"Warte noch auf 10 St.-Pauli-Groupies"

Von Interview: Erik Sabas
In der Bundesliga erzielte Nico Patschinski in 28 Einsätzen acht Tore für den FC St. Pauli
© getty
Cookie-Einstellungen

SPOX: Beim Thema Poker gibt es noch eine alte Geschichte aus Ihrer bei LR Ahlen: Sie sollen mal bei einem Pokerspiel ein fünftes Ass entdeckt und daraufhin die Flucht ergriffen haben. Am nächsten Tag stürmten die Mitspieler den Fußballplatz, um sich von Ihnen die Spielschulden abzuholen. Stimmt das?

Patschinski: Ja. Diese Pokerrunde war schon etwas dubios. Wir haben nicht Texas Hold'em, sondern normales Poker gespielt. Glücklicherweise hatte ich vier Asse auf der Hand. Da hatte ich mich noch gefragt, ob die mich veralbern wollen. Ich habe aber erst einmal mitgespielt und bin direkt All-in gegangen. Das waren so in etwa 2000 Euro. Einer der anderen ging dann tatsächlich mit. Dann zeigte ich ihm meine vier Asse - und plötzlich legt er mir einen Royal Flush, Zehn bis Ass, auf den Tisch.

SPOX: Und dann?

Patschinski: Der Kollege wollte mir erzählen, dass ich ihn doch betrogen hätte. Dabei hatte ich den ganzen Abend nicht ein Mal Karten gegeben. 3000 Euro wollten die von mir haben. Die waren halt einfach zu doof, um mich richtig betrügen. Ein Straight Flush bis zum König hätte ja auch gereicht. Ich habe damals dann meine Getränke bezahlt und bin gegangen.

SPOX: Klingt sehr dubios.

Patschinski: Ich habe die ganze Geschichte Helmut Spikker aus dem Ahlener Vorstand erzählt. Ihm waren diese Typen bekannt und er meinte, er könnte das klären. Die standen dann einen Tag später vor meiner Haustür und ich habe sie zu ihm geschickt. Das Schlimme war nur: Das Geld wurde mir am Ende des Monats vom Gehalt abgezogen. Da hat er sich wirklich was einfallen lassen (lacht). Seitdem war diese ganze Poker-Sache durch und ich habe mich für alle Kasinos sperren lassen.

SPOX: Trauern Sie dem verzockten Geld nach?

Patschinski: Ich habe damit ja niemandem wehgetan. Außerdem: Die Leute denken immer, ich habe alles nur verzockt. Klar, ich habe auch eine Menge verpulvert, aber für andere Sachen habe ich noch wesentlich sinnloser Geld ausgegeben.

SPOX: Zum Beispiel?

Patschinski: Zum Beispiel für Wohnungsmieten meiner Ex-Frau. Sie hatte zwei Wohnungen und ich hatte ein Zimmer in Trier. Das tut mir heute eigentlich viel mehr weh.

SPOX: Was glauben Sie, wie sehr diese kleinen Sünden des Lebens unter Profifußballern verbreitet sind?

Patschinski: Ich glaube, dass viele einen kleinen Suchtfaktor in sich haben. Genau kann ich das natürlich auch nicht beurteilen. Aber dass jeder gerne mal ein bisschen spielt oder trinkt, das halte ich schon für möglich. Die Frage ist halt immer, ob das dann schon eine Sucht oder eher Langeweile wäre. Aber so lange die Leute nur ihr Geld verspielen, ist es ja irgendwo auch in Ordnung.

SPOX: Sie gelten als Freund offener Worte, die im heutigen Fußball immer seltener geworden sind. Wie denken Sie darüber?

Patschinski: Das ist extrem schade und echt schlimm geworden. Thomas Müller ist der Einzige, dem man noch zuhören kann, weil er noch das sagt, was er denkt. Die Vereine haben ja mittlerweile für alles einen Coach. Die haben einen Coach, der dir sagt, wie du auf die Toilette zu gehen hast. Die Jungs haben halt Angst, etwas Falsches zu sagen - was ich auch nachvollziehen kann. Das ist aber auch das Traurige an unserer Gesellschaft: Du kannst nicht mehr sagen, was du denkst. Gott sei Dank war das bei uns früher noch ganz anders. Klar, ich habe immer mal wieder eine Strafe gezahlt, aber ich habe immer gesagt, was ich denke. Wenn man damit einmal auf die Schnauze fällt, hat man eben Pech.

SPOX: Per Mertesackers Eistonnen-Interview nach dem WM-Achtelfinale gegen Algerien war also genau nach Ihrem Geschmack?

Patschinski: Ja, absolut! So etwas ist gut. Das ist doch das, was die Leute hören wollen. Aber dafür hat er doch hundertprozentig vom DFB noch eine Ansage bekommen...

Seite 1: Patschinski über die Weltpokalsiegerbesieger und sein Lieferanten-Leben

Seite 2: Patschinski über den Rechtsstreit mit Union und Sympathien für Mertesacker