Reaktion auf die Moderne

Pep Guardiola, Louis van Gaal und Joachim Löw haben ihre eigene Auffassung
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Beides bleibt jedoch eng verknüpft. In einem Spiel verändert sich alle paar Sekunden die Formation der eigenen Mannschaft, die Übergange zwischen Fünfer -und Dreierkette sind fließend. Der FC Bayern München beweist in seinen ersten Spielen der neuen Saison, dass allerdings auch Mannschaften mit bestem Spielermaterial Zeit brauchen, um diese Vorgaben umzusetzen.

Viel Lauf -und ganz besonders viel Denkarbeit erfordert das Verteidigen mit drei Zentralen. Es kann allerdings auch spielentscheidend sein. Die Kausalkette ist schnell gefunden: Ballbesitzorientierte Teams setzen oft auf eine falsche Neun, einen Spieler, der sich aus der Offensivreihe ins Mittelfeld fallen lässt. Dieser Spieler soll Überzahl herstellen und gleichzeitig dem Innenverteidiger die Frage stellen: Verfolgen, oder nicht?

Verfolgt er, wird eine Lücke in seinem Rücken frei, in die ein anderer Offensivspieler stoßen kann. Verfolgt er nicht, kann der Gegner im Mittelfeld ungestört kombinieren, die Secher müssen einen weiteren Mann ins Blickfeld aufnehmen. Die Fünferkette kommt dem bei, entstehen doch bei einem Herausrücken eines Verteidigers merklich kleinere Lücken, die Innenbahn bleibt geschlossen.

Die falsche Neun schlägt zu

Das vielleicht wichtigste Tor der Weltmeisterschaft passt wie die Faust aufs Auge. Thomas Müller lässt sich im Angriff der deutschen Mannschaft zurückfallen. Martin Demichelis verfolgt ihn bis ins Mittelfeld, Andre Schürrle dribbelt die linke Seite hinab. Mario Götze zieht von dieser Seite in die Mitte - und in die Lücke, die Demichelis offengelassen hat.

Als die Flanke kommt, ist der Ex-Bayer auf dem Weg, sein Rausrücken zu korrigieren, Ezequiel Garay hat einen Gegenspieler, der eigentlich nicht ihm zugeordnet war. Götze verwandelt.

In einer Fünferkette hätte Demichelis keine allzu große Lücke hinterlassen, auch wenn das Mittelfeld möglicherweise durch eine Reduzierung von drei auf zwei Spieler etwas leichter überspielt worden wäre.

Jedoch deckt die Fünferkette nicht nur die Mitte besser ab, als ihr viergliedriges Pendant, sondern auch die Flügel und Halbräume. Egal ob in einer aufgefüllten Fünferkette, in der ein Mittelfeldspieler die Viererkette an einer Seite ausbaut und den eigentlichen Außenverteidiger zum Halbspieler macht, oder in der standardmäßigen Variante, deckt man die komplette Breite des Spielfelds ab.

Die Schwäche, die das gern eingesetzte 4-4-2 im Mittelfeldpressing aufweist, ist damit mustergültig behoben. Schnelle Spielverlagerungen und Diagonalbälle können einfacher abgefangen werden. Inverse Dribblings über den Flügel, wie sie Arjen Robben oder Lionel Messi gerne einsetzen, können schneller gestoppt werden, weil der Außenverteidiger mehr Unterstützung erhält.

Schwächen im Umschaltmoment

Bei aller defensiven Kompaktheit bleibt jedoch das, was Costa Rica und auch den Niederlanden letztlich zum Verhängnis wurde. Im Umschaltmoment steht die eigene Mannschaft sehr flach, die Präsenz im zweiten Drittel, in das schnell gespielt werden muss, ist gering.

Fünf Mann stehen auf einer Linie, davor finden sich meist nur wenige Anspielstationen. Louis van Gaal ließ seine zentralen Verteidiger deshalb mit langen Bällen eröffnen - eine Vorgehensweise, die nicht allen Teams gut zu Gesicht steht.

Grafik: Die Pässe von Stefan de Vrij und Ron Vlaar gegen Australien (3:2): Die Niederländer versuchen es oft und gerne lang. Robin van Persie kann die Zuspiele behaupten, Arjen Robben mit seiner Schnelligkeit erlaufen oder von seinem Mitspieler abgelegt bekommen. Dennoch finden nicht alle ihr Ziel.

Alternativ wird schnell über die Flügel aufgebaut, wie Chile es versuchte. Die Halbspieler aus der Innenverteidigung konnten weit nach außen aufrücken und dann steil die Linie herunterspielen. Dass Eduardo Vargas und Alexis Sanchez ohnehin keine klassischen Mittelstürmer sind, sondern sich immer wieder auf dem Flügel anboten, verstärkte den vertikalen Aufbau zusätzlich.

Anfällig waren beide Teams jedoch für konsequentes Gegenpressing, das ein Überspielen der Linien erschwerte. Die Viererkette bietet hier mehr Möglichkeiten, entstehen doch durch mehr Anspielstationen im Mittelfeld auch mehr Dreiecke, die den Spielvortrag erleichtern. Volker Finke forderte einst immer drei Anspielstationen für den Ballführenden, bei einer Fünferkette geschieht dies im Moment des Ballwechsels nur selten.

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