Blatter denkt nicht an Rücktritt

SID
Blatter ergibt sich nicht - es sei denn, der FIFA-Kongress verlangt es
© Getty

Der stark in die Kritik geratene FIFA-Präsident Joseph Blatter denkt trotz der massiven Kritik nicht an einen Rücktritt. "Wenn der FIFA-Kongress der Meinung ist, dass ich zurücktreten soll, dann tue ich das. Sonst nicht", sagte der 76-Jährige im Anschluss an die Sitzung des FIFA-Exekutivkomitees am Dienstag in Zürich.

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Wenn ich mich immer mit Rücktrittsforderungen beschäftigen würde, dann würde ich mich ja die ganze Zeit ärgern. Von daher lasse ich das", sagte Blatter weiter.

Er erklärte, er sei ein glücklicher Präsident. Das Exekutivkomitee habe Einigkeit bewiesen, die Anstrengungen und Herausforderungen in puncto Reform anzugehen, sagte Blatter. Eine Schlüsselrolle soll hierbei der deutsche Richter Hans-Joachim Eckert einnehmen. Der Richter übernimmt den Vorsitz der Anklagekammer des neuen, zweigeteilten Ethikkomitees. Eckert soll nun im Verbund mit der ermittelnden Kammer unter dem Vorsitz von Michael J. Garcia für Ordnung in der FIFA sorgen.

Nicht thematisiert wurden dagegen die Offenlegung der Gehälter ranghoher FIFA-Funktionäre. Zur jüngst publik gewordenen Schmiergeldaffäre sagte Blatter, dass der Fall rechtlich abgeschlossen sei, nun aber durch das neue Ethikkomitee eine ethisch-moralische Überprüfung anstehe.

Pieths Reformvorschläge abgesegnet

Das FIFA-Exekutivkomitee segnete damit die Reformvorschläge ab, die im Wesentlichen der Schweizer Strafrechtsprofessor Mark Pieth mit seiner unabhängigen Governance-Kommission ausgearbeitet hatte. Auch der frühere DFB-Präsident und das jetzige FIFA-Exekutivmitglied Theo Zwanziger war als Vorsitzender der Statutenkommission an den neuen ethisch-moralischen Richtlinien beteiligt.

In der vergangenen Woche waren brisante Akten in der Affäre um Schmiergeldzahlungen des 2001 pleitegegangenen Sportrechtevermarkters ISMM/ISL an ranghohe FIFA-Funktionäre öffentlich geworden. Blatter geriet daraufhin unter Beschuss, weil die Akten präzise seine Mitwisserschaft an den Zahlungen dokumentieren. Blatter selbst nahm nach Aktenlage aber keine Schmiergeldzahlungen an.

Immer wieder wurde der Schweizer am Dienstag von den Journalisten auf die Affäre angesprochen. Er wisse von keinen weiteren Zahlungen an FIFA-Funktionäre, beteuerte Blatter, der sich nach mehrmaligem Nachfragen genervt zeigte. "Ich will mich nicht ständig wiederholen."

Blatter rudert zurück

Dass es auch nach der Offenlegung brisanter Akten zum Schmiergeldskandal weiter viel Aufarbeitungs- und Aufklärungsbedarf gibt, hatte paradoxerweise Blatter selbst indirekt zugegeben. In einem Interview mit der Schweizer Zeitung "SonntagsBlick" machte Blatter Andeutungen, dass es bei der Vergabe der Fußball-WM 2006 an Deutschland nicht mit rechten Dingen zugegangen sein könnte.

Nach starker Kritik aus Deutschland ruderte der 76-Jährige am Dienstag zurück. Solange keine konkreten Beweise vorlägen, dass bei irgendeiner WM-Vergabe etwas schief gelaufen sei, müsse und solle man "an der Rechtmäßigkeit der Wahl festhalten", schrieb er in einem offenen Brief an die "Bild"-Zeitung.

Führende deutsche Politiker forderten derweil die Aberkennung des Bundesverdienstkreuzes für Blatter. "Sepp Blatter steht für endemische Korruption bei der FIFA. Nachweislich", sagte der Sprecher der Grünen im Europaparlament, Reinhard Bütikofer, der Tageszeitung "Die Welt" (Dienstagausgabe). "Deshalb sollte ihm das Bundesverdienstkreuz wieder entzogen werden."

Blatter sagte dazu am Dienstag in Zürich lapidar: "Wenn sie mir das Bundesverdienstkreuz wegnehmen wollen, dann ist es eben weg. Mehr will ich dazu nicht sagen."

Chronologie der FIFA-Skandale unter Joseph Blatter

Joseph Blatter ist sturmerprobt. Bereits in Zusammenhang mit seiner Wahl zum obersten Fußballfunktionär 1998 wurden Bestechungsvorwürfe gegen den heute 76-Jährigen laut, seitdem wurde der Weltfußballverband von mehreren Skandalen und Affären erschüttert. dapd dokumentiert die größten Vorfälle im Folgenden chronologisch:

1998 - Joseph Blatter gewinnt überraschend gegen den Schweden Lennart Johansson die Präsidentenwahl im Fußball-Weltverband. In seiner Bewerbungsrede versprach er den afrikanischen Nationalverbänden die erste WM auf ihrem Kontinent. Mittelsmänner sollen am Abend vor der Abstimmung Umschläge mit jeweils 50.000 Dollar verteilt haben. Der damalige FIFA-Vize David Will sagte: "Über der Blatter-Wahl wird immer der Schatten der Bestechung bleiben." Blatter spricht später von "vorab vereinbarten Zahlungen für Verbände in schwieriger Lage."

2002 - Elf von 24 Mitgliedern des FIFA-Exekutivkomitees reichen kurz vor der erneuten Wahl Klage gegen Blatter wegen Misswirtschaft und Amtsmissbrauch ein. Die Rechteagentur ISL/ISMM soll FIFA-Funktionäre bestochen haben, um an die Medienrechte für die Weltmeisterschaften 2002 und 2006 zu kommen. Vor Gericht ließ sich keiner der Vorwürfe beweisen. Blatter, der selbst Zahlungen erhalten haben soll, sprach von einer "Rufmordkampagne" seines damaligen Intimfeindes Johansson und wurde in Seoul wiedergewählt.

2006 - Nach jahrelanger Zusammenarbeit mit dem Kreditkartenunternehmen Master Card kündigt die FIFA an, künftig auf Konkurrent Visa als Sponsor zu setzen. Master Card klagt, da die FIFA dem Unternehmen das vertraglich zugesicherte Erstverhandlungsrecht verweigerte. Nach einer Zahlung von 90 Millionen US-Dollar verzichtet das Unternehmen auf den Gang vors Gericht.

2006 - Exekutivmitglied Ismail Bhamjee wird wegen Tickethandels bei der WM 2006 von der FIFA-Dringlichkeitskommission von seinen Ämtern enthoben. Für die WM in Deutschland hatte er Tickets zu einem Vielfachen ihres Wertes abgegeben.

2007 - Bei seiner zweiten Wiederwahl überlässt Blatter nichts dem Zufall. Die Kompetenzen des Generalsekretärs wurden vorab beschnitten, Gegenkandidaten nicht zugelassen. Per Akklamation ließ sich Blatter im Schnellverfahren im Amt bestätigen.

2010 - In Amos Adamu (Nigeria) und Reynald Temarii (Haiti) werden erstmals zwei Mitglieder der Exekutive von der Wahl der WM-Austragungsorte ausgeschlossen. Die britische Zeitung "Sunday Times" hatte vor der Abstimmung über die Vergabe der WM 2018 (Russland) und 2022 (Katar) von beiden Funktionären die Bereitschaft signalisiert bekommen, dass sie ihre Stimmen in dem 24-köpfigen Gremium gegen Geld verkaufen würden. Als Reaktion der FIFA wird in Zukunft der Kongress des Weltverbands mit mehr als 200 Mitgliedern über die Austragungsorte entscheiden.

2010 - Bei der Aufarbeitung des Konkurses der ISL/ISMM wird bekannt, dass über Jahre hinweg etwa 140 Millionen Schweizer Franken als Bestechungsgeld gezahlt wurden, an olympische und FIFA-Sportfunktionäre. Die Staatsanwaltschaft im schweizerischen Zug stellte die Ermittlungen gegen eine Zahlung von 5,5 Millionen Franken ein. Die Namen der korrupten Funktionäre bleiben bisher geheim.

2011 - Blatters Wahl in die vierte Amtszeit wird vom Ausscheiden der Gegenkandidaten überschattet. Jack Warner wird von der Ethikkommission der FIFA suspendiert. Ihm und Vizepräsident Mohammed Bin Hammam wird vorgeworfen, sie hätten versucht, Stimmen zu kaufen.

2012 - Das Schweizerische Bundesgericht kündigt an, dass brisante Akten in Zusammenhang mit gezahlten Schmiergeldern aus den Ermittlungen gegen die ISL/ISMM offengelegt werden sollen. Aus der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Zug wird deutlich, dass Blatter über alle Vorgänge unterrichtet war. "Damals konnte man solche Zahlungen als Geschäftsaufwand sogar von den Steuern abziehen. Heute wäre dies strafbar", sagte Blatter in einer Reaktion.

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