Der Wahnsinn geht weiter

Von Interview: Kevin Bublitz / Mark Heinemann
Cristiano Ronaldo wechselt für 94 Millionen Euro von Manchester United zu Real Madrid
© Getty

Die Branche der Spielerberater genießt nicht den besten Ruf - besonders Geldgier und Egoismus wird den meist im Hintergrund arbeitenden Personen immer wieder vorgeworfen. Doch stimmt dieses weit verbreitete Bild überhaupt?

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX warf einen Blick hinter die Kulissen und sprach mit dem Geschäftsführer einer der größten Vermittleragenturen in ganz Europa über das heikle Thema.

Lars-Wilhelm Baumgarten ist Geschäftsführer von "Stars & Friends", einer der größten Vermittleragenturen in Europa. Im Gespräch mit SPOX spricht er über die Megadeals des Sommers, Diegos Vater und er macht deutlich, was er von dubiosen Spielerberatern hält.

SPOX: Was halten Sie von den aktuell getätigten Transfers?

Lars-Wilhelm Baumgarten: Angebot und Nachfrage regeln in der Marktwirtschaft den Preis. Und da es für die Topspieler einen Markt in diesen Dimensionen gibt, kann ich das nicht kritisieren, wenn ich für die Marktwirtschaft bin.

SPOX: Sind solche Summen in Zeiten der Wirtschaftskrise noch vermittelbar?

Baumgarten: Der Fußball hat seine eigenen Gesetze. Natürlich führt die Wirtschaftskrise dazu, dass unter anderem Sponsoren weg brechen. Aber es gibt immer noch Leute, die bereit sind, für sehr gute Fußballspieler sehr viel Geld zu bezahlen. Das könnte man nur in einem regulierten Markt ändern, aber den haben wir im Fußball nicht.

SPOX: Immerhin haben Karl Heinz Rummenigge und Michel Platini kürzlich darüber laut nachgedacht.

Baumgarten: Ich bin auch für ein europäisches Lizenzverfahren. Aber es muss sowohl wettbewerbsrechtlich mit dem europäischen Wirtschaftsrecht vereinbar sein, als auch verbandsrechtlich bei der UEFA oder der FIFA durchgesetzt werden. Solange es das nicht gibt, ist es ganz klar, dass die Leute die aktuellen Spielregeln nutzen.

SPOX: Würden große europäische Vereine wie Real, Chelsea oder ManUtd überhaupt mitspielen?

Baumgarten: Sie werden sich sicher den Spielregeln des Fußballs unterwerfen. Ich glaube nicht, dass sie eine wilde Liga gründen würden, nur damit Ablösesummen von 300 Millionen Euro bezahlt werden können.

SPOX: Ist der Ronaldo-Deal (wechselte für 94 Mio. Euro zu Real Madrid, Anm. d. Red.) die Spitze des Eisbergs, oder ist die finanzielle Grenze noch längst nicht erreicht?

Baumgarten: Ich kann nicht in die Zukunft schauen. Ich denke, dass Klubs für sehr gute Fußballspieler nach wie vor einen sehr guten Preis zahlen werden. Und aufgrund der großen Transfers gibt es dann natürlich auch sehr viele kleinere.

SPOX: Wie zum Beispiel jetzt beim VfB Stuttgart nach dem Verkauf von Mario Gomez?

Baumgarten: Der Markt dreht sich, ein Transfer zieht weitere nach sich. Wenn der VfB Stuttgart einen Spieler für 35 Millionen verkauft, dann kauft er natürlich auch wieder neue Spieler ein. Dort wo er kauft, kommt natürlich auch wieder Geld ins Spiel. Aber ich kann dennoch nicht beurteilen, ob es das schon war, um auf Ihre Ausgangsfrage zurückzukommen. Wenn man Ribery richtig verfolgt, scheint da ja noch viel Bewegung drin zu sein.

SPOX: Ihrem Berufsstand wird oft Geldgier und Egoismus vorgeworfen. Aktuell war das im Fall von Diego so. Was sagen Sie zu dem meist schlechten Ruf der Spielerberater?

Baumgarten: In einer Branche, in der es um viel Geld geht, gibt es immer Neid, viel Gerede aber natürlich auch immer schwarze Schafe. Aber der Vater von Diego ist der Vater von Diego. Der hat mit Spielerberatungsagenturen nicht im Geringsten etwas zu tun. Der will mit seinem Sohn Geld verdienen und das darf er nach FIFA-Statut. Eltern und direkte Verwandte können die Spieler beraten.

SPOX: Sie wollen also kein Geld verdienen?

Baumgarten: Die wenigste Zeit beschäftigen wir uns mit Transfers, vielmehr mit einer vernünftigen Beratung für die Spieler. Insofern prallt der Vorwurf der Geldgier an mir ab.

SPOX: Erklären Sie uns bitte, wie ein Spielerwechsel abläuft?

Baumgarten: Ein Beispiel: Werder Bremen sucht einen rechten Verteidiger, und die Agenturen, die wechselwillige rechte Verteidiger haben, bieten dem Sportdirektor diesen Spieler an. Dann kommt es zu einem Termin, wo der Verein entweder weiteres Infomaterial fordert, oder er gibt an, sich den Spieler noch zwei, drei Mal angucken zu wollen. Wenn man sich dann sicher ist, gibt es ein Treffen mit dem Spieler. Sind auch dann beide Seiten von einem Transfer überzeugt, kommt es zu einer Verhandlung, in der über alle Geld- und Vertragslagen verhandelt wird. Wenn es gut läuft, geht alles sehr schnell.

SPOX: Es gibt sicherlich auch komplizierte Fälle.

Baumgarten: Klar. Wenn beispielsweise ein Brasilianer aus Norwegen in die Türkei wechselt. Dann sitzen zusätzlich zu den Vereinsverantwortlichen und dem Spielerberater fünf Dolmetscher am Tisch, die dann auf Türkisch, Norwegisch und Portugiesisch miteinander kommunizieren.

SPOX: Es gab im Frühjahr Berichte über mafiöse Strukturen in der Beraterszene. Damals sorgte der Fall Pizarro für viel Wirbel in den deutschen Medien. Wie sehen Sie die Sachlage?

Baumgarten: Als Vorstandsmitglied des deutschen Fußballspielervermittlerverbands und als Geschäftsführer von "Stars & Friends" bin ich dafür, dass die Geldströme rund um Fußballtransfers über die Verbände oder Ligen sauber aufgedeckt werden. Es muss ein klares Bezahlungsregulativ für Berater geben. Vergleichbar wäre dies mit der Immobilienbranche, wo der Makler einen bestimmten Prozentsatz als Honorar bekommt. Ich habe aber noch nie gehört, dass es mafiöse Strukturen sind.

SPOX: Wie würden Sie es denn bezeichnen?

Baumgarten: Das kann ich nicht, da ich die Sachlage nicht kenne und somit nicht beurteilen kann. Aber wir als Verband und ich als Person treten für Offenheit und Klarheit ein. Wir müssen hin zu einer Dienstleistungsbranche für Fußballvereine und Spieler, so wie es in anderen Branchen auch ist.

SPOX: Wie kann sich der Fußball schützen?

Baumgarten: Ein Beispiel: Spieler XY wechselt für fünf Millionen vom HSV zum PSV Eindhoven - dann muss der HSV deutlich machen, wo er die fünf Millionen hinbezahlt hat und der PSV muss alle Kosten rund um den Transfer ebenfalls öffentlich machen. Öffentlich machen heißt natürlich nicht öffentlich machen für die Presse, sondern für das Lizensierungsverfahren.

SPOX: Man hat immer das Gefühl, dass man im Ausland die Bundesliga ob der im Vergleich niedrigen Ablösesummen belächelt...

Baumgarten: Zum Teil. Ich trete aber dafür ein, dass der Fußball nach wirtschaftlichen Kriterien geführt wird. Ich plädiere dafür, dass nur Geld ausgegeben wird, das auch da ist. Und genau das macht die Bundesliga gut. Denn eine Schuldenfinanzierung von Fußballspielern ist falsch.

SPOX: Stimmt es, dass Agenturen im Prinzip immer darauf aus sind, dass ihre Spieler nach zwei bis drei Jahren den Verein wechseln?

Baumgarten: Das ist ein großes Märchen. Wir profitieren von den Gehaltsummen der Spieler, da kann der Spieler zehn Jahre beim selben Verein bleiben. Ein Wechsel lohnt sich nur dann, wenn der Spieler statt einer Million dann zwei Millionen verdient. Logischerweise sind zehn Prozent von einer Million schlechter als von zwei Millionen.

SPOX: Also ist es doch besser, wenn der Spieler wechselt?

Baumgarten: Unser Ansinnen ist es nicht, so schnell wie möglich reich zu werden, sondern Fußballern während ihrer gesamten Karriere vernünftig zu helfen. Sie sollen sich in ihrer Persönlichkeit weiterentwickeln und das optimale aus ihrer Karriere herausholen. Und wenn für Simon Rolfes eine Vertragsverlängerung in Leverkusen richtig ist, statt einen Wechsel zu einem großen internationalen Verein zu wagen, werden wir als Agentur nicht dem großen Geld hinterherjagen. Bei uns gelten noch andere Gesetze.

SPOX: Inwiefern?

Baumgarten: Wir schließen mit den Spielern keine Vermittlungs- oder Beratungsverträge ab, weil das für uns ein Vertrauensgeschäft ist.

SPOX: Sie besiegeln die Zusammenarbeit per Handschlag?

Baumgarten: Wir haben natürlich den FIFA-Vermittlungsvertrag. Das müssen wir machen, sonst könnten wir keine Vermittlung vornehmen. Ansonsten schließen wir aber keine Verträge, fordern keine Absicherungen, sondern vermitteln einfach die Spieler und beraten sie in ihrer Karriere. Für uns ist Vertrauen der Schlüssel zum Erfolg.

SPOX: Aber noch mal zu den 'Märchen': Ist es für einen Verein nicht gefährlich, wenn ein Berater gleich mehrere Spieler dort unterbringt?

Baumgarten: Ich kann sechs verschiedene Menschen, die zufällig an einem Ort zusammen sind, nicht so steuern, dass sie sagen, der Trainer muss weg. Warum soll ein Thorsten Stuckmann in Aachen die gleiche Meinung haben wie Cristian Fiel oder Szilard Nemeth, nur weil unsere Agentur sie betreut? Glauben Sie, dass ich drei Journalisten dazu bringen kann, die gleiche Meinung zu vertreten, nur weil ich sie berate?

SPOX: Eher unwahrscheinlich.

Baumgarten: Eben. In Zukunft werden sich die größeren Agenturen durchsetzen und automatisch mehrere Spieler in einem Verein betreuen. Die Zeit der Einzelberater hält zwar noch an - aber in zehn Jahren gibt es im europäischen Fußball im Wesentlichen nur noch große Agenturen.

Die Agentur Stars & Friends ist eine der größten Vermittleragenturen in Europa. Sie beschäftigt 45 Mitarbeiter an acht Standorten in Europa (u.a. Deutschland, Österreich, Norwegen, Tschechien), die über 400 Spieler, darunter über 50 Nationalspieler, betreuen und vermitteln.

UEFA-Boss Platini kündigt Finanzkontrollen an