Schneekönig besiegt Jekyll und Hyde

Ferrari schickt seine Piloten beim winterlichen Ski-Treffen auch mit dem Kart auf die Strecke
© ferrari

In der Formel-1-Saison 2014 soll es dank verändertem Reglement wieder mehr auf den Fahrer ankommen. SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Auch die User haben die Chance zur Mitbestimmung. Teil 11: Der Ungarn-GP in Budapest.

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Platz 1, Fernando Alonso: Das Chaos in Budapest beeinflusst auch meine Aufstellung des Driver-Rankings, daran besteht kein Zweifel. Vier Piloten wurden von der ersten Safety-Car-Phase nach dem Crash von Marcus Ericsson ihrer Chancen beraubt. Auch Fernando Alonso gehörte dazu, weil er im Vergleich zu seinen direkten Verfolgern erst eine Runde später in die Box konnte.

Natürlich musste der Spanier weniger Zeitverlust hinnehmen, weil er zunächst seine 2,5 Sekunden Rückstand auf Nico Rosberg zufahren konnte. Aber auch der Ferrari-Pilot fiel auf Platz acht zurück, wobei er damit wesentlich besser zurechtkam. Direkt nach dem Restart schnappte er sich Sebastian Vettel, Jean-Eric Vergne und Nico Rosberg, was die Grundlage für seinen Ritt auf Platz zwei war. 27 Führungsrunden sollten folgen, dreimal so viele, wie in den letzten eineinhalb Jahren zusammen.

Besonders beeindruckend war Alonsos letzter Stint: 32 Runden hielt er auf seinen Reifen durch, eine länger als Lewis Hamilton, obwohl der Engländer die härteren und beständigeren Slicks hatte. Wie Alonso seinen F14 T in den letzten Runden überhaupt auf der Strecke hielt, ist mir ein Rätsel. Es wirkte eher als würde er auf Schnee denn auf Asphalt fahren. Dass er dabei Hamilton hinter sich hielt, ist eine meisterliche Leistung. Gegen Ricciardo war kein Mittel gewachsen. Doch der zweite Platz geht beinahe komplett auf Alonsos Kappe.

Platz 2, Daniel Ricciardo: Der Australier war beim Hungaroring der genaue Gegenpart von Alonso und entschied das Duell mit entschlossenen, anspruchsvollen und deshalb sehenswerten Überholmanövern letztlich für sich. Wie Ricciardo den stärker motorisierten Hamilton rundenlang bearbeitete, um dann endlich vorbeizugehen, war eins der Highlights des Rennens, wenn nicht gar der ganzen Saison.

Sicherlich hatte der Red-Bull-Pilot bei seinem zweiten Sieg eine riesige Portion Glück, dass er nach dem Qualifying - während dem der Monkey Seat am Heckflügel abbrach, er aber nicht auf Vettel-Niveau fuhr - überhaupt nach vorne kam. Ohne Ericsson-Crash wäre der Triumph ausgefallen. Daran hat der 24-Jährige aber keine Schuld. Er brachte seinen Vorteil super ins Ziel, überzeugte mit Reifenmanagement und der Entschlossenheit beim Überholen.

Platz 3, Lewis Hamilton: Der Engländer war am Sonntag der Gegenentwurf zu seinem Teamkollegen. Er behielt im Duell von Jekkyl und Hyde letztlich die Oberhand, weil er Rosberg in der letzten Runde entschlossen seine Grenzen aufzeigte und ihn vom Asphalt drängte und Rang drei ins Ziel rettete, obwohl er knapp zwanzig Runden ältere Reifen und ein paar Balance-Probleme hatte.

Zum vierten Mal in Folge war es nach dem Qualifying-Brand ein Wochenende der Schadensbegrenzung für Hamilton. Es gelang ihm. Gute Überholmanöver und eine Fahrt auf Messers Schneide sorgten zusammen mit den Wetterkapriolen für einen Podestplatz, den kaum einer erwartete. Allerdings hatte Hamilton dabei Glück: Sein Dreher in der ersten Runde hätte sein Rennen beinahe beendet. Mit kalten Bremsen und Reifen hätte er nach dem Start auf der Boxengasse viel vorsichtiger sein müssen.

Platz 4, Nico Rosberg: Fast hätte er seinen Vorsprung in der WM noch weiter vergrößert, doch dann verlor der gebürtige Wiesbadener die sichere Führung und fiel auf Platz vier zurück. Ab diesem Zeitpunkt gibt es zwei Lesarten: Rosberg war nicht aggressiv genug beim Überholen oder Rosberg war klug und hielt sich zurück, um nicht sämtlichen Vorsprung auf seinen Teamkollegen zu verlieren.

Ich glaube, dass es eine Mischung war. Nach dem überzeugenden Qualifying dürfte das Zurückfallen auf Platz vier nach dem ersten Stopp eine riesige Enttäuschung gewesen sein. Doch der WM-Führende kontrollierte sich und betrieb Schadensbegrenzung: 'Lieber keinen Ausfall riskieren und Weltmeister werden!' Sein fehlerfreies Rennen zeigt Reife, die sich noch auszahlen könnte.

Platz 5, Jean-Eric Vergne: Dass ein gut aufgelegter Fahrer bei schwierigen Bedingungen sein Auto über dessen Leistungsfähigkeit bewegen kann, zeigte am Sonntag der Red-Bull-Junior. Wahrscheinlich mit etwas mehr Benzinverbrauch hielt er Rosberg acht Runden lang hinter sich. Dass der zweite Platz nicht der wirklichen Leistungsfähigkeit des Toro Rosso entsprach, sollte keinen überraschen.

Auch wenn Vergne letztlich auf Platz neun zurückfiel nötigt mir seine fehlerfreie Leistung Respekt ab. Die acht Fahrer davor hatten das wesentlich schnellere Material, der Franzose hatte dagegen keine Chance. Schon sein achter Startplatz war keine Selbstverständlichkeit, sondern eine starke Leistung.

Platz 6, Valtteri Bottas: Der Finne war einer der größten Pechvögel des Wochenendes. Am Start drückte er sich an Vettel vorbei und setzte sich hinter Rosberg an zwei. Dann kamen Ericsson und Romain Grosjean, Williams brauchte über fünf Sekunden beim Boxenstopp und wählte für Bottas die harte Reifenmischung. Warum erschließt sich mir immer noch nicht.

Der weiche Reifen musste mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit bei der kalten Streckenoberfläche die bessere Wahl sein. Das zeigte Bottas, als er nach dem zweiten Wechsel die drittschnellste Rundenzeit des Rennens fuhr. An seinem achten Platz trifft ihn kein Schuld. Er hatte kaum Chancen, irgendetwas besser zu machen.

Platz 7, Jules Bianchi: Wie mache man in einem Marussia als Ferrari-Junior noch mehr auf mich aufmerksam? Man sorgt für eine riesige Blamage seines Förderers. Der junge Franzose setzte es im Qualifying perfekt um, als er Kimi Räikkönen mit einer Zehntel Vorsprung schon in Q1 rausschmiss.

Nur um Missverständnisse zu vermeiden: Die Runde wäre auch ohne das Ausscheiden des Ferrari-Stammpiloten fabelhaft gewesen. Bianchi nahm Kobayashi 0,4 Sekunden ab und war sogar 1,1 Sekunden schneller als Teamkollege Max Chilton. Im Rennen war allerdings auch für Bianchi nicht mehr drin als Platz 15 über die Linie zu bringen. Erst recht nicht, nachdem Pastor Maldonado ihm trotz ausreichend Platz ins Auto fuhr.

Platz 8, Jenson Button: Der Engländer hätte seinen zweiten Podestplatz in der Saison 2014 einfahren können, sein Team verbaute ihm den Erfolg. Wer auch immer bei McLaren herausgefunden hatte, dass es in Budapest nochmal regnen würde, schämt sich wohl die ganz Sommerpause für die Entscheidung, Button noch einen Satz Intermediates zu verpassen.

Auf der schnell abtrocknenden Strecke musste der Routinier direkt nochmal an die Box, bekam softe Slicks und fiel von der Spitze auf Platz 18 zurück. Den aussichtslosen Kampf beendete er auf Platz zehn. Eine herbe Enttäuschung, an der der Weltmeister von 2009 keinen Anteil hatte.

Platz 9, Felipe Massa: Eine ältere Spezifikation des Unterbodens ließ den Brasilianer im Vergleich zu Bottas schlecht aussehen. Er machte das Beste daraus und fuhr zwischenzeitlich sogar auf Platz zwei. Doch auch bei ihm hatte Williams nach den Intermediates die Medium-Slicks ausgepackt, weshalb Überholmanöver kaum möglich waren.

Platz 10, Kimi Räikkönen: Der Finne war mit seiner Aufholjagd von 16 auf 6 einer der Männer des Rennens. Für einen Punkt im Driver-Ranking reicht es aber nur mit Mühe. Auch wenn ihm sein Team einen höheren Startplatz verbaute, trifft den Finnen aus meiner Sicht eine Teilschuld an seinem Startplatz. Der Iceman hätte auf den Mediums niemals sieben Zehntel Rückstand auf Alonso haben dürfen.

Das Rennen, in dem Räikkönen nicht mit knallharten Überholmanövern sondern bedachter Fahrweise überzeugte, entschädigte dafür immerhin. Am Ende stand mit Platz sechs das beste Ergebnis der gesamten Saison für den ältesten Fahrer im Feld auf dem Tableau.

Härtefall, Sebastian Vettel: Endlich wirkte der Weltmeister mal wieder glücklich in seinem Auto, sofort sprang eine sehr gute Leistung im Qualifying heraus. Dass er die erste Startreihe nicht in einen Sieg ummünzen konnte, lag nicht an ihm. Doch Vettel drehte sich in der letzten Kurve und hatte Glück, dass er das Rennen überhaupt beenden konnte. Der zweite Boxenstopp musste vorgezogen werden, die Strategie war hinüber. Der Glanz der letzten Saison ist noch in weiter Ferne.

Stand in der Fahrer- und Kontrukteurs-WM

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