gegenüber ihren Fans eingebläut werden.

Woher stammen die Infos?

Hacking sei quasi die Taschenlampe von Football Leaks, lautet der Vorwurf. Rund 500 Gigabyte an Daten besitzen die Betreiber nach eigenen Angaben, jeden Tag finden im Schnitt zwei Dokumente den Weg auf die Website. "Alle Vorwürfe sind reine Phantasie und ein verzweifelter Versuch, Football Leaks zu diskreditieren", wird jener ominöse John zitiert. Bisher steht auch nur eine einzige Hacking-Anschuldigung im Raum - nicht viel, die Anzahl der offengelegten Dokumente berücksichtigend.

Das Vorhaben scheint zu funktionieren, ist der auf russischen Domains gehostete Blog in den noch nicht einmal sechs Monaten seines Bestehens doch bereits unter die zehn meistgeklickten Wordpress-Seiten vorgedrungen. Nicht ohne Grund ist Russland die Heimat der Server, hier vermutet FL weniger Verfolgung durch die Sicherheitsapparate.

Ein Leck mit Folgen

Die größten Konsequenzen hatten die Enthüllungen bisher für Twente Enschede. Die Hintermänner eines Fonds sicherten sich für gut fünf Millionen Euro die Transferrechte an fünf Spielern. Problematisch war dabei die Klausel, dass Twente Geld hätte überweisen müssen, selbst wenn die Spieler nicht transferiert worden wären - die Interessen der Investoren standen damit klar über denen des Vereins. Als Folge wurde der gesamte Vorstand für alle Fußballtätigkeiten gesperrt und Twente für drei Jahre von europäischen Wettbewerben ausgeschlossen.

Ebensolche Deals sind es, die Football Leaks der Öffentlichkeit präsentieren möchte. Denn mitten im Wirrwarr um geheime Verträge, Klauseln und Verabredungen steht die Doyen Group mit Sitz im Steuerparadies Malta. Neben dem Erwerb von Bildrechten an Spielern wie Neymar steht speziell deren Investmentfond im Zwielicht. Er sammelt Geld von schwerreichen Geschäftsmännern, um mit sogenannten Third-Party-Ownership-Deals Profit zu machen - im Fall Twente Enschede.

Die Investoren dieser Wette auf die Zukunft halten sich aus naheliegenden Gründen gerne bedeckt. Bekannt ist aber, dass etwa der türkische Manager Fettah Tamince, Chef der Hotelkette Rixos oder der Kasache Tevfik Arif, ein Partner Donald Trumps, unter ihnen sind.

Verbot durch die FIFA

Die Idee der von CEO Nelio Lucas geführten Unternehmen, laut Selbstdarstellung eigentlich auf "Vertrauen und Integrität ausgerichtet", ist einfach: Sie leihen Vereinen Geld, um ihnen Transfers zu ermöglichen. Im Gegenzug erhält die Gruppe einen Teil der Transferrechte.

Seit Mai 2015 ist diese vor allem in Südamerika und Portugal gängige Praxis von der FIFA verboten - sehr zu Ungunsten der Doyen Group, die laut internen Dokumenten mit diesen in den letzten fünf Jahren mehr als 70 Millionen Euro Gewinn gemacht hat und gerichtlich gegen das Verbot vorging. Die Deals wurden oft auch schlicht als Scouting- oder Vermittlervereinbarungen tituliert.

Schurken oder Gutmenschen?

Doyen sieht sich selbst aber mehr als Wohltäter, ohne welchen etwa "Atletico nie das spanische Duopol hätte durchbrechen können". Der FIFA-Bann treffe vor allem die finanzschwächeren Vereine.

Im Fußball, das lehrte nicht erst der FIFA-Skandal, zählen Seilschaften so viel wie in wenigen anderen Bereichen. Insofern kann sich Lucas glücklich schätzen, "alle Sportdirektoren und Präsidenten als seine Freunde zu bezeichnen". Und auch bei einigen Beteiligten nimmt man "das Risiko bewusst in Kauf", sagte etwa Atleticos Geschäftsführer Miguel Angel Gil.

Transparenz erwünscht

Football Leaks hat es sich zur Mission gemacht, möglichst viele Verträge und deren Details für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. "Diese Art der Geheimhaltung, was Verträge und geheime Absprachen angeht, bringt den Sport um", sind die Beteiligten überzeugt. Die Forderung nach mehr Transparenz stößt auch bei Mark Goddard, dem Geschäftsführer der FIFA Transfer Matching System GmbH, die internationale Transfers abwickelt, auf Gegenliebe.

Bisher seien die Aktivitäten von Football Leaks "sehr nützlich" gewesen. "Es wäre gut, wenn wir eine verlässliche, transparente und vertrauenswürdige Quelle hätten. Denn am Ende findet der Markt seine Informationen eh", so Goddard.

Doch der Preis für die Enthüllungen ist hoch: Die Betreiber von Football Leaks seien gleichzeitig auch "offenkundig Schurken", was sich auf den Vorwurf der Erpressung gegenüber Doyen bezieht. So sehen es auch einzelne Ermittlungsbehörden in den Niederlanden, Portugal und Spanien, die die Betreiber des Blogs gar als "internationale kriminelle Organisation" bezeichnen.

Keiner will geleakt werden

Die Einschätzung von Football Leaks hängt maßgeblich von der Sichtweise ab: Hält man es für legitim, der Öffentlichkeit mit dem Ziel der Transparenz geheime Vertragsinhalte zugänglich zu machen? Oder sieht man Football Leaks als feige Bande, die sich - anders als WikLeaks-Gründer Julien Assange - nicht der Öffentlichkeit stellt? Über das "Recht" der Fans, genau über den Verdienst ihrer Idole Bescheid zu wissen, lässt sich sicherlich streiten.

Eins ist jedenfalls klar: Bei den Vereinen geht die Angst um. "Niemand weiß genau, was los ist, aber alle wissen, dass sie nicht die Nächsten sein wollen", wird ein ungenannter Kluboffizieller in der NY Times zitiert.

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