Am Tropf der Jugend

Von Stefan Rommel
Hier werden Stars gemacht: Der legendäre Sportpark "De Toekomst" von Ajax Amsterdam
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Ajax Amsterdam ist ein Gigant in der heimischen Liga, im internationalen Vergleich aber mittlerweile ein kleiner Fisch. Der erfolgreichste Klub der Niederlande steckt zwischen zwei Welten fest: Der zu klein geratenen Eredivisie und der überdimensionalen Champions League.

"Am Ende bleibt einem Verein wie Ajax gar nichts anderes übrig, als seine besten Spieler in jungen Jahren regelmäßig ziehen zu lassen", sagt Roy, Mitglied der Ajax-Academy und Trainer bei der zweiten Mannschaft Jong Ajax. Er war einst selbst Schüler bei Ajax.

"In den Niederlanden sind keine hohen Einnahmen aus TV-Verträgen zu verdienen, Sponsoring und Marketing sind verglichen mit den Top-Ligen in Europa eine Randerscheinung. Also hat sich Ajax wieder auf das verlassen, was es schon immer konnte: Schlauer und schneller sein als andere. Und besser ausbilden."

Die andere Rückkaufoption

Die Chance, in der Königsklasse jemals wieder eine wichtige Rolle spielen zu können, tendieren wohl gegen Null. "Wir beginnen jede Saison wieder von Neuem. Deshalb ist es wichtig, dass die entscheidenden Posten im Klub langfristig besetzt sind." Trainer Frank de Boer hat vor ein paar Wochen bis 2017 verlängert, ihm assistieren in verschiedenen Funktionen mit seinem Bruder Ronald, Dennis Bergkamp und Jaap Stam andere ehemalige Ajax-Ikonen. Marc Overmars ist Technischer Direktor. Und über allen schwebt Johan Cruyff, als Berater und Kritiker.

"Das ist der Weg: Wir holen Qualität und Vereinstreue ins Boot, um Qualität und Vereinstreue zu produzieren", sagt Roy. Jeder Ajax-Spieler, der den Verein verlässt, soll die Chance haben, jederzeit auch wieder zurückzukehren. Eine etwas andere Rückkaufoption, ganz ohne Geldfluss.

Rund 100 Millionen Euro Transferüberschuss hat Ajax in den letzten zehn Jahren erzielt und ist damit einer der ganz wenigen Klubs in Europa, die auf diesem Niveau schwarze Zahlen schreiben konnten. Von den Top-Klubs Europas war lediglich der FC Valencia knapp an der schwarzen Null - der Rest prasste und prasst munter weiter.

Chelsea versus Porto

Spitzenreiter ist der FC Chelsea mit einem Minus von rund 800 Millionen Euro, gefolgt von Real Madrid (etwa 770 Mio.) und Manchester City (etwa 600 Mio.). Und auf der anderen Seite stehen Udinese Calcio und der FC Porto, mit gänzlich unterschiedlichen Leitlinien.

Udine mit rund 170 Millionen Euro Überschuss, Porto hat allein in dieser Transferperiode bisher 45 Millionen Euro mehr eingenommen als die Portugiesen ausgegeben haben. Und das, nachdem in den Jahren davor schon Spieler wie Hulk oder Radamel Falcao den Klub verlassen hatten. Das Transfersaldo des FC Porto kratzt für die letzte Dekade an der 300-Millionen-Marke. Mehr als 30 Prozent steuert Porto zum Gesamtumsatz des Klubs aus dem Topf der Spielerverkäufe bei.

Porto hat es wie kein anderer Klub auf der Welt verstanden, seinen Standortnachteil in einen Vorteil zu verkehren. Auch die portugiesische Liga gehört nicht zu den stärksten, im westlichsten Land Europas hat Porto aber die Schleusen besonders für den südamerikanischen Markt geöffnet und ist mittlerweile die erste Anlaufstelle für Talente aus Südamerika.

Sachte Kundenakquise

Die Verbindungen zur Agentur Gestifute des Spielervermittlers Jorge Mendes erwies sich als Volltreffer, Präsident Jorge Nuno Pinto da Costa ist seit über 30 Jahren im Amt und die große Konstante. Er hat das Scoutingsystem ins Leben gerufen, das so fein verzweigt ist, dass es bis in die oberpfälzische Provinz reicht.

Philipp Hercher und Rico Preißinger durften vor vier Jahren beim FC Porto vorspielen. In einem Trainingscamp der Deutsch-Tschechischen Fußballschule waren beide den Scouts der Portugiesen aufgefallen. Für eine Woche wurden die damals 13-Jährigen nach Porto eingeladen, durften in der Akademie reinschnuppern.

Was besonders hängengeblieben ist? "Die Toleranz und Disziplin, mit der beim FC Porto schon im Jugendinternat miteinander umgegangen wird", sagt Hercher. In Deutschland bekommen die Jugendlichen zumeist Einzelzimmer, in der Porto-Akademie teilen sich vier bis sechs Spieler einen Raum. Die Trainingsanlagen sind für Außenstehende tabu, selbst die Eltern haben keinen Zutritt.

Für die beiden Deutschen war der Ausflug nach Porto eine Art Belohnung für die Arbeit an der Fußballschule, für den FC Porto aber eine erste zaghafte Kundenakquise. Ausgaben wie diese laufen im wahrsten Sinne des Wortes unter Werbungskosten, belegen aber auch, wie angestrengt und detailversessen Porto sein Portfolio auch auf Länder ausweitet, deren Ligen finanzstärker sind und deutlich mehr Strahlkraft ausüben.

Nicht umsonst findet das Modell der Portugiesen jetzt auch Nachahmer. Zwei der begehrten Porto-Scouts unterschrieben zuletzt Verträge bei Schachtjor Donezk.

Suchen, kooperieren, vernetzen

Porto hat auch nie vor den vermehrt auf den Markt drängenden Agenturen Halt gemacht. Im Gegenteil. Partner-Klubs suchen, Kooperationen eingehen, gemeinsames Scouting intensivieren, Synergien schaffen, besser vernetzt sein - das alles schaffte und schafft der FC Porto mit den Sportmarketingagenturen.

"Traffic Sports Marketing" ist eine der größten weltweit, in Deutschland ist diese Form der Transferrechte-Fonds noch kaum am Markt. Der Hamburger SV hat sich mit dem von Gönner und Investor Klaus-Michael Kühne ins Leben gerufenen "Anstoß³" vor einigen Jahren mal versucht, musste die Idee aber schnell wieder begraben.

Beim 1. FC Köln hielt die Steuerberatungsgesellschaft "ETL Group" des Unternehmers Franz-Josef Wernze Teile der Transferrechte der Spieler Lukas Podolski, Pedro Geromel und Slawomir Peszko.

Die UEFA will regulieren - wohl vergeblich

Der Trend geht zu einem dritten Verhandlungspartner am Tisch. Neben dem abgebenden und aufnehmenden Klub sitzen immer öfter auch Unterhändler verschiedener Agenturen mit in den Verhandlungsrunden, die Teile der Transferrechte der Spieler halten.

"Traffic Sports" geht so weit, dass die Firma Klubs in Brasilien, den USA und Portugal unterhält, um so Spieler aus der eigenen Akademie leichter auf den jeweiligen Markt zu bringen. Manchester United ging vor fünf Jahren eine Kooperation mit den Brasilianern ein.

Im Dezember letzten Jahres hat die UEFA ein Gesuch an die FIFA gestellt, die "Dritteigentümerschaften an Spieler-Transferrechten grundsätzlich zu verbieten". Der Weltverband solle weltweit gültige Regeln erlassen, um den Wettbewerb wieder übersichtlicher zu gestalten. Offenbar ein recht schwieriges Unterfangen, bisher hat sich die FIFA zu keiner Regelung durchringen können.

Das weite Feld der Spielertransfers wird im Profibereich unübersichtlich bleiben, dafür sind zu viele Parteien beteiligt und zu viel Geld im Umlauf. Vereine, Spieler, Agenturen, Vermittler, Anwälte und Berater sind darauf angewiesen, zu kaufen oder zu verkaufen. Ihre Klientel wird dabei immer jünger und die finanziellen Dimensionen enormer. Die Spirale dreht sich einfach weiter.

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