Zehn Jahre nach dem Nivel-Überfall

SID
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Stuttgart - Das Opfer erinnert sich an nichts - Deutschen und Franzosen ist das Ereignis dagegen mit Schrecken im Gedächtnis geblieben.

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Auf brutalste Weise verprügelten deutsche Hooligans vor zehn Jahren während der Weltmeisterschaft in Frankreich den französischen Gendarm Daniel Nivel. Nach dem Vorrundenspiel zwischen Deutschland und Jugoslawien am 21. Juni 1998 in Lens greift die Meute den Polizisten an

Die Hooligans stoßen ihn zu Boden, treten ihm gegen den Kopf und schlagen ihn mit seinem eigenen Gewehraufsatz. "Es war ein schreckliches Unglück und ein Verbrechen, das der Familie Nivel großes Leid zugefügt hat", sagt Theo Zwanziger, heute Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), im Rückblick.

Knapp dem Tod entkommen 

Nivel ringt mit dem Tod, sechs Wochen liegt er im Koma. Das Schädel-Hirn-Trauma nimmt ihm sein Gedächtnis, verursacht schwere Störungen in Armen und Beinen, in seiner Sprache und Konzentration. Seinen Beruf kann der Familienvater nicht mehr ausüben, ab und zu besucht er jedoch auch heute noch seine ehemaligen Kollegen.

Die Prügelorgie entlarvt den harten Kern der Hooligan-Szene und führt vor Augen, dass Fußball - anders als bei der weitgehend friedlichen WM 2006 und der laufenden Europameisterschaft - nicht immer ein Fest von Freunden ist. "Dieser Vorfall hat in allen Bereichen zu Veränderungen und Nachdenken geführt. In der Fanszene hat im Anschluss ein Bereinigungsprozess stattgefunden", sagt der DFB-Sicherheitsbeauftragte Helmut Spahn.

Nivel mit eigener Stiftung

"Zu der Zeit war der Hooliganismus ausgeprägt, doch er nimmt zunehmend ab." Es sei jedoch nicht ganz auszuschließen, dass Situationen erneut derart eskalieren. Auf die unglaubliche Brutalität folgt eine breite Welle der Sympathie. Deutsche schämen sich ihrer Landsleute, spenden für Nivel und organisieren Benefizspiele. Der damalige DFB-Chef Egidius Braun erwägt sogar, das deutsche Team aus dem Turnier zurückzuziehen.

Aus dem Wunsch, wenigstens materiell zu helfen, entsteht im Jahr 2000 die Daniel-Nivel-Stiftung, an der neben dem DFB auch FIFA, UEFA und der französische Fußball-Verband beteiligt sind.

Auf dem Weg der Besserung

"Wir haben die juristische Aufarbeitung immer verfolgt und auch unterstützt. Das ist auch durch die Gründung der Daniel-Nivel-Stiftung zum Ausdruck gekommen", sagt Zwanziger. "Letztlich haben sich durch unsere Aufarbeitung auch die deutsch-französischen Beziehungen auf der Ebene der Fußball-Verbände verbessert."

Die Stiftung soll Ursachen für Gewalt im Fußball ergründen und Aggressionen bekämpfen. Über sie hält der Verband Kontakt zur Familie Nivel. Als der DFB den Polizisten zur Partie Deutschland gegen Polen bei der WM vor zwei Jahren einlädt, kann Nivel langsam gehen.

Er kann sich verständigen, aber nicht über einen längeren Zeitraum Gespräche führen. Für den Jahrestag des Überfalls hat der DFB nichts geplant. Es sei deplatziert, den Anlass zu würdigen, sagt ein Sprecher.