"Soll ich mich für Schalke schämen?"

Von Interview: Benedikt Treuer
Mike Büskens erlebte beim FC Schalke die emotionalsten Momente seiner Karriere
© getty

Im November 2013 wurde Mike Büskens als Trainer von Fortuna Düsseldorf beurlaubt. Bis heute verbindet man den Namen des 46-Jährigen mit dem FC Schalke 04, wo er in insgesamt 18 Jahren unter anderem den UEFA-Cup gewann, aber auch die bittere Meisterschaft der Herzen einfuhr. Im Interview spricht Büskens über sein Leben ohne Fußball, die Rückkehr der Gier, seine bisherigen Traineraufgaben und die Verbundenheit mit Königsblau.

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SPOX: Herr Büskens, seit etwas mehr als einem Jahr sind Sie nicht mehr im Trainergeschäft tätig. Was machen Sie momentan?

Mike Büskens: Ich schaue mir viele Trainingseinheiten von verschiedenen Mannschaften an - von der U-17- und U-19-Bundesliga über die Youth League, Regionalliga, zweite und erste Liga. Ích bin viel auf den Plätzen unterwegs und nutze die Zeit, um mich über den aktuellen Fußball zu informieren.

SPOX: Reizt Sie der Nachwuchsbereich oder schauen Sie sich perspektivisch für Ihre nächste Station im Profibereich um?

Büskens: Wir haben in Deutschland viele gute Juniorenspieler. Die können nicht alle in ihren Vereinen den Sprung zu den Profis schaffen. Das heißt für mich: Wo sind Spieler mit Perspektive, die für ein nächstes Projekt interessant werden könnten und wo stehen die einzelnen Mannschaften? Es geht mir um den Fußball, nicht um die Frage "Profis oder Nachwuchs?".

SPOX: Sie waren über 25 Jahre als Spieler und Trainer aktiv. Wie war es für Sie, sich nach der Beurlaubung bei Fortuna Düsseldorf wieder ins "normale" Leben einzugliedern und den Fußball außen vor zu lassen?

Büskens: Ich habe eine Phase gebraucht, in der ich bewusst loslassen wollte. Ich wollte vom Fußball nichts hören und sehen. Ich denke, dass ich fußballwahnsinnig bin und wenn man in einem Verein arbeitet, ist man permanent mit Gedanken rund um die Mannschaft und den Klub beschäftigt. Es ist keinesfalls schlechter, mal nicht in der ersten Reihe zu stehen. Vielmehr tut es wirklich gut, Dinge in den Vordergrund zu stellen, die lange Zeit hinten anstehen mussten. Damit meine ich zum Beispiel den normalen Familienalltag oder gemeinsame Urlaube. Es gibt zahlreiche Aspekte, die im Leben eines Fußballtrainers zu kurz kommen. Für so etwas habe ich gerade mehr Zeit.

SPOX: Reflektiert man die Vergangenheit in dieser Zeit ganz anders?

Büskens: Man beschäftigt sich zumindest damit. Es geht auch darum, Dinge aufzuarbeiten. Warum sind bestimmte Situationen so entstanden? Es findet immer die Reflektion durch Gespräche mit Beteiligten aus dieser Zeit statt. Ich habe als Interimstrainer auf Schalke oder auch in Fürth oftmals auf der Sonnenseite des Trainergeschäfts gestanden und da ist eine Zeit wie die bei der Fortuna äußerst lehrreich. Gerade aus der schmerzlichen Zeit kann man viel für die eigene Zukunft mitnehmen.

SPOX: Huub Stevens sagte unlängst, dass es bei ihm wieder "kitzelt". Zwei Tage später wurde er als Trainer in Stuttgart vorgestellt. Verspüren Sie nach nun 13 Monaten Auszeit ein ähnliches Gefühl?

Büskens: Auf jeden Fall. Ich habe für mich seit etwa zwei Monaten diese Liebe zum Fußball wiederentdeckt. Die Gier ist zurück. Wir arbeiten in einem Berufsumfeld, das sehr stressig sein kann. Wenn man sich über Jahre in dieser Maschinerie bewegt, ist es auch mal gut, ein Stück weit loszulassen. Man muss Dinge für sich selbst verarbeiten können, um wieder mit viel Freude und Lust ein neues Projekt starten zu können. Das ist bei mir jetzt der Fall.

SPOX: Gab es denn Zeiten, in denen Sie zu Hause gesessen und gewartet haben, dass das Telefon klingelt?

Büskens: Gewartet habe ich nicht, da man auch Dinge auf sich zukommen lassen muss. Gelegentlich erhält man Anfragen und zum Teil auch solche, die einen richtig interessieren. Im Frühjahr hatte ich zum Beispiel eine Offerte, bei der ich mich hundertprozentig mit dem Verein hätte identifizieren können. Das war aber in einer Phase, in der ich gemerkt habe, dass ich diesem Projekt noch nicht die 100 Prozent hätte geben können, die ich von mir selbst verlange. Das wäre in dem Moment eher eine Entscheidung gewesen, um einen der 36 Plätze auf dem Bundesliga-Karussell zu besetzen. Ich muss meinen eigenen Erwartungen gerecht werden, das ist wichtig.

SPOX: Um welchen Platz hat es sich gehandelt?

Büskens: Darüber spricht man nicht, es wäre unfair gegenüber dem Verein und meinem Trainerkollegen.

SPOX: Wie war es, als der Trainerstuhl bei Ihrem Herzensklub Schalke frei wurde: Hatten Sie nicht gehofft, dass man auf Sie zukommen würde?

Büskens: Ich bin ja nicht auf dem Baum geboren. Ich bewege mich in der Realität, im Hier und Jetzt und versuche, meine Situation richtig einzuschätzen. Von daher war das für mich kein Thema.

SPOX: Während Ihrer Interimsaufgaben auf Schalke haben Sie die kurzfristigen Ziele stets erreicht. Trotzdem hat der Verein nicht langfristig mit Ihnen geplant. Ist das heute noch eine Enttäuschung für Sie?

Büskens: Das würde ich so nicht sagen. Wir haben auf Schalke erfolgreiche Arbeit geleistet. Es ist schön, auf diese Art und Weise in Erinnerung zu bleiben. Trotzdem muss man auch das ganz realistisch sehen. Der Verein war - wie sich später herausstellte - mit Felix Magath schon einig, bevor wir unsere zweite Interimsphase antraten. Wenn so ein Mann, der mit Bayern und Wolfsburg Titel gewonnen hat, auf dem Markt frei wird und ein Verein seit mehreren Jahrzehnten von der achten Meisterschaft träumt, dann ist es nur logisch, sich mit diesem Trainer zu beschäftigen.

SPOX: Nach 18 Jahren im Ruhrpott zog es Sie 2009 nach Fürth. Hat Ihnen dieser Wechsel geholfen, eine vielleicht notwendige Distanz zu Königsblau aufzubauen?

Büskens: Natürlich war das ein wichtiger Schritt. Ich habe 18 Jahre in verschiedenen Positionen für Schalke gearbeitet. Vorher war ich elf Jahre in Düsseldorf. Das sind die beiden Vereine, die mich am meisten geprägt haben. Der Wechsel nach Fürth war ein Schritt raus aus dem, was man kennt. Das war zwar nicht einfach, aber eminent wichtig für die eigene Entwicklung. Die Erfahrung bei der Spielvereinigung war etwas vollkommen Neues, was ich in den drei Jahren zu schätzen gelernt habe.

SPOX: Hat Sie Fürth gelehrt, dass es nicht darauf ankommt, wo man arbeitet, sondern wie?

Büskens: Entscheidend ist wirklich das Projekt. Kann man sich damit identifizieren? Haben beide Seiten ein gutes Gefühl füreinander? Entdecken sie eine gemeinsame Linie, auf der sie sich bewegen können? Wir haben in einer sehr familiären Umgebung viel zusammen entwickelt. Junge Spieler, die eine zweistellige Millionensumme auf dem Transfermarkt eingebracht haben. Im ersten Jahr den Abstieg verhindert, im zweiten auf dem undankbaren vierten Platz gelandet, danach sind wir als Tabellenerster in die Bundesliga aufgestiegen und im Pokal-Halbfinale erst in der Verlängerung am späteren Sieger Dortmund gescheitert. Leider konnten wir diesen Schwung nicht mit in die Bundesliga nehmen und wichtige Spieler wie Schröck und Occean nicht durch unsere damaligen, gemeinsamen Verpflichtungen ersetzen.

Seite 1: Büskens über sein Leben ohne Fußball und die Rückkehr der Gier

Seite 2: Büskens über seine Zukunftsplanungen und die Verbundenheit zu Schalke

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