Vettel bleibt das Maß der Dinge

Von Alexander Maack
Sebastian Vettel kann beim Saisonauftakt bislang überzeugen
© getty

Für Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel beginnt die neue Saison wie erhofft. Sogar ein Hindernis beim 2. Freien Training zum Großen Preis von Australien (Qualifying: Sa., 6.45 Uhr im LIVE-TICKER) konnte seine Tagesbestzeit nicht verhindern. Nico Rosberg kam im Mercedes auf Platz drei, allerdings blieben er und Lewis Hamilton kurz vor Schluss stehen. Noch größere Probleme hatten Ferrari und McLaren.

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Vettel kam am Freitag im Albert Park erst im zweiten Versuch auf den superweichen und damit schnelleren Reifen zu seiner Bestzeit von 1:25,908 Minuten, womit er 0,264 Sekunden vor seinem australischen Teamkollegen Webber lag. Den ersten Anlauf musste Vettel abbrechen, weil er auf Williams-Pilot Pastor Maldonado aufgelaufen war.

Das Klassement des 2. Freien Trainings in der Übersicht

"Ein guter Tag für uns", resümierte Vettel anschließend: "Wir haben gemessen an den Wintertests gewiss dazugelernt, aber allzu viel lässt sich immer noch nicht sagen." Das Auto verhalte sich so, dass das Fahren Spaß mache. Seine Leistung spielte der Tagesbeste jedoch herunter: "Es ist schön, deinen Namen da oben zu sehen, aber es ist nicht das Wichtigste heute."

In altbekannter Manier relativierte der 25-jährige Dreifachweltmeister die Rundenzeiten, die die Piloten am ersten Tag eines Grand-Prix-Wochenendes fahren.

"Es ist erst Freitag und ich glaube, man darf den Freitag generell nie überbewerten. Auch wenn es der erste Freitag des Jahres ist", so Vettel: "Viel wichtiger ist, dass wir schnell genug sind und einen Tag ohne größere Dramen hatten."

Mercedes-Probleme kurz vor Schluss

Für Mercedes verlief der Saisonauftakt dagegen auf den ersten Blick alles andere als reibungslos. Sechs Minuten vor Schluss des 2. Trainings musste Hamilton seinen Wagen im Kiesbett von Kurve sieben abstellen.

"Ich lenkte ein und das Auto hat untersteuert. Zuerst dachte ich, es wäre meine Schuld gewesen. Ich dachte: 'Was bin ich nur für ein Idiot'", beschrieb Hamilton die Situation. Anschließend Entwarnung: Ein beschädigtes Aerodynamik-Teil hatte sich unter das Auto geschoben, weshalb der Engländer nicht mehr lenken konnte.

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Damit nicht genug. Nur eine Minute später rollte Teamkollege Rosberg mit Getriebeproblemen aus. "Solche Dinge passieren und es beeinflusst uns morgen nicht", gab sich der Wiesbadener optimistisch. Auch Teamchef Ross Brawn versuchte zu beruhigen: "Wir waren uns der Probleme während der Session bewusst. Um unsere Zeit auf der Strecke zu maximieren, entschieden wir uns aber, so lang wie möglich zu fahren."

Am Ende hatte der Deutsche als Tagesdritter im teaminternen Duell mit Neuzugang Lewis Hamilton immerhin die Nase vorne. Nachdem der Engländer in der ersten Session am Morgen noch Vierter wurde, schaffte es Hamilton in der Gesamtwertung des Freitags nur auf Rang sieben.

Dennoch lobten beide Fahrer die Fortschritte ihres Teams. "Nico als Dritter des Klassements zeigt, dass wir ziemlich konkurrenzfähig sind", so Hamilton: "Das ist ein Spiegelbild des tollen Jobs, den das ganze Team gemacht hat."

Ferrari und Lotus mit Rückstand

Etwas enttäuschend schnitt dagegen Ferrari im Training ab. "Ich erwarte hier keine Überraschungen", gab Vizeweltmeister Fernando Alonso zu: "Wir wussten schon, dass wir nicht die Schnellsten sind und das wurde heute bestätigt."

Der Spanier kam hinter Lotus-Pilot Romain Grosjean lediglich auf Rang sechs, während dessen finnischer Teamkollege Kimi Räikkönen Vierter wurde.

Mit seinem sechsten Platz war Alonso noch zwei Plätze besser als Teamkollege Felipe Massa. Der Brasilianer war in der ersten Session knapp hinter Vettel noch Zweiter geworden, wurde am Nachmittag aber durch Probleme mit dem Energierückgewinnungssystem KERS eingebremst.

Reifen bleiben Hauptthema

Die Rundenzeiten und Platzierungen sind den Verantwortlichen im Fahrerlager mittlerweile allerdings fast egal. Sie wissen immer noch nicht, wie sie mit den neuen Reifen umgehen sollen. Besonders der superweiche Slick baute bei fast allen Teams schon während der ersten schnellen Runde an Leistung ab.

"Das ist das bisher schlimmste Jahr, wenn es darum geht, die Reifen zu verstehen", zitiert "Autosport" Williams-Technik-Direktor Mike Coughlan: "Es ist die größte Bandbreite, die wir je hatten. Es gibt gewaltige Unterschiede." Weil die vier Mischungen in diesem Jahr noch weicher als in der Vorsaison sind, befürchten einige Ingenieure für das Rennen am Sonntag bereits ein Boxenstopp-Chaos.

Toro Rosso kritisiert Versteckspiel

Die Verständnisprobleme liegen allerdings auch daran, dass viele Teams versuchen, ihre eigentliche Leistungsfähigkeit zu vertuschen. "Ich verstehe die Taktik unserer Konkurrenz nicht. Sie belügen sich doch selbst", echauffierte sich Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost bei "Speedweek": "Hier hat sich das Gleiche abgespielt wie zum Schluss des Barcelona-Tests. Da sind auch einige mit 20 oder 30 Kilogramm Sprit gefahren."

Wie zum Beweis hatten die Teams im 1. Freien Training geschlossen die ersten 30 Minuten verstreichen lassen. Sämtliche Fahrer absolvierten zu Beginn eine sogenannte Installation-Lap, bei der überprüft wird, ob das Auto richtig funktioniert. Anschließend kehrten sie in die Box zurück und warteten geschlossen, dass die anderen Teams die Strecke sauber fahren.

Weil der Kurs im Albert Park von Melbourne semipermanent ist, wird er außerhalb der wenigen Rennen als öffentliche Straße genutzt. Der Aspahlt bietet anfangs kaum Grip. Trotzdem überraschte das Abwarten. Insbesondere die fünf Rookies der diesjährigen Formel-1-Saison hätten zusätzliche Erfahrung auf der ihnen unbekannten Strecke gut gebrauchen können.

McLaren versteht das eigene Auto nicht

Dass McLaren die wahre Stärke nur verbarg, ist unwahrscheinlich. Wie schon in der Auftaktsession konnte das Team aus Woking auch im Nachmittagstraining nicht mit den Top-Teams mithalten. Jenson Button verpasste als Elfter ebenso wie Sergio Perez (13.) die ersten zehn Plätze. "Jenson Button hat gesagt, er habe noch kein Gefühl fürs Auto, und ich befürchte, die McLaren-Ingenieure haben es auch noch nicht", unkte Sky-Experte Marc Surer.

Die gravierenden Änderungen an der Fahrzeugkonstruktion scheinen sich bei den Briten noch nicht auszuzahlen. Während des gesamten Trainings stellten die Mechaniker mehrmals die neukonzipierte Vorderradaufhängung an beiden Autos neu ein. "Wir sind nicht da, wo wir aktuell sein sollten", gab McLarens Sportdirektor Sam Michael zu: "Viele Unterschiede zum letzten Jahr verstehen wir ziemlich gut. Aber um zu erreichen, was wir erreichen müssen... Wir arbeiten noch daran."

Teamchef Martin Whitmarsh sprach von einem der schwierigsten Tage seiner Formel-1-Karriere. "So wie die Dinge heute gelaufen sind, denke ich, dass Punkte sehr positiv wären", schätzte auch Button die Chancen am Wochenende ein. Der 33-Jährige hofft nun auf einen Wetterumschwung. Am Samstag könnte es während des Qualifyings regnen. Die Temperaturen sollen stark fallen und mehr Wind aufkommen.

Sutil und Hülkenberg in Top 10

Gedanken über das Wetter brauchen sich die beiden übrigen Deutschen nicht machen. Bei seinem Comeback im Force India platzierte sich Adrian Sutil als Neunter mit rund sieben Zehnteln Vorsprung im Klassement direkt vor dem zu Sauber gewechselten Nico Hülkenberg. Sie nahmen ihren Teamkollegen Paul di Resta (Force India/12.) und Esteban Gutierrez (Sauber/15.) damit jeweils mehr als eine halbe Sekunde ab.

"Es war ein sehr guter Tag und ich bin zufrieden", sagte Sutil: "Die Strecke hat sich natürlich weiterentwickelt und verbessert, aber wir haben ein gutes Gefühl für die Reifen bekommen." Lediglich die Balance des Wagens auf den superweichen Reifen gelte es noch zu verbessern.

Hülkenberg sieht für das Qualifying sogar Chancen, sich noch weiter nach vorne zu schieben. "Ich hatte ein schwieriges zweites Training gehabt, da viel Verkehr war, da wäre zeitmäßig noch mehr gegangen", sagte der Emmericher. Am Sonntag sollte er damit gute Chancen haben, bei seinem ersten Rennen im neuen Team auf Anhieb Punkte zu holen. Schon Saubers Vorjahresauto galt als reifenschonend. Bei den Tests in Barcelona bestätigte sich der Eindruck auch beim neuen C32.

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