Wer ist Andre Lotterer?

Von Alexander Maack
Andre Lotterer gewann mit Audi drei der letzten vier 24-Stunden-Rennen in Le Mans
© getty

Es ist offiziell! Andre Lotterer erfüllt sich einen seiner größten Träume: Der gebürtige Duisburger startet beim Großen Preis von Belgien (alle Sessions im LIVE-TICKER) erstmals in der Formel 1. Der Audi-Werkspilot hat die Freigabe der Ingolstädter erhalten und konnte auch seinen Vertrag für die japanische Super Formula aussetzen. Bei Caterham ersetzt er den bisherigen Einsatzfahrer Kamui Kobayashi.

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Wer ist Andre Lotterer? Der 32-Jährige ist vielen Motorsportfans durch die Langstreckenweltmeisterschaft WEC ein Begriff: 2012 holte er mit Audi den Titel in der Gesamtwertung, zudem gewann er in den letzten vier Jahren mit seinen Teamkollegen gleich dreimal die 24 Stunden von Le Mans. Lotterer wurde in Duisburg geboren und wuchs im belgischen Nivelles auf, wo die Formel 1 1972 und 1974 gastierte. Er absolvierte dort mit sieben Jahren erste Kartrennen und gewann zweimal die belgische Juniorenmeisterschaft. Das gelang ihm auch in den Niederlanden, bevor er 1995 Kart-Junioren-Weltmeister wurde und dreimal in Deutschland Vizetitel holte.

Nach zwei souveränen Meisterschaften in der Formel BMW Junior und der Formel BMW galt er als eines der größten deutschen Rennfahrertalente und wurde von Jaguar als Formel-1-Testpilot verpflichtet. 2003 endete das Engagement der Beck's-Brauerei beim britischen Rennstall, Lotterer begann sein Engagement für Audi. In Belgien wird er der viertälteste Formel-1-Debüttant seit 1990 werden.

Welche Ziele hat der Debütant? Lotterer ist Realist. "Ich bin begeistert, dass ich die Möglichkeit bekomme, an einem Formel-1-Wochenende teilzunehmen und danke dem Caterham-F1-Team für diese Chance", freute er sich: "Ich bin bereit für diese Herausforderung und kann es nicht erwarten, ins Auto zu springen und das Maximale herauszuholen. Ich muss mich schnell an das Auto gewöhnen. Das Team hat viele Updates dabei, wir brauchen die maximale Zeit auf der Strecke, um die Performance zu optimieren."

Statt Hoffnung auf Punkte auszustrahlen, steht die Erfüllung seines langjährigen Traums im Vordergrund: "Ich genieße es, in Spa-Francorchamps Rennen zu fahren, es ist eine meine Lieblingsstrecken und ganz nah an dem Ort, in dem ich aufgewachsen bin. Das macht das Wochenende noch spezieller und noch erinnerungswürdiger." Genug Erfahrung hat er. Allein 2014 fuhr er das sechsstündige WEC-Rennen und das 24-Stunden-Rennen auf der Ardennen-Achterbahn.

Warum holt Caterham Lotterer in die Formel 1? Nach der Übernahme durch eine in der Schweiz ansässige Investorengruppe aus dem Mittleren Osten rollten in Leafield nach dem Großbritannien-GP die Köpfe: Rund 40 Mitarbeiter mussten gehen, der Deutschrumäne Colin Kolles, der früher unter anderem bei Jordan, Force India und HRT die Geschicke leitete, installierte mit Cristijan Albers einen alten Bekannten als Teamchef. Der Niederländer fuhr schon für Spyker und in der DTM für Kolles. Auch Lotterer ist für den offiziell als Berater tätigen Kolles kein Unbekannter: Der Deutsche startete 2009 bei seinem Le-Mans-Debüt neben Narain Karthikeyan und dem Niederländer Charles Zwolsman Jr. in einem Audi R10 TDI.

Überraschend ist das Debüt des Deutschen dennoch. Seine letzten Ausfahrten in einem Formel-1-Auto sind zwölf Jahre her, mit Kamui Kobayashi muss der erfahrenere Pilot bei Caterham für ihn mindestens ein Wochenende pausieren. "Es gibt keine Garantie, das ist sicher", sagte Kobayashi schon Anfang August bei "crash.net" auf die Frage, ob sein Cockpit gefährdet sei.

Wie der Japaner bringt Lotterer keine Sponsorengelder mit, stattdessen soll er dem Team für die Entwicklung des langsamen CT05 zusätzliches Feedback geben. Das dürfte ihm durch seine Erfahrung aus den Tests für die WEC im Gegensatz zum hochtalentierten, aber unerfahrenen Testfahrer Robin Frijns kaum Probleme bereiten. Zudem hat Lotterer einen weiteren Pluspunkt: Er gilt als absoluter Regenspezialist - eine Eigenschaft, die beim äußerst wechselhaften Ardennen-Wetter besonders gefragt ist.

Wie lief der Deal ab? Drei Hindernisse gab es: Zum einen musste Audi den Start seines Fahrers in der Formel 1 freigeben. Die Ingolstädter kamen der Bitte um eine Freistellung schnell nach und bestätigten dies gegenüber SPOX. Zwar absolviert das Team derzeit in Misano Testfahrten, das nächste Rennen findet aber erst am 20. September in Austin statt. Lotterers Zweitverpflichtung in Japan war ebenso schnell aus dem Weg geräumt. Toyotas Werksteam TOM'S verpflichtete Andrea Caldarelli als Ersatz und strich den deutschen Stammpiloten noch am Dienstag von der Startliste für den vierten Saisonlauf.

Lediglich die Bürokratie zögerte eine frühere Bekanntgabe des Deals hinaus, nachdem Lotterer schon am Montag in der Nähe der Caterham-Fabrik gesichtet wurde, wo er seinen Sitz anpasste. Für einen Start in der Formel 1 ist eine Superlizenz der FIA nötig. Aufgrund seiner Erfahrung und Erfolge war die Erteilung eher eine Formalie, dennoch ließ sich der Automobilweltverband bis Mittwoch Zeit. Erst im Anschluss konnte Caterham den Deal perfekt melden und damit für eine Besonderheit sorgen: Lotterer ist der erste amtierende Le-Mans-Sieger seit Yannick Dalmas 1994, der in der Formel 1 antritt.

Wie geht es nach Spa weiter? Der Grund, warum Lotterer bisher nur für einen Grand Prix als Einsatzfahrer bestätigt wurde, ist sein Engagement für Audi. In den USA soll der Wahl-Japaner wieder in der WEC starten, weshalb ein Start beim Singapur-GP ausgeschlossen ist. Auch in Russland und den USA scheint ein Start durch die parallel stattfindenden Läufe der Langstrecken-WM nicht möglich. An den Wochenenden der Rennen in Suzuka, Sao Paulo und Abu Dhabi hätte Lotterer allerdings keine Verpflichtungen für die Ingolstädter.

Allzu oft kann Caterham seine Fahrer übrigens nicht wechseln: Das sportliche Reglement der Formel 1 erlaubt pro Team nur vier Piloten pro Saison. Das dürfte ein weiterer Grund sein, warum Caterham betont, dass Kobayashi weiterhin ein Teil des Teams bleibt.

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