Red Bull spielt russisches Roulette

Sebastian Vettel war beim Red-Bull-Heimspiel in Österreich mehrmals schlecht gelaunt
© getty

Für Red Bull sollte das Heimspiel beim Österreich-GP beste Werbung werden. Die Veranstaltung auf dem hauseigenen Red Bull Ring war es - allerdings war das Weltmeisterteam von Sebastian Vettel so schwach wie seit zwei Jahren nicht mehr. Wieder streikte der Renault, doch Red Bull spielt mittlerweile sogar selbst russisches Roulette.

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Für Red Bull sollte das Heimspiel beim Österreich-GP beste Werbung werden. Das war sie auch - allerdings nicht durch das Weltmeisterteam von Sebastian Vettel. Wieder streikte der Renault, dieses Mal mit historischen Konsequenzen. Williams freut's.

Jetzt geht es ans Eingemachte. Bis zum eigenen Heimspiel in Spielberg wollte Red Bull nach dem enttäuschenden Saisonstart so große Fortschritte machen, um mit Mercedes um die Spitze zu kämpfen. Stattdessen findet sich das Weltmeisterteam im Mittelfeld wider.

Ein achter Rang von Daniel Ricciardo und eine Aufgabe von Vettel bedeutet das schlechteste Ergebnis für das Team seit dem Italien-GP 2012. Damals fiel der Weltmeister durch eine defekte Lichtmaschine aus, Teamkollege Mark Webber drehte sich kurz vor Schluss, parkte das Auto vor dem Zielstrich und wurde als Elfter gewertet.

Das gesamte Spielberg-Ergebnis in der Übersicht

Horner attackiert Renault

"Wir sind total frustriert über die Situation, in der wir sind", gibt selbst Teamchef Christian Horner zu: "Die Lage verbessert sich einfach nicht. Die Zuverlässigkeit ist inakzeptabel. Die Leistung ist inakzeptabel. Es muss Veränderungen bei Renault geben. So kann es nicht weitergehen! Was auch immer da gerade gemacht wird, funktioniert offenbar nicht. Das ist nicht gut für Renault und es ist nicht gut für Red Bull."

Was genau soll sich also ändern? "Das ist nicht unser Business. Das ist nicht unsere Verantwortlichkeit. Wir sind nur der Endnutzer", sagt Horner. Das Klima wird rauer, der Frust hat einen neuen Höhepunkt erreicht. "Unser Ziel ist es, nach dem Grand Prix von Österreich mit Renault eine vorläufige Bilanz zu ziehen, unsere Daten gemeinsam auf den Tisch zu legen und dann mit Renault einen Plan zu entwickeln, wie es 2014 und auch 2015 mit unserer Arbeit weitergehen soll", sagte Motorsportberater Helmut Marko Anfang Juni der "Welt". Jetzt also Nägel mit Köpfen.

Statt Ingenieursarbeit zu machen spielt Red Bull Rennen für Rennen russisches Roulette. Hat der Renault mal wieder eine Kugel im Lauf? Vettel wollte sein Auto in Spielberg eigentlich nur parken, nachdem sämtlicher Vortrieb weg war. "Auf einmal hat der Motor dann wieder Gas angenommen und ich konnte weiterfahren", sagt er. Warum, kann sich keiner erklären: "Ich habe auf etwas Schlaues von der Box gewartet, aber da kam nichts. Ich habe gar nichts gedrückt."

Renault wollte schon in Kanada endlich seine Power Unit zu 100 Prozent nutzen, in Österreich durch Veränderungen am Benzin eine weitere Leistungssteigerung erzielen. Stattdessen musste auch Daniel Ricciardo sein durch das Ausweichen in der Startkurve verkorkstes Rennen frühzeitig abschreiben. Er durfte den Überholmodus nicht mehr benutzen, bei dem sämtliche Hybridenergie abgerufen wird.

Pure Verzweiflung bei Red Bull

Mittlerweile offenbart sich pure Verzweiflung. Red Bull veränderte vor dem Rennen das Motormapping. "Das könnte ein Problem mit unserer Software gewesen sein, es könnte aber auch mit der normalen Software zusammenhängen", sagte Motorenchef Remi Taffin. Die nächste Kugel in der Revolvertrommel, dieses Mal hatte sie das Team selbst eingelegt.

Die dritte Patrone führte immerhin nicht zum Ausfall. Zahlreiche neue Teile sollten aus dem RB10 quasi eine schnellere B-Version machen. "Offensichtlich hat das Zusammenspiel nicht funktioniert, denn erstens waren wir nicht schnell und der Reifenverschleiß war auch hoch. Wir haben das ganze Wochenende keine Balance gefunden", gibt Marko indirekt eigene Fehler zu: "Wir hatten über die ganze Renndistanz ein Untersteuern, hatten vom Flügel her aber gar keine Verstellmöglichkeiten mehr."

Dabei hatte Red Bull gehofft, dass die Konkurrenz ihre Autos nur mehr fürs Qualifying abgestimmt hätte und man am Sonntag eine Aufholjagd starten könnte. "Es sind die gleichen Leute, die vier Weltmeisterschaften gewonnen haben, die jetzt an dem Auto arbeiten", versuchte Horner die Kritik aus den eigenen Reihen abzumindern: "Wir müssen verstehen, warum wir auf einmal Motorleistung verloren haben und warum er auf einmal wieder lief."

Das Problem scheint aber zu sein, dass sich aus jedem behobenen Problem ein neues ableitet. Hat Renault einen Defekt analysiert, tritt mit fast grenzenloser Sicherheit ein bisher unbekannter auf. Besonders der erneute Ausfall von Vettel ärgerte das Team. Dieses Mal streikte die Elektronik und der Vierfachweltmeister war anschließend so angefressen, dass er keine Lust auf die Mediengespräche hatte, zu denen er verpflichtet ist, und das direkt zu Beginn seiner Ausführungen verkündete.

Vettel: "Knoten muss irgendwann mal platzen"

"Es wäre schlimm, wenn ich sagen würde, dass ich mich schon daran gewöhnt habe", erklärte Vettel. "Aber wir hatten schon so viele Probleme, da bin ich ruhiger geworden, wenn sie auftreten. Jetzt muss der Knoten aber auch irgendwann mal platzen." Allein, es fehlt der Glaube.

Statt um den Sieg mitzufahren, fielen die Teams mit französischen Motoren in Spielberg noch weiter zurück. Das ist beim Red Bull Ring kein Wunder, schließlich fordert er Motorenleistung - besonders durch die langen Berg-Auf-Geraden. Doch genau hier sollte für Red Bull laut eigenen Aussagen die Aufholjagd in der WM beginnen. Stattdessen liegt der WM-Führende Nico Rosberg nach dem sechsten Mercedes-Doppelsieg im achten Lauf des Jahres nun 82 Punkte vor dem drittplatzierten Ricciardo.

Drei Siege und ein sechster Platz, dann wäre der Australier vorn. Allerdings dürfte Rosberg dafür keinen einzigen Zähler einfahren - und das glaubt wohl niemand. "Die Chancen sind deutlich gesunken", gibt selbst der sonst immer attackierende Marko mit Blick auf die Weltmeisterschaft zu: "Es herrscht aber noch keine Katastrophenstimmung."

Berger: "Eine Saison zum Abschreiben"

Demotivation trifft es eher. Vettel hat sogar 23 Punkte mehr Rückstand auf Rosberg als Ricciardo. Er kann die Saison abhaken. "Dass es sehr frustrierend und sehr hart ist für ihn, verstehe ich. Es ist für die ganze Red-Bull-Mannschaft frustrierend, weil Renault die Hausaufgaben nicht gemacht hat", sagt selbst Gerhard Berger: "Es ist eine Saison zum Abschreiben."

Das macht Vettel mit Blick auf die WM. "Da muss man kein Genie sein. Ich mache keine Punkte, Mercedes macht einen fehlerfreien Job", sagt er selbst: "Ergebnistechnisch hätten wir uns die erste Saisonhälfte sparen können. Aber immerhin haben wir dazugelernt. Auch wenn die Lehrstunden sehr bitter waren."

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