Wie bringt man Ordnung ins Chaos?

Von Alexander Maack
Sebastian Vettel schafft es im Driver-Ranking zum Großbritannien-GP nur auf Rang zwei
© getty

Auch in der Formel-1-Saison 2013 bewertet SPOX-Redakteur Alexander Maack nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 8: Großbritannien-GP.

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Es gibt Tage, da bewegt man am besten keinen Fuß aus dem Bett. Für Pirelli-Motorsportdirektor Paul Hembery war dies der letzte Sonntag. "Seine" Reifen brachten ein ganzes Rennen durcheinander. Die Fahrer zu bewerten, ist dadurch schwieriger geworden, weil sich die Reihenfolge bei der Zieldurchfahrt überhaupt nicht mit der Leistung der Piloten deckt.

Großbritannien-GP: Das Ergebnis im Überblick

Der Sieger des Rennens schafft es gerade so in die Top fünf, dafür teilt sich der Sieger der Herzen das Podest mit einem ausgeschiedenen Fahrer und einem, der es gerade so in die Punkteränge geschafft hat.

Platz 1, Lewis Hamilton: Bei aller Diskussion war an diesem Wochenende ein Fahrer über jeden Zweifel erhaben: Lewis Hamilton. Ob der 28-Jährige wieder solo ist, kümmert mich einen feuchten Schokopudding. Seine Leistung war einfach überwältigend.

Wenn Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel nach dem Qualifying scherzt, dass Hamilton eine Abkürzung gefunden habe, kommt das nicht von ungefähr. Hamilton war am Samstag dominant. Fast eine halbe Sekunde Vorsprung auf den eigenen Teamkollegen war mehr als deutlich.

Dass Hamilton sein Heimrennen nicht zum zweiten Mal nach 2008 gewann, ist seinem geplatzten Reifen zu verdanken. Andernfalls wäre die Führung bei ihm so sicher gewesen wie die britischen Kronjuwelen im Tower of London. Da lege ich mich fest. Hamilton war an diesem Wochenende das Schalke des Motorsports.

So aber fiel der 28-Jährige auf den letzten Platz zurück und musste sich wieder nach vorne kämpfen. Das Rad-an-Rad-Duell mit Paul di Resta war für jeden Fan schön anzusehen. Wie Hamilton das Überholmanöver ohne DRS vorbereitet und umgesetzt hat, war klasse. Volle Punktzahl, Sieg im Driver-Ranking!

Platz 2, Sebastian Vettel: Den größten Fehler machte der Weltmeister an diesem Wochenende, nachdem er seinen Red Bull mit Getriebeschaden auf der Zielgeraden abstellte. Den Helm noch auf dem Kopf stolperte Vettel über den eigenen Frontflügel und hielt gerade so das Gleichgewicht.

Fahrerisch ist auch dem Heppenheimer nichts vorzuwerfen. Nach gutem Start übernahm er direkt die Position hinter Hamilton und hielt den Abstand nach dem ersten Sprint des Mercedes-Piloten bei zwei Sekunden, während er den Vorsprung auf Nico Rosberg verwaltete. Es fehlt mir aber der letzte Tick, der ihn aufs Niveau von Hamilton hebt.

Platz 3, Nico Hülkenberg: Dass der Sauber-Pilot überhaupt einen Punkt aus Silverstone entführte, ist ein kleines Wunder - oder besser das Ergebnis einer überragenden Fahrt. Noch am Freitag meckerte Hülkenberg sein Team an, da er trotz DRS nicht mal einen Marussia überholen konnte.

Die Quali-Zeit, die ursprünglich nur für Platz 15 reichte und mit Barcelona den schlechtesten Startplatz der Saison bedeutet hätte, verdeutlicht sein Problem: Sauber ist aktuell hinter Caterham und Marussia das langsamste Auto. Dennoch steckte Hülkenberg nicht auf. Dass er noch einen Punkt in die Schweiz entführte und vor den ebenfalls enttäuschenden Williams blieb, war für mich nicht auf das Auto, sondern auf den Fahrer zurückzuführen.

Nico Hülkenberg im Exklusiv-Interview: "Dir wird nichts geschenkt"

In den Runden vor seinen Boxenstopps nahm er Teamkollege Esteban Gutierrez je zwei Sekunden ab. Mit schleichendem Plattfuß hinter Charles Pic und Jules Bianchi zurückgefallen, startete der 25-Jährige wieder durch und fuhr aus meiner Sicht deutlich über der Leistungsfähigkeit seines Autos.

Platz 4, Fernando Alonso: Was für Hülkenberg gilt, stimmt auch bei Alonso. Der Spanier mag noch so frustriert sein, dass Ferrari es nicht hinbekommt, sein Auto Qualifying tauglich zu machen - er fährt am Sonntag jeden Rückstand wieder weg. Lediglich in China stand Alonso vor Vettel. Während der Deutsche sonst immer unter den ersten drei startete, ging Alonso durchschnittlich vom fünften Platz und noch nie aus der ersten Reihe ins Rennen.

In Silverstone hatte er beim Start keine Chance, seinen Ferrari nach vorn zu katapultieren. Beim Sprint nach der zweiten Safety-Car-Phase kämpfte sich Alonso von Rang acht binnen fünf Runden aufs Podest. Selbst mit frischen Gummis eine beachtliche Leistung. Der Rennverlauf kam Alonso bei seiner Aufholjagd vom neunten Startplatz sicher zugute. Seine Überholmanöver waren dennoch beeindruckend.

Platz 5, Nico Rosberg: Die wahrscheinlich schwerste Entscheidung dieses Wochenendes. Der Gewinner steht nur auf Platz fünf. Warum? Rosberg hat mich nur in der Schlussphase des Rennens beeindruckt. Er hat Kapital aus den Problemen der Konkurrenz geschlagen. Er war über das gesamte Wochenende aber deutlich langsamer als Teamkollege.

Die Probleme lagen im Übersteuern des W04, mit dem der gebürtige Wiesbadener offenbar mehr Probleme hatte als Lewis Hamilton. Als er die Führung von Vettel erbte, schlug aber seine Stunde. Beim Fußball gilt: Für ein Abstauber-Tor muss sich der Spieler zuerst richtig positionieren. So auch hier: Den Vorsprung auf Mark Webber verteidigte Rosberg mustergültig und sicherte sich so den zweiten Sieg im Jahr 2013.

Platz 6, Mark Webber: Wäre das Rennen zwei Runden länger gewesen, der künftige Formel-1-Rentner hätte es wohl gewonnen. Die Entscheidung, auf neue Reifen zu wechseln zahlte sich aber auch so aus. Der Australier rutschte nach dem Restart von fünf auf zwei. Die Erleichterung, erstmals in dieser Saison nicht hinter Sebastian Vettel ins Ziel zu kommen, war Webber anschließend anzusehen.

Kurz nach Rennbeginn schien ein solches Ende fast ausgeschlossen. Der Oldie war von seinem vierten Platz auf den vierzehnten zurückgefallen. Er schob es auf die Technik. Was ich mich frage: Sobald bei Red Bull am Start etwas nicht funktioniert, ist es an Webbers Auto. Warum? Sabotage? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er keinen Anteil daran trägt. Deshalb bekommt Webber in meiner Bewertung seines sonst makellosen Wochenendes einige Abzüge.

Platz 7, Felipe Massa: Während Webber im Qualifying auf einem Niveau mit seinem weltmeisterlichen Teamkollegen war, hatte Massa Probleme. Schon in Q1 musste er den ersten Satz der Medium-Slicks wählen. In Q2 reichte seine Zeit wegen eines Fehlers nicht mehr für die Top Ten. Schon in den Trainings hatte er deutliche Probleme und leistete sich den vierten Unfall an drei Rennwochenenden. Punktabzug.

Dafür katapultierte sich der Brasilianer mit einem mörderisch guten Start in der ersten Runde bis auf Platz fünf nach vorn. Er wäre wohl auf dem Podest gestanden, wäre nicht auch bei ihm der linke Hinterreifen während des ersten Stints geplatzt. Trotzdem ließ Massa den Kopf nicht hängen und arbeitete sich von ganz hinten wieder nach vorn, um in der Schlussphase auf frischen Reifen noch fünf Plätze gut zu machen. Es war wohl sein bestes Rennen des Jahres.

Platz 8, Kimi Räikkönen: Der Iceman fährt unauffällig und verliert mittlerweile deutlich Boden in der Fahrer-WM. Das Qualifying war solide. Teamkollege Romain Grosjean bewies zum ersten Mal in diesem Jahr, dass er auf eine Runde durchaus in der Lage ist, schneller als Räikkönen zu sein.

Der Finne fuhr am Sonntag dann ebenfalls ein starkes Rennen. Er zog eindrucksvoll an Lewis Hamilton vorbei und hätte den Sprung aufs Podest geschafft, wenn sein Lotus-Team nicht den Fehler gemacht hätte, ihm während des letzten Einsatzes von Bernd Mayländer keine neuen Reifen zu geben.

Platz 9, Paul di Resta: Was auch immer im Qualifying passiert ist, die Leistung des Schotten war über jeden Zweifel erhaben. Das einzige Problem: Die zwei fehlenden Kilogramm fehlten wohl nicht beim Auto. Di Resta war zu leicht. Wie man innerhalb von Stunden so viel Gewicht verlieren kann ist mir zwar ein Rätsel, allerdings scheint auch der Schotte eine Mitschuld an seiner Strafversetzung zu tragen.

Im Rennen lief dann alles wie gewünscht: Schnell an den Hinterbänklern vorbei. Ein toller Fight mit Landsmann Hamilton, zwischenzeitlich fünfter Platz und nach dem letzten Boxenstopp wieder von vierzehn auf neun vorgerutscht. Viel mehr dürfte nicht drin sein, wenn ein Fahrer im Force India vom letzten Platz ins Rennen geht.

Platz 10, Daniel Ricciardo: Der 23-jährige Australier hat aus der Rücktrittsankündigung seines Landsmanns im Mutterteam Red Bull offenbar die richtigen Schlüsse gezogen. Nach enttäuschenden Rennen in Monaco und Kanada fuhr er in Silverstone bis zum Qualifying überragend, obwohl er wohl die Chance hatte, vor di Resta zu starten.

Im Rennen kostete das Safety-Car ihn einige Positionen, es wäre wesentlich mehr drin gewesen als der achte Platz. So bleibt am Ende ein Aufschwung, der aber noch nicht genug ist. Ricciardo muss beweisen , dass er konstant seine Leistung bringen kann, um seinen eigenen Teamkollegen Jean-Eric Vergne und Kimi Räikkönen im Kampf um das Red-Bull-Cockpit auszustechen.

Härtefall, Adrian Sutil: Es gibt beim Gräfelfinger eigentlich nichts, was an seiner Leistung auszusetzen ist. Das galt an diesem Wochenende aber bei fast Dreiviertel des Feldes. Er blieb im Qualifying einige Zehntel hinter Di Resta, rutschte durch dessen Strafversetzung aber vor.

Sein guter Start und der turbulente Rennverlauf spülten ihn bis auf Platz drei vor, bevor er mit alten Reifen wieder auf Rang sieben zurückfiel. Ich glaube, dass für Sutil an diesem Wochenende deutlich mehr drin gewesen wäre. Das gilt jedoch auch für die Williams-Piloten oder Jenson Button. Für die Top Ten war die Leistung in meinen Augen nicht gut genug.

Meine Punkte für das Silverstone-Wochenende:

Der Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM