Die Heimat des Safety Cars

Von SPOX
Der Argentinier Gaston Mazzacane parkte seinen Minardi 2000 spektakulär im Reifenstapel
© getty

Formel 1 in Nordamerika, Teil 1. Montreal ist ein Stadtkurs mit Monza-Attitüde und fordert Antriebseinheiten sowie Bremsen aufs Härteste. Für die Fahrer ist der Große Preis von Kanada (alle Sessions im LIVE-TICKER) eine riesige Herausforderung: Sind sie auch nur einen Sekundenbruchteil unkonzentriert, verlieren sie alles. Die legendäre "Wall of Champions" wartet schon.

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Streckendaten:

  • Name: Circuit Gilles Villeneuve
  • Ort: Montreal
  • Länge: 4,361 Kilometer
  • Runden: 70
  • Renndistanz: 305,270 Kilometer
  • Kurven: 8 Rechtskurven, 5 Linkskurven

Darauf kommt es an:

Nach Monaco gleich wieder ein Stadtkurs, aber ein grundlegend anderer als im Fürstentum. Diesmal gibt es eine Hochgeschwindigkeitsstrecke, für die einige Teams extra abgespeckte Heckflügel produziert haben.

Montreal ist neben Singapur und Monza die Formel-1-Strecke, auf der die Bremsen am meisten leiden. Grund dafür ist das komplette Fehlen von schnellen Kurven. Es gibt vier Schikanen, die eine ausgezeichnete Balance beim Überfahren der Kerbs fordern. Dazu kommen nur noch drei enge Kurven und lange Geraden. Ein Auto ist also dann schnell, wenn es gute Bremsen hat, einen starken Motor und guten mechanischen Grip, um aus den engen Kurven heraus die Kraft auf den Boden zu bringen.

Auch die Motoren werden am Limit belastet, die Energierückgewinnungssysteme MGU-H und MGU-K der Powerunits sind extrem gefordert. Auf einer einzigen Runde beschleunigen die Boliden vier Mal auf über 300 Stundenkilometer, um direkt danach in den ersten oder zweiten Gang zu verzögern. Kein Wunder, dass Ferrari und Honda ausgerechnet in Übersee die ersten Entwicklungs-Token nutzten, um ihre Antriebseinheit zu verbessern.

Auf dem Circuit Gilles Villeneuve gilt zudem: Wer den Bremspunkt verpasst, hat ein riesiges Problem, extreme Konzentration ist gefragt. Aber auch wer zu früh zu fest aufs Gas drückt, wird bestraft. Montreals Strecke hat durch ihre Lage auf der Ile de Notre Dame im Sankt-Lorenz-Strom Platzmangel, es geht sehr häufig direkt an den Leitplanken entlang. Nicht so extrem wie in Monaco, aber die sehr hohen Geschwindigkeiten machen auch dieses Rennen zu einem Ritt auf der Kanonenkugel.

"Küss sie zu hart, dann ist es vorbei"

Nicht umsonst ist die Zielschikane mit der "Wall of Champions" schon einigen großen Namen zum Verhängnis geworden. "Je näher du dran bist, umso schneller wirst du sein", erklärte Daniel Ricciardo vor seinem Debüt-Sieg im Jahr 2014: "Gib der Mauer einen Kuss und du fühlst dich gut. Küss sie zu hart, dann ist es vorbei."

Der Umgang mit den Reifen wird zudem deutlich schwieriger werden als in Monaco. Das liegt auch am Asphalt. Der ist auf der nicht permanenten Rennstrecke sehr rutschig und macht die Abstimmung der Autos zu einer echten Herausforderung.

Doch Montreal ist für etwas anderes berühmt: chaotische Rennen. Es geht eigentlich immer turbulent zu. Es wird viel überholt, was Kimi Räikkönen (2005) und Jenson Button im längsten F1-Rennen aller Zeiten anno 2011 zu Siegen aus der vierten Startreihe nutzten.

Safety-Car-Wahrscheinlichkeit hoch

Noch mehr Grund für Chaos: Das Safety Car kommt fast immer auf die Strecke - 11 Mal während der letzten 17 Rennen. Action ist also nahezu garantiert. Auch dank der beiden DRS-Zonen nach der Haarnadel und auf der Zielgeraden, die Überholen und Windschattenduelle zum Kinderspiel machen. Der Messpunkt liegt für beide nach Turn 9.

Nachdem die Kiesbetten von Kurve 13 im Vorjahr durch Asphalt-Auslaufzonen ersetzt wurden, folgen dieses Jahr weitere Änderungen: Wer den Bremspunktpunkt zur Zielschikane verpasst, muss einen neuen Weg durch die asphaltierte Auslaufzone fahren. Ein umstrittenes Wiedereinordnen wie bei Nico Rosberg anno 2014 sollte so nicht mehr möglich sein.

Die Statistik:

  • Sieger 2014: Daniel Ricciardo (Red Bull), 1:39:12,830 Stunden
  • Pole-Position 2014: Nico Rosberg (Mercedes), 1:14,874 Minuten
  • Schnellste Rennrunde 2014: Felipe Massa (Williams), 1:18,504 Minuten
  • Rundenrekord: Rubens Barrichello (Ferrari, 2004): 1:13,622 Minuten
  • Rekordsieger: Michael Schumacher - 7 (1994, 1997, 1998, 2000, 2002, 20003, 2004)

Die Reifen:

Soft und Supersoft. Pirelli bringt die gleichen Slicks mit, die schon in Monaco eingesetzt wurden - wieder wirken hohe Kräfte. "Die supersofte Mischung für die Saison 2015 haben wir komplett neu entwickelt, um sie noch widerstandsfähiger gegen Graining und Blasenbildung, das Blistering, zu machen", sagt Motorsportdirektor Paul Hembery: "Weil es in Montreal oft kühl ist, werden die Teams den optimierten Widerstand gegen das Graining sicherlich zu schätzen wissen."

Was die Reifen fordert, ist die Beschleunigung aus den engen Kurven. Weil die Powerunits viel mehr Drehmoment haben als die alten V8-Motoren, droht auf der Hinterachse ein schneller Verschleiß. Die Strecke ist zu Beginn grün, der Grip steigt zudem auch im Laufe des Wochenendes kaum. Die härteren Slicks sollen in diesem Jahr bis zu 1,2 Sekunden pro Runde langsamer sein, viel spricht für eine Zweistopp-Strategie.

Die Wetter-Prognose:

  • Freitag: bedeckt, 20 Grad, 60 Prozent Regenrisiko
  • Samstag: bewölkt, 19 Grad, 20 Prozent Regenrisiko
  • Sonntag: bedeckt, 21 Grad, 55 Prozent Regenrisiko

Die OPTA-Fakten zum Rennen:

  • Gilles Villeneuve gewann in der Saison 1978 das erste Rennen der Formel 1 in Monaco auf Ferrari. Sei Sohn Jacques Villeneuve ist vor seinem Rücktritt anno 2006 der letzte kanadische Rennfahrer in der Formel 1 gewesen. Er war zudem einziger kanadischer Weltmeister (1997).
  • Der Kanada-GP 2011 war mit 4:04:39,537 Stunden das längste Rennen in der Geschichte der Formel 1. Das einzige Montreal-Regenrennen im 21. Jahrhundert gewann damals Jenson Button auf McLaren-Mercedes.
  • Kanada ist die traditionelle Heimat des Safety Cars. Die erste SC-Phase der Formel-1-Geschichte wurde 1973 in Mosport ausgerufen. 1999 und 2007 kam das Pacecar jeweils vier Mal zum Einsatz. 2011 wurden ganze 32 von 79 Runden dahinter absolviert, inklusive des Starts, was bisher nur neun Mal vorkam. Und: Montreal 1999 war das erste Rennen überhaupt, das hinter dem Safety Car beendet wurde, was sich 2014 wiederholte - auf keinem anderen Kurs kam das mehrmals vor.
  • Nur Rekordsieger Michael Schumacher gewann in Montreal öfter als Lewis Hamilton, der in Kanada in der Saison 2007 zudem seinen ersten Grand Prix gewann. Der aktuelle Weltmeister fuhr bisher drei Siege ein, Schumi sieben. Seit 1989 sind die beiden die einzigen Piloten, die einen Sieg im Folgejahr wiederholen konnten.
  • McLaren ist das Team mit den meisten Siegen (13), Pole Positions (11), schnellsten Rennrunden (11) und Punkten (320) beim Großen Preis von Kanada. Mercedes hat in Kanada als Hersteller zwar noch nie gewonnen, könnte aber Sieg Nummer 35 in der Formel 1 einfahren. Damit würden die Stuttgarter mit Brabham und Renault auf Platz 6 der ewigen Liste gleichziehen.
  • Spannung bis zum Schluss? Kein Problem: Bei sieben der letzten zwölf Rennen hatte der Sieger weniger als drei Sekunden Vorsprung vor dem Zweitplatzierten.
  • Die Pole Position ist dagegen so uninteressant wie auf keinem anderen Kurs. 4 der letzten 13 wurden von Startplatz 1 gewonnen, genauso viele von außerhalb der Top 5.

Der Zeitplan:

Stand in der Fahrer- und Kontrukteurs-WM