Kriegerkönig ohne Hofstaat

Fernando Alonso konnte in seiner Ferrari-Zeit bisher keinen Titel gewinnen
© getty

Seit Fernando Alonso 2010 zur Scuderia Ferrari kam, gab es nur ein Ziel: die Weltmeisterschaft in der Formel 1. Viermal hat Sebastian Vettel dem Spanier mit Red Bull die Krone weggeschnappt. Die Frustration über die nicht erreichten Ziele ist mittlerweile offensichtlich. Durch die Verpflichtung von Kimi Räikkönen droht eine weitere Eskalation.

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Seinen 32. Geburtstag dürfte sich Fernando Alonso anders ausgemalt haben. Die Situation bei Ferrari war aus dem Ruder geraten. Als sein Telefon am 29. Juli 2013 klingelte und Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo sich am anderen Ende der Leitung meldete, folgte statt einer Glückwunscharie eine deftige Standpauke.

"Ein Ferrari wie der in Budapest gefällt mir auch nicht, aber wir müssen trotzdem zusammenhalten und auf gegenseitige Schuldzuweisungen und Polemik verzichten", teilte der 65-Jährige dem Doppelweltmeister mit: "Alle großen Champions, die für Ferrari gefahren sind, wurden immer darum gebeten, die Interessen des Teams über die eigenen zu stellen. In diesem Moment müssen wir ruhig bleiben, Polemik vermeiden, Bescheidenheit und Entschlossenheit zeigen."

Die Zeit der Samthandschuhe für die uneingeschränkte Nummer eins war endgültig vorbei. Er hatte sich den größtmöglichen Fehler geleistet. Sein Manager Luis Garcia Abad hatte sich vor dem Wochenende mit Red-Bull-Teamchef Christian Horner getroffen. Als der Spanier schließlich vom italienischen Fernsehen nach seinem Geburtstagswunsch gefragt wurde, antwortete er: "Das Auto von jemand anderem."

Ende der tadellosen Beziehung

Es war die erste große Krise zwischen dem berühmten Rennstall und dem früher nicht gerade als Teamplayer bekannten Asturier. Dabei hatte die Ehe so glücklich begonnen. "Ich hoffe, wir können allen Ferrari-Fans rund um die Welt ihren Stolz zurückgeben", hatte Alonso bei seinem ersten Auftritt als Ferrari-Pilot im Januar 2010 verkündet - auf italienisch. Die Zuneigung der Ferraristi war ihm sicher.

Schon damals machte di Montezemolo deutlich, dass es in Maranello nur einen Star geben kann. "Beide Fahrer wissen, dass sie in erster Linie für die Scuderia fahren und dass sie die Aufgabe haben, das Team zum Erfolg zurückzuführen", erklärte der Graf.

Die Parteien waren sich zwar darüber im Klaren, dass nicht auf Anhieb die Dominanz der Ära von Rekordweltmeister Michael Schumacher wieder aufleben würde. Doch dass vier weitere Jahre ohne Titel folgen, hielt niemand für möglich. Der beste Fahrer im Feld, das erfolgreichste Team der Formel-1-Geschichte - der Erfolg musste sich zwangsläufig einstellen.

Es blieb Wunschdenken. Mittlerweile liegt der letzte Fahrertitel des Traditionsrennstalls bereits sechs Jahre zurück, für Alonso sind es gar sieben. Dabei waren die Probleme zuletzt vielfältig. Entweder verkalkulierte sich Ferrari mit der Taktik im entscheidenden WM-Lauf, der neuentwickelte Wagen funktionierte zu Saisonbeginn überhaupt nicht oder die Weiterentwicklung während des Jahres ging schief.

Maximale Punktzahl an jedem Wochenende

Alonso holte fast ausnahmslos bei jedem Rennen das Maximale aus seinem Auto heraus, die Geschwindigkeit reichte aber einfach nicht, um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Immer wieder betonte Alonso in der Saison 2013 schon vor den ersten Trainings die Defizite: "Wir kennen unsere Schwäche am Samstag. Normalerweise können wir uns am Sonntag steigern."

Damit er als König des Rennens noch stärker brillieren kann, opferte der Asturier sogar mehr Pace im Qualifying und ließ Teamkollege Felipe Massa ein ums andere Mal den Vortritt. Im Qualifying-Duell kann der Brasilianer beim USA-GP in Austin (alle Sessions im LIVE-TICKER) gleichziehen.

Fehlender Einsatz ist Alonso dabei nicht vorzuwerfen, was seine schmerzhafte Fahrt beim Abu-Dhabi-GP zuletzt eindrucksvoll bewies. Die Philosophie der Samurai zitiert er nicht nur, im Rennwagen lebt er nach ihr und bestraft jeden Fehler der Konkurrenz.

Ferraris Problem ist die aktuelle Formel 1

Die Scuderia hat ganz andere Probleme. "Pech gibt es nicht", lautete eines der geflügelten Worte von Firmengründer Enzo Ferrari: "Wenn jemand mehr Leistung hat, sind Chassis-Defizite kein Handicap. Aber wenn die Wettbewerber Motoren haben, die in ihrer Leistung an die eigenen heranreichen und genauso zuverlässig sind, dann werden sie plötzlich entscheidend."

Die Weisheit aus längst vergangenen Motorsporttagen gilt für Ferrari mittlerweile umso mehr. Schwere V12-Motoren bringen keinen Vorteil mehr. Stattdessen waren die homologisierten V8-Antriebe aller Hersteller in den letzten Jahren bezüglich Leistung und Haltbarkeit so ähnlich, dass nur das Chassis den Unterschied machen konnte.

Schon im Vorjahr hatte die Scuderia den hauseigenen Windkanal als Ursache der Aerodynamik-Probleme ausgemacht. Das Testprogramm wurde in die Anlagen des ehemaligen Toyota-F1-Teams nach Köln und die von Sauber in Hinwil ausgelagert, während die eigene Anlage eine Modernisierung bekam.

Doch auch personell strukturierte Ferrari um. Schumachers Designer Rory Byrne wurde für die Entwicklung des 2014er Autos reaktiviert. James Allison verließ Lotus und heuerte in Maranello zur Unterstützung von Pat Fry als Technischer Direktor an. Denselben Weg ging Dirk de Beer, der Aerodynamikchef Loic Bigois zur Seite steht. Sie zeigten dem Team auf, wie groß die Defizite im virtuellen Windkanal CFD sind.

Der treue Vasall muss gehen

"Die nächste Saison verlangt ein anderes Fahrzeugkonzept. Vielleicht stellt das alle Uhren auf Null", machte Alonso seinen Ingenieuren Mut. Doch auch für ihn beginnt alles von vorn, weil er seinen getreuen Vasallen Felipe Massa verliert. Die Zeiten des Hofstaats, der nur für seinen besten Krieger arbeitet, sind vorbei. Nach dem Streit in Ungarn verwarf Ferrari sein Prinzip der klaren Nummer eins und verpflichtete Kimi Räikkönen, der noch bessere Leistungen aus Alonso herauskitzeln soll.

Der Iceman wird 2014 bei seinem alten, neuen Team kaum Probleme bekommen. Er fährt einfach. Dabei ist es dem Finnen egal, was sein Teamkollege macht. Als totaler Individualist schaut er nur auf sich - im positiven Sinne. Politik im Fahrerlager interessiert Räikkönen nicht. Forderungen sind ihm fremd, solange er sein Geld bekommt, auch wenn er hinter seinem Stallgefährten liegt.

Alonso: "Kimi ist nicht schneller als Felipe"

Bei Alonso ist das ganz anders. Sein Anspruch ist es, besser zu sein als der andere Fahrer im gleichen Auto. "Was den Speed angeht, ist Kimi nicht schneller als Felipe", versuchte der Spanier vor kurzem seine Überlegenheit deutlich zu machen, bevor der Finne überhaupt sein Kollege ist: "Als Kimi und Felipe bei Ferrari fuhren, war Felipe stets gleich schnell wie Kimi."

Den letzten Titel für die Scuderia gewann 2007 allerdings der Iceman, weil Alonso sich lieber mit seinem ultraschnellen Rookie-Teamkollegen Lewis Hamilton beharkte. Wie bei Ferrari 2013 eskalierte der Streit auch damals beim Ungarn-GP. Hamilton machte Alonsos Plan fürs Qualifying zunichte, der Spanier blockierte ihn dafür in der Box. Weil die FIA ihn bestrafte, wütete Alonso anschließend gegen Teamchef Ron Dennis. Der Profiteur war ausgerechnet Räikkönen, der mit einem Punkt Vorsprung auf beide McLaren-Piloten die WM einfuhr.

Doch auch wenn Räikkönen nicht ganz so schnell ist wie der Spanier, er hat andere Qualitäten. Der Finne schont die Hinterreifen wie kein Zweiter, was durch das deutlich leistungsfähigere Energierückgewinnungssystem 2014 extreme Auswirkungen haben könnte. Alonso muss sich also 2014 noch stärker kontrollieren, vielleicht twittert er wieder mehr Samuraisprüche.

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