Red Bull und Ferrari geben auf

Sebastian Vettel wurde nach einer starken Aufholjagd in Barcelona Vierter - Kimi Räikkönen nur Siebter
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Schon nach dem Spanien-GP ist die Hoffnung bei Red Bull und Ferrari verloren gegangen. Statt Mercedes die Formel-1-Weltmeisterschaft streitig zu machen, erklären die Teams von Sebastian Vettel und Fernando Alonso einzelne Siege zum Ziel der Saison 2014. Bei Mercedes herrscht derweil Jubelstimmung: Auch wenn Seriensieger Lewis Hamilton seinen Teamkollegen Nico Rosberg in die Schranken weist, wird der Deutsche mit Lob überschüttet und strebt nur noch die höchten Ziele an.

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Die Weltmeisterschaft ist entschieden. So denken zumindest alle Teams außer Mercedes nach dem Rennen in Barcelona. "Wir können nur hoffen, dass es an der Spitze den Krieg der Sterne gibt und die beiden sich gegenseitig in die Kiste fahren", sagte Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko bei "Bild.de" schon vor dem Rennen auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya.

Nach dem fünften von 19 WM-Laufen der Saison 2014 schloss sich auch Ferraris Vizeweltmeister Fernando Alonso an: "Das wird schwierig, wir sind weit hinten. Damit meine ich nicht nur Ferrari, sondern alle anderen außer Mercedes", so der Spanier, der als WM-Fritter 51 Punkte Rückstand auf den Führenden Lewis Hamilton (100) hat: "Mercedes fährt in einer anderen Kategorie. Vielleicht sind sie für den Rest der Saison außer Reichweite."

Das Ergebnis des Spanien-GP in der Übersicht

Die Ratlosigkeit war einigen Verantwortlichen ins Gesicht geschrieben. Beim Europaauftakt in Barcelona wollten Ferrari und Red Bull die Lücke zu den Silberpfeilen schließen oder zumindest eklatant verringern. Stattdessen fahren die Mercedes weiterhin 1,0 bis 1,5 Sekunden pro Runde schneller. Kimi Räikkönen war so entnervt, dass er die Journalisten mit einem kurzen "Ich weiß es nicht" abspeiste, als sie ihn fragten, ob er sich selbst für die Zwei-Stopp-Strategie entschieden hatte.

Nur sechs Fahrer bleiben in einer Runde

In Barcelona waren die Kräfteverhältnisse einmal mehr eindeutig. Nach zehn Runden hatte der Drittplatzierte Valtteri Bottas im Williams 15 Sekunden Rückstand auf den Führenden, Daniel Ricciardo kam am Sonntag letztlich 49,014 Sekunden nach Hamilton über die Ziellinie. Der Iceman lag als Siebter schon eine ganze Runde zurück.

Für Red-Bull-Teamchef Christian Horner haben die Abstände jedoch kaum Aussagekraft. Sein Team habe Fortschritte gemacht. Ricciardo sei nur so weit zurückgefallen, weil ihn Bottas nach dem schlechten Start aufgehalten habe und er danach die Reifen schonte, als die Bahn frei war.

"Wir sind noch nicht über den Berg. Aber ich hoffe, dass wir demnächst wieder mehr fahren können und nicht erst am Sonntag wissen, wo wir stehen", unterstrich Weltmeister Sebastian Vettel. Mit seinem Husarenritt von Rang 15 auf 4 auf der überholunfreundlichen Strecke machte er der Truppe aus Milton Keynes Mut. Es war einer der wenigen Lichtblicke nach einem völlig verkorksten Wochenende mit technischen Defekten am Freitag und Samstag.

Horner: "Entweder wir packen ein..."

Horner beziffert den aktuellen Rückstand auf sechs Zehntel pro Runde und weigert sich beharrlich, den Kampf aufzugeben. "Wir haben zwei Möglichkeiten - entweder wir packen ein und geben auf oder wir versuchen die Lücke zu schließen", erklärte Sebastian Vettels Teamchef: "Was wir in diesem Jahr lernen, bringt uns auch nächstes Jahr weiter. Deshalb werden wir in Sachen Entwicklung bis Abu Dhabi Vollgas geben."

Doch auch beim 40-Jährigen hat sich der Fokus mittlerweile verschoben. Statt von der Titelverteidigung redet Horner mittlerweile von einzelnen Siegen als Ziel, wobei er nicht ausschließt, dass Hamilton und Rosberg auch die 14 ausstehenden Rennen unter sich ausmachen: "Es ist möglich aber nicht wahrscheinlich. Sie haben ein gutes Auto-Fahrer-Paket. Aber die Dinge können sich ändern. Wir haben die letzten neun Rennen der Saison 2013 gewonnen. Es kann sich schnell ändern."

Ähnlich motiviert sich auch Alonso, der nicht mit Kritik sparte, nachdem Romain Grosjean im Lotus nur durch ein Sensorenproblem hinter die Scuderia-Piloten zurückfiel. Der Franzose fuhr teilweise nur auf fünf Töpfen - also mit einem Zylinder weniger. "Unsere Aufgabe ist, es Mercedes nicht zu leicht zu machen. Wenn sie eine Minute vor uns sind, müssen sie mit ihrem Auto nicht ans Limit gehen und können in Ruhe nach ihren Reifen und dem Auto schauen", machte Alonso seinem Team die Aufgaben für die kommenden Wochen klar.

Marko: "Wir sehen die Mercedes gar nicht"

Damit sich das auf Dauer ändert, müsste allerdings ein mittelgroßes Wunder geschehen. "Wir sehen die Mercedes gar nicht", sagte Marko. "Die Sekunde verlieren wir ausschließlich auf der Geraden", ergänzte Technikdirektor Adrian Newey, dem mal wieder ein bevorstehender Wechsel zu Ferrari angedichtet wird, und rückte damit einmal mehr Renault in den Fokus der Kritik.

Die Franzosen hätten viel zu spät mit der Entwicklung ihrer Powerunit begonnen, obwohl sie selbst auf die Abschaffung der V8-Motoren und die Einführung des Hybridsystems gedrängt hätten, ist das Fazit von Red Bull. Bis zum Heimspiel am Österreichring Ende Juni hätten die Franzosen noch Zeit. "Bis dahin müssen wir wissen, ob die Parameter ausreichen, den Rückstand zu Mercedes aufzuholen. Wenn nicht, müssen wir über eine Nachhomologierung nachdenken", sagt Marko.

Das Problem: Die Antriebseinheiten wurden vor der Saison vom Automobilweltverband FIA abgenommen und dürfen jetzt nur noch zur Steigerung der Zuverlässigkeit verändert werden. Anpassungen zur Leistungssteigerung sind nicht erlaubt, sofern nicht alle anderen Teams zustimmen. "Dafür gibt es klare Regeln. Und an die halten wir uns", erteilte Mercedes-Aufsichtsratschef Niki Lauda dem Begehren seiner Landsleute eine klare Absage.

"Es wird mit Sicherheit enger"

Den Konkurrenten stärken, indem ihm Änderungen zugestanden werden? Ausgeschlossen. Mercedes ist das einzige Team, das nicht glaubt, dass die WM schon so gut wie entschieden ist. Schon in Monaco könne die Dominanz beendet sein. "Es wird mit Sicherheit enger. Ich erwarte Red Bull näher dran. Das wird schwerer für uns", so Vorjahressieger Rosberg.

Der Deutsche zweifelt aktuell ein wenig. Zwar gibt der Seriensieger Hamilton zu, dass Rosberg wie in Bahrain auch in Spanien der schnellere Fahrer der beiden Mercedes war. Einen Weg vorbei findet der neue WM-Zweite aber nicht. Rosbergs Problem ist nicht nur der Start, den der 28-Jährige in Barcelona als Übeltäter für Platz zwei ausgemacht hat, es ist die Qualifying-Stärke von Lewis Hamilton. "Es war knapper, als es aussah", erklärte Rosberg und führte an, dass er immerhin das 1. Freie Training am Freitag verpasste und so weniger Zeit zur Setup-Arbeit hatte.

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"Die Intensität ist schon groß zwischen den beiden", gab Motorsportdirektor Toto Wolff zu: "Man kann nicht erwarten, dass die beiden jetzt auf Kuschelkurs gehen. Sie merken, dass sie das Werkzeug haben, um Weltmeister zu werden. Deshalb gehe ich davon aus, dass sich die Intensität zwischen den beiden noch zuspitzen wird."

Wolff: "Ein Kampf auf Messers Schneide"

Insgesamt stört sich Rosberg dennoch nicht an der momentanen Situation. Warum auch? Er hat nur drei Punkte Rückstand in der Gesamtwertung, fährt auf einem Niveau mit dem Weltmeister von 2008 und ist überzeugt, dass seine Chance kommt. "Wenn das Rennen 67 Runden gedauert hätte, wäre es für Lewis deutlich schwieriger geworden", unterstricht Wolff die starke Leistung des gebürtigen Wiesbadeners: "Noch ein, zwei Runden dann hätte er ihn sich vermutlich gegriffen. Die beide führen einen Kampf auf Messers Schneide."

Zudem denkt Rosberg nicht nur an den Moment. Nach vier erfolglosen Jahren im Team, ist die Erleichterung riesig, endlich dauerhaft um Siege zu fahren. Sein Ziel ist nicht der kurzfristige Erfolg sondern die andauernde Wachablösung in der Formel-1-Spitze: "Ich würde sagen, Red Bull ist aktuell die Messlatte, aber wir sägen schon an ihrem Stuhl. Die Möglichkeit ist da, dass wir bald das absolut beste Team sind - in Bezug auf die Organisation, die Leistungsfähigkeit. Wir kommen ran und hoffentlich wird die Dominanz dann lange anhalten."

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