Verschwörungen und der Kampf um Millionen

Toro Rosso und Renault streiten sich zusammen mit Haas um einen WM-Rang
© getty

Während die Fahrer- und Konstrukteursweltmeisterschaft an der Spitze entschieden sind, brennt im Mittelfeld ein Dreikampf um viel Geld und Prestige. Beim Saisonfinale in Abu Dhabi (alle Sessions im LIVETICKER) wird es zwischen Renault, Toro Rosso und Haas nochmal heiß hergehen - so wie bereits zuvor auf politischer Ebene.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Der Sportfan per se interessiert sich am meisten für die Duelle an der Spitze. Wer wird deutscher Fußballmeister? Wer gewinnt die Champions League? Wer wird Formel-1-Weltmeister?

Sind diese Entscheidungen gefallen - in der Fußball-Bundesliga passiert das in der Regel schon vor der Saison, würde manch ein Zyniker jetzt mit Blick auf den FC Bayern behaupten -, gilt das jeweilige Sportjahr gemeinhin als gelaufen. Verständlich auf der einen Seite, klar. Zu kurz gedacht aber auf der anderen Seite. Immerhin bieten sich auch hinter der Spitze enge Kämpfe, bei denen es um viel geht. Renault, Toro Rosso und Haas beweisen das aktuell in der Formel 1.

Lediglich sechs Punkte trennen das in der Team-Weltmeisterschaft sechstplatzierte Toro Rosso (53) und Haas (47) auf Rang acht. Dazwischen liegt Renault mit 49 Zählern.

Wer sich die Position hinter den Top-3-Teams von Mercedes, Ferrari und Red Bull sowie Force India und Williams sichert, darf sich nicht nur über einen Prestigegewinn freuen, sondern verdient sich auch noch ein goldenes Näschen. Am Ende liegt die Differenz bei rund zwölf Millionen US-Dollar.

Renault mit dem besten Auto?

Während das für ein Werksteam wie Renault nur ein Betrag für den kleinen Klingelbeutel ist, machen derartige Summen für Toro Rosso und Haas einen beachtlichen Anteil ihres Gesamtbudgets aus.

Darüber hinaus geht es natürlich ums Ansehen. Um die Reputation. Ums Prestige. "Sechster hört sich besser an als Siebter. Und Siebter ist besser als Achter", wandte Renault-Pilot Nico Hülkenberg vor dem Showdown in Abu Dhabi einfache Mathematik an.

Der Emmericher fuhr beim Brasilien-GP zum ersten Mal seit sieben Rennen wieder in die Punkte (Platz 10). Dass es nicht für mehr gereicht hat, lag insbesondere an der mangelnden Standfestigkeit seines gelben Boliden. Der Speed hingegen war über weite Strecken überzeugend.

"Wenn wir es schaffen, das Maximum aus dem Auto zu holen, dann könnte es klappen", zeigt sich Hülkenberg mit Blick auf den Rückstand zu Toro Rosso optimistisch: "Ergo müssen wir einfach nur unseren Job machen und uns um nichts anderes kümmern."

Motorenstreit: Verschwörungstheorien um Renault und Toro Rosso

Anders als noch am Wochenende in Sao Paulo will man den Motor bei den Franzosen wieder voll aufdrehen. Um einen möglichen Defekt macht sich im Renault-Lager also offenbar niemand die ganz großen Sorgen - im Gegensatz zu Toro Rosso.

Red Bulls B-Team fehlen Ersatzteile der Antriebseinheit. Sollte erneut die MGU-H ihren Geist aufgeben, steht man vor dem größtmöglichen Fiasko. Pikant: Toro Rosso bezieht seine Motorenkomponenten von Renault, dem momentan ärgsten Konkurrenten.

Da verwundert das Bild keineswegs, das die TV-Kameras im Fahrerlager von Brasilien einfingen. Mit ernster Mine und wild gestikulierend stritten sich Red Bulls Motorsportchef Helmut Marko und Renault-Sportchef Cyril Abiteboul. Vorausgegangen war die Behauptung des Franzosen, dass Toro Rosso an seinen vielen Motorendefekten selbst schuld sei.

Ein Vorwurf, den sich die Scuderia nicht gefallen lassen wollte. "Wir dürfen nicht vergessen", hieß es in einer Pressemitteilung des Teams, "dass Renault mit Toro Rosso um eine bessere Position in der Konstrukteurs-WM kämpft". Und weiter: "Wie von Herrn Abiteboul angedeutet, könnte die Situation also kein Zufall sein, aber sie hängen sicherlich nicht mit dem STR-Auto zusammen."

Lässt Renault Toro Rosso also absichtlich ins offene Messer laufen? Eine Verschwörungstheorie, die die Beziehung zwischen beiden Parteien nicht gerade im Guten enden lässt. Ab der nächsten Saison fährt das italienische Team mit Honda-Motoren.

Haas: The trend is your friend

Während also sowohl Toro Rosso als auch Renault den Defektteufel fürchten, kann man bei Haas beruhigt schlafen. Die technische Zuverlässigkeit stellt für die US-Amerikaner kein größeres Problem dar. Eine Tatsache, die "uns in die Karten spielen kann", wie auch Teamchef Günther Steiner weiß.

Aufgrund des letzten Platzes im Dreikampf hat Haas naturgemäß die schlechteste Ausgangslage vor dem 20. und damit letzten Saisonrennen. Der Trend allerdings spricht für den Rennstall, der erst vergangenes Jahr in der Formel 1 debütierte. In den vergangenen fünf Rennen fuhren Romain Grosjean und Kevin Magnussen drei Mal in die Punkte, Renault gelang das nur zwei, Toro Rosso gar nur ein Mal.

Ob sich dieser Trend auch in Abu Dhabi fortsetzt, wird sich zeigen. Das Streckenlayout mit seinen abtriebsfordernden Kurven passt nämlich eigentlich nicht zum Haas. Zudem weiß man bei den Wundertüten Grosjean und Magnussen vorher nie, was man bekommt.

Renault mit der stärksten Fahrerpaarung

Das gilt jedoch auch für Toro Rosso. Nicht, weil Pierre Gasly und Brendon Hartley für ihre risikofreudige Fahrweise bekannt wären, sondern weil die beiden zusammen auf gerade einmal sieben GP-Starts kommen. Erfahrung sieht anders aus.

Entsprechend hat Renault auf Fahrerseite die heißesten Eisen im Feuer. Nico Hülkenberg gilt nicht erst seit gestern als einer der besseren Piloten im Feld. Und mit Carlos Sainz Junior hat sich Renault seit dem US-GP einen hochtalentierten Jungfahrer an Bord geholt - ausgerechnet von Toro Rosso.

Folglich kennt der Spanier die Anforderung bei beiden Rennställen: "Die Ansprüche unterscheiden sich sehr. Die eine Mannschaft ist hier mit dem Auftrag, die Talente von Red Bull zu fördern, die andere ist ein Werksteam mit dem Anspruch, im kommenden Jahr zu gewinnen."

Für den Moment tun beide aber das Gleiche: Sie sorgen für den letzten großen Spannungsmoment einer vermeintlich schon entschiedenen WM.

Artikel und Videos zum Thema