An der Nase herumgeführt

Die Mercedes-Truppe präsentierte sich in Melbourne mit ungewöhnlicher Nase
© getty

Mercedes besetzt beim Australien-GP (So., 6 Uhr im LIVE-TICKER) zum neunten Mal in Folge die beiden Plätze in der ersten Startreihe. Das ist keine Überraschung, aber der Abstand zu den Verfolgern ist wesentlich größer als gedacht. Während sich Sebastian Vettel vor seinem ersten Rennen für Ferrari in Realismus übt, liebäugelt Williams sogar mit dem Sieg.

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Die erste Startreihe gebucht, die Serie fortgesetzt - bei Mercedes herrschte nach dem ersten Qualifying der Saison 2015 beinahe eitel Sonnenschein. 1,391 Sekunden fehlten Felipe Massa im Williams auf die Zeit des Weltmeisters aus England.

Immerhin: Die Spottrufe über die vermeintlich langsame Hybrid-Formel-1 gehören wohl der Vergangenheit an: Hamilton war 1,080 Sekunden schneller als Vettel 2013. Dennoch: Die Lücke, die die Verfolger über den Winter verkleinern wollten, klafft immer noch - deutlich.

"Es ist nicht toll, diesen Unterschied zu sehen", stellte der drittplatzierte Brasilianer nach dem Qualifying fest: "Der Abstand ist noch größer als im Vorjahr. Sie fahren in einer anderen Liga." Vettel hatte schon nach den Freitagstrainings eingeräumt: "Mercedes ist außer Reichweite."

Wie ein Schneesturm in Melbourne

Ein Überraschungssieger beim Saisonauftakt in Melbourne ist ohne technische Probleme der Silberpfeile so wahrscheinlich wie ein Schneesturm in Surfers Paradise. Alle Optimisten, die im Winter Ferrari fast auf Augenhöhe mit dem Weltmeisterteam sahen, dürften jetzt erkannt haben, dass sie an der Nase herumgeführt wurden.

Auch wenn der Albert Park Circuit aufgrund seiner Charakteristik für die meisten Rennstrecken im Kalender nicht repräsentativ ist, liegt Mercedes deutlich vorn. Vettel wird nicht in die Fußstapfen von Fernando Alonso, Kimi Räikkönen und Nigel Mansell treten, die ihr erstes Rennen für die Scuderia gewannen.

Lauda: Vettels vierter Platz eine Wiedergeburt

"Man muss Sebastians Leistung anerkennen", lobte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff bei Sky dennoch: "Mit dem Ferrari so einen Sprung nach vorne zu machen, das ist richtig stark." Niki Lauda stimmte zu: "Der vierte Startplatz ist eine Wiedergeburt für ihn."

Der vierfache Weltmeister wollte davon nichts hören. Siegambitionen? Nein. Trotzdem verspricht der Auftakt Spannung, weil hinter den Silberpfeilen dichtes Gedränge herrscht. "Es ist mit Williams sehr eng, hoffentlich behalten wir morgen die Oberhand", gab Vettel das verhaltene Ziel für Ferrari aus: "Wenn das Podium drin ist, dann müssen wir aufs Podium fahren."

Auch Massa, der von Startplatz drei aus nicht nur Vettel sondern auch Kimi Räikkönen abwehren muss, stellte fest: "Die Unterschiede in den Rundenzeiten zwischen Sebastian, Kimi, Valtteri und mir sind ziemlich gering." Den fünftplatzierten Iceman trennten lediglich 0,072 Sekunden von Platz drei.

Räikkönen im Renntrim auf Rosberg-Niveau

Schon am Freitag hatten die Ferrari bei den Longruns beeindruckt. Bei der Rennsimulation fuhr Räikkönen auf Augenhöhe mit Rosberg, wobei Mercedes sich Körner aufsparte. Sechs Runden fuhr Hamilton, sein deutscher Teamkollege kam auf zehn, während der Finne 16 abspulte. Williams konnte nicht wirklich mithalten.

"Wir fahren am Freitag generell mit mehr Sprit als die Konkurrenz. Das Ergebnis zeigt nicht unsere wahre Stärke", sagte Technikchef Pat Symonds und legte am Samstag nach: "Wir sind hier, um zu gewinnen. Das ist das, was ich mir anschaue - nicht das, was hinter uns passiert. Dass Ferrari hinter uns ist, ist weniger interessant."

Allein steht der Williams-Mann damit nicht. Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff betonte, sein Werksteam habe das eigene Kundenteam nicht zuletzt aufgrund der Topspeedwerte auf der Rechnung. Dass Valtteri Bottas nach dem Qualifying hinkend aus seinem FW37 ausstieg, über starke Schmerzen im unteren Rücken klagte und zur Untersuchung die Nacht in einem lokalen Krankenhaus verbringen musste, änderte nichts an seiner Meinung.

Rosberg: "Ich will eine gute Show liefern"

Doch während die Teamchefs eifrig über mögliche Chancen der Verfolger diskutierten, sprengten die beiden besten Piloten der Saison 2014 die Stimmung. Blick nach hinten? Unnötig. "Es wird ein langes Rennen, ich werde sicher meine Chancen bekommen. Ich will eine gute Show liefern", kündigte Nico Rosberg an. Attacke statt Understatement.

Der Vizeweltmeister will die Niederlage am Samstag schnell vergessen machen. Im entscheidenden Moment des Qualifying war er 0,594 Sekunden langsamer auf einer Runde. Für Lauda fuhr Hamilton "wie von einem anderen Stern".

Trotz der Lobeshymne ist der Weltmeister vorsichtig. "Er wird schnell sein, denn er hat im Winter sehr viel Zeit im Simulator verbracht", erklärte Hamilton: "Jedes Mal, wenn er ins Werk fährt, absolviert er Rennsimulationen, den ganzen Tag lang."

Die Statistik spricht gegen Hamilton

Vielleicht spuken in seinem Hinterkopf auch noch ein paar Statistiken herum. Seit den Saisons 2005/2006 schaffte es kein Team, zweimal hintereinander in Melbourne zu gewinnen. Damals waren es Giancarlo Fisichella und Fernando Alonso für Renault. Und: Aus den letzten fünf Rennen im Albert Park ist Vettel der einzige Polesetter, der anschließend auch gewinnen konnte.

Und dann war da ja auch noch der Saisonauftakt 2014, als einer seiner sechs Zylinder schon am Start streikte und er auf fünf Töpfen in der zweiten Runde zum Aufgeben in die Box gerufen wurde. "Wichtig ist, das Rennen zu Ende zu fahren", sagte deshalb Lauda bei RTL: "Das erste Rennen ist für alle Autos eine Riesenbelastung. Der Defektteufel sitzt gerade dann sehr tief. Das muss man beachten - und das Rennen einfach nur herunterfahren."

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