"Dem Chaos wird Tür und Tor geöffnet"

Von Interview: Haruka Gruber
Thomas Kroth (l.) ist unter anderem Agent von Manuel Neuer, Moritz Leitner und Shinji Kagawa (r.)
© Imago

Die FIFA geht gegen die Spielerberater vor - und spaltet damit die Szene. Regiert nach der geplanten Abschaffung der Lizenz die Anarchie? Manuel Neuers Agent Thomas Kroth, einer der glaubwürdigsten und bekanntesten seiner Zunft, warnt eindringlich vor den Folgen. Kroth ist Vizepräsident der DFVV, der Vereinigung der lizenzierten Spielerberater in Deutschland.

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SPOX: Die FIFA will das Transfersystem im Weltfußball grundlegend umwälzen, indem die Spielerberater-Lizenz abgeschafft wird. Die Argumentation: Das bestehende System sei wirkungslos, weil rund dreiviertel aller Transfers ohnehin von Beratern ohne Lizenz abgewickelt werden würde. Warum plädieren Sie und die DFVV, die Vereinigung der lizenzierten Spielerberater in Deutschland, für den Erhalt der Lizenz?

Thomas Kroth: Die Lizenz muss am Leben bleiben, weil im Falle einer Abschaffung der Markt vollkommen offen wäre und die Gemengelage noch unüberschaubarer werden würde als ohnehin schon. Die FIFA nimmt mit ihrer Politik in Kauf, dass noch mehr dubiose Gestalten aus einem gewissen Milieu in den Fußball eindringen und dem Chaos Tür und Tor geöffnet wird.

SPOX: Einer der Entscheidungsträger bei der FIFA ist Gerhard Mayer-Vorfelder. Er sagt: "Das Beraterwesen ist das Schlimmste, was dem Fußball passieren konnte."

Kroth: Die Entscheidungsträger sind vom Tagesgeschäft viel zu weit weg. Sind wirklich nur die Berater an allem schuld? Oder kommt nicht auch den Vereinen und den Spielern eine Verantwortung zu, die beispielsweise nicht darauf achten, ob der mit ihnen arbeitende Berater eine Lizenz hat oder nicht? Das ist alles sehr vereinfacht dargestellt. Der ehemalige Bundesliga-Manager Michael Meier sagt beispielsweise: "Es gibt ebensoviele schwarze Schafe in den Vereinen wie bei den Beratern."

SPOX: All die Kritik an der Zunft wäre wohl nicht so groß, wenn es mehr einleuchten würde, warum ein Berater mit Lizenz besser ist als ein Berater ohne Lizenz. Was bringt die Lizenz?

Kroth: Vorweg eine Gegenfrage: Sie haben doch auch eine Ausbildung. Sind Sie deshalb ein besserer Journalist? Unsere Berufstätigkeit ist vergleichbar mit jedem anderen Beruf. Man muss Ahnung von der Materie haben, ein nachweislich vernünftiges Geschäftsgebaren an den Tag legen, Netzwerke bilden und Kontakte pflegen. Die Lizenz ist so etwas wie ein Zertifikat dafür, dass man auf seriöse Weise sein Geld verdient. Man muss für die Lizenz nicht von ungefähr ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen und nachweisen, ausreichend versichert zu sein. Deswegen denken wir sogar darüber nach, in Kooperation mit einer Universität einen ordentlichen Ausbildungsgang für Sportberater zu entwickeln. Außerdem sollen lizenzierte Berater zur Weiterbildung verpflichtet werden.

Aufruhr bei den Spielerberatern: Dinosaurier im Überlebenskampf

SPOX: Die Lizenz verlor jedoch an Glaubwürdigkeit, nachdem der "Kicker" enthüllt hatte, dass die Prüfungsfragen gegen die Zahlung von 2000 Euro an einen Mittelsmann Tage davor zu erwerben waren.

Kroth: Ich kann nicht beurteilen, wer die Schuld dafür trägt. Die DFVV hat dem DFB aber angeboten, sich ins Prüfungsgremium einzubringen, damit so etwas nicht wieder passiert. Wir haben das Interesse, das Niveau der Spielerberatung in Deutschland immer weiter zu erhöhen.

SPOX: Ballack-Agent Dr. Michael Becker ist nicht in der DFVV und lästert, dass die hohen Durchfallquoten bei der Lizenzprüfung nur damit zu tun hätten, "dass viele Teilnehmer nicht in der Lage sind, auch einfachste Prüfungsfragen gedanklich erfassen zu können".

Kroth: Zu Herrn Becker möchte ich eigentlich nichts sagen. In diesem Punkt aber hat er doch recht. Was aber auch heißt: Ohne Lizenzprüfung kommen diese Typen alle regulär in den Markt. Wollen wir das?

SPOX: Sie sprechen sich gegen das Ansinnen der FIFA aus - doch mit dem Status quo können auch Sie nicht zufrieden sein. Wie soll das komplexe Thema Spielerberatung zukünftig transparenter werden?

Kroth: Es gibt leider keine einheitliche Rechtsform, selbst in der EU wird die Spielerberatung in jedem Land unterschiedlich gehandhabt. Ein Vorbild sollte Frankreich sein. Dort wird vom Staat geregelt, dass eine Lizenz die Grundvoraussetzung ist, um einen Spieler zu vermitteln. Außerdem ist klar festgeschrieben, dass die Honorarzahlung immer der Verein übernimmt. So wird Transparenz gewährleistet.

SPOX: In Deutschland hingegen gibt es etliche Ausnahmen. Unter anderem ist jeder Rechtsanwalt einem lizenzierten Spielerberater gleichgestellt und darf vermitteln.

Kroth: Wir haben doch nichts gegen Rechtsanwälte, die gesetzeskonform eine ordentliche Beratung und Vermittlung durchführen. Ein Punkt, der uns bei der DFVV aber sehr stört, ist, dass viele Berater ohne Lizenz die Vertragsgespräche bis zum Punkt der Vertragsunterzeichnung vorantreiben und dann einen Anwalt vorschieben, der nur die Verträge unterzeichnet und eine Rechnung an den Klub schicken.

SPOX: Eine große Anzahl der mächtigsten Spielerberater haben keine Lizenz oder sind nicht der DFVV organisiert: Schweinsteiger-Berater Robert Schneider, Ballack-Berater Becker, Lahm-Berater Roman Grill oder Roger Wittmann, Besitzer der Agentur Rogon.

Kroth: Das gefällt uns nicht und wir würden es entschieden begrüßen, wenn die Vereine tatsächlich nur noch mit Beratern arbeiten würden, die über eine Lizenz verfügen. Es gibt übrigens schon Vereine, die hier vorbildlich arbeiten! Es muss aber ein flächendeckendes Umdenken stattfinden.

SPOX: Ein frommer Wunsch, oder? Es fehlt bei den Klubverantwortlichen an Verständnis, was Frankfurts Vorstandsvorsitzender Heribert Bruchhagen mit folgendem Zitat beweist: "Eine Lizenz für Spielervermittler auszustellen ist so, als wenn man in der Sahara die Straßenverkehrsordnung einführen will."

Kroth: Ich habe mit Heribert Bruchhagen schon öfter über das Thema gesprochen. Vom Gefühl her hat bei den deutschen Klubs ein Umdenken eingesetzt, aber auch bei den Institutionen wie der DFL, dem DFB oder dem Innen- beziehungsweise Sportministerium. Bis vor einigen Monaten wussten die meisten Vereine nicht einmal, was es bedeutet, die Lizenz abzuschaffen. Dass in einem Vergehensfall die Strafen der Klub zu tragen hat und nicht der Berater. Dass der Klub immer haftet, wenn dem Berater Fehler unterlaufen.

SPOX: Was halten Sie von Mesut Özils Entscheidung, sich nicht mehr von seinem alten Berater Reza Fazeli vertreten zu lassen, sondern von seinem Vater?

Kroth: Nur so viel: Wenn man mit dem Klienten verwandt ist, dieser sogar der eigene Sohn ist, vermischen sich die Rollen. Das habe ich bei meinem Sohn gemerkt, der in der Regionalliga gespielt hat.

SPOX: Ein anders gelagerter Fall von Interessenkonflikt könnte Ihnen beim Hamburger SV bevorstehen. Sie beraten vor allem Spieler, sind jedoch auch Repräsentant von Trainer Thorsten Fink, dessen Wechsel Sie eingefädelt haben. Verstehen Sie den Argwohn, wenn der HSV nun Spieler verpflichten würde, die zu Ihrem Portfolio zählen?

Kroth: Warum sollte das ein Problem sein? Bei Finks vorheriger Station in Basel gab es bis vor einem Jahr keinen Spieler von mir, in Hamburg habe ich gar keinen Klienten. Zumal meine Ansprechpartner in erster Linie die Sportdirektoren und Manager sind. In seriös geführten Vereinen entscheidet doch der Trainer nicht im Alleingang über Neuverpflichtungen. Außerdem bin ich keine Ausnahme, auch die Agentur SportsTotal von Volker Struth, Jürgen Milewski oder mein DFVV-Vorstandskollege Ronny Zeller betreuen neben Spielern auch Trainer. Aber ich stimme Ihnen zu: Natürlich müsste man sich Gedanken machen, wenn ein Berater den Trainer und sieben, acht Spieler gleichzeitig betreut. Aber so weit wird es ja nicht kommen.

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