Italien: Alle Spiele der 2. und 3. Liga abgesagt

SID

Rom - Die guerillaartige Revolte italienischer Fans zwingt den Fußball im Land des Weltmeisters in die Knie und lässt Politik und Justiz nach drakonischen Konsequenzen rufen.

Cookie-Einstellungen

Als erstes sagte der Fußballverband (FIGC) die Spiele der zweiten und dritten Profiliga am kommenden Wochenende ab, die Serie A hat wegen des EM-Qualifikationsspiels der Italiener am 17. November in Schottland ohnehin spielfrei.

Einen Tag nach dem tödlichen Polizei-Schuss auf einen Lazio-Anhänger und den folgenden massiven Krawallen klagte die Staatsanwaltschaft in Rom Randalierer erstmals wegen "terroristischen Aktionen" an. Gegen den Todesschützen wird wegen fahrlässiger Tötung ermittelt.

Staatspräsident "sehr besorgt"

Staatspräsident Giorgio Napolitano nahm auf einem Staatsbesuch in Doha Stellung zu den Ereignissen in der Heimat. "Ich bin sehr besorgt", sagte er und beklagte, dass die "Fernsehbilder der Ausschreitungen in der ganzen Welt zu sehen waren".

Das Innenministerium verbot Fans vorläufig Reisen zu Auswärtsspielen und sperrte die Fan-Kurven in Bergamo und Taranto. Außerdem wurden die Polizeichefs angehalten, Spiele auch schon bei Randale im Vorfeld der Partien abzusagen.

Vom 1. März an dürfen Spiele in Stadien mit mehr als 7500 Zuschauern ohne ausreichend viele ausgebildete Ordner nur noch ohne Publikum stattfinden.

Dem Druck der Politik gebeugt

Am kommenden Wochenende muss der Ball ruhen, hatte Sportministerin Giovanna Melandri eine "Denkpause" gefordert und damit heftigen Streit ausgelöst. Ein Stopp der Ligen sei "unangebracht und riskant", hatte FIGC-Präsident Giancarlo Abete noch am Morgen entgegnet. Nach einem Krisengipfel mit Melandri, Liga-Chef Antonio Matarrese und NOK-Chef Gianni Petrucci beugte er sich dem zunehmenden Druck der Politik.

Melandri hatte "eine richtungsweisende Entscheidung" gefordert. Von der Europäischen Fußball-Union (UEFA) hatte Abete Rückendeckung bekommen. "Der Tod des jungen Mannes ist eine Tragödie, aber keine Fußball-Tragödie", sagte UEFA-Sprecher William Gaillard.

Organisierte Angriffe mit politischem Hintergrund?

In Italien wird der Fußball immer mehr zur Geisel krimineller Randalierer, die diesmal ein tragisches Unglück als Rechtfertigung für ihren Krieg gegen die Polizei missbrauchten. Die Römer Staatsanwälte vermuten organisierte Angriffe mit politischem Hintergrund hinter den jüngsten Fan-Krawallen und erhoben daher Terrorismus-Anklage.

"Wir sind Geiseln dieser Gewalt, aber wir dürfen uns so nicht zu Sklaven machen lassen. Das ist zum Kotzen", sagte Italiens Nationaltrainer Roberto Donadoni im Trainingslager der "Azzurri". Mit Fußball habe das gar nichts zu tun, bestätigte auch Nationaltorhüter Gianluigi Buffon. "Jetzt ist die Grenze erreicht", meinte Auswahlstürmer Alberto Gilardino.