Riesige Freude beim Triple-Double-Champion

Von Alexander Maack
Sebastian Vettel feierte im Parc Ferme seinen Titel ausgelassen. Michael Schumacher freute es
© spox

Sebastian Vettel ist Triple-Double-Champion. In drei Jahren hintereinander gewann er mit Red Bull die Fahrer- und Konstrukteurs-WM. Der Jubel bei Red Bull ist riesig, auch wenn sich Adrian Newey an seine bitterste Stunde in der Formel 1 erinnert fühlte.

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Dem Triumph ging ein chaotischer Grand Prix voraus, bei dem zu jeder Zeit alles möglich schien. Der Ritt zum dritten Weltmeistertitel war eher ein Pannenfestival als eine Demonstration der Red-Bull-Überlegenheit der letzten Saisonrennen.

Unglücklicherweise war Sebastian Vettels Mikrofon im Helm beim Rennen auf dem Autodromo Jose Carlos Pace früh verrutscht. So blieb der Nachwelt der Jubelschrei des Triple-Weltmeisters verwehrt, nachdem er als Sechster ins Ziel kam und durch sein Team informiert wurde, dass er zum dritten Mal in Folge Formel-1-Weltmeister ist. Ein Kunststück, das vor ihm nur Michael Schumacher und Juan Manuel Fangio gelang.

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"Was passiert ist, ist unwirklich: Einen dritten Titel zu gewinnen, besonders hier, wo einer meiner größten Helden herstammt, Ayrton Senna. Es fällt schwer, dafür Worte zu finden", so Vettel, der unter dem Helm Freudentränen vergoss. "Ich habe im Auto geschrien, aber mein Funk funktionierte nicht, vielleicht bin ich darüber ganz glücklich!"

Viel schwerwiegender war der Verlust der Kontaktmöglichkeit zur Boxencrew aber während der 71 Runden langen Regenfahrt in Sao Paulo. Während Ferrari zu jedem Zeitpunkt Informationen von Fernando Alonso einholen konnte, musste Vettels französischer Renningenieur Guillaume Rocquelin, der teamintern nur Rocky genannt wird, raten, was sein Schützling gerade denkt.

Vettel vergisst den Helm abzusetzen

Das Wolke-Sieben-Gefühl wollte nach dem turbulenten Rennverlauf lange nicht weichen. "Es ist schwierig, sich vorzustellen, was im Moment durch meinen Kopf geht", sagte Vettel, nachdem er seinen Boliden im Parc Ferme abgestellt hatte. "Ich bin so voller Adrenalin. Es war ein unglaubliches Rennen. Alles, was hätte passieren können, um es uns heute noch schwieriger zu machen, ist passiert!"

Als der Heppenheimer nach dem Rennen auf Michael Schumacher traf, umarmten sich die Freunde. Doch nachdem Vettel zu seinem RB8 zurückkehrte und sich auf die Airbox setzte, wiederholte sich das Schauspiel noch mal. Der Grund: Der Rekordweltmeister wollte ein schöneres Erinnerungsfoto.

"Ich finde es immer so schade, wenn man hier steht und feiert, man gefeiert wird, aber man sieht immer nur den Helm. Gerade die Gesichtsemotionen sind das, was die Zuschauer sehen wollen und was für einen selbst auch sehr wichtig ist. Das habe ich auch erst sehr spät verstanden", plauderte Schumacher nach dem letzten Rennen seiner F1-Karriere aus seinem Erfahrungsschatz. "Deswegen habe ich ihm gesagt: 'Zieh den Helm aus und lass uns so nochmal zusammen drücken!' Das ist sicherlich die schönere Variante."

Red Bulls schlechter Reifenpoker

Mehrmals schien der WM-Titel schon sicher an Fernando Alonso zu gehen. Red Bull machte nicht immer den glücklichsten Eindruck. Statt Vettel beim zweiten Boxenstopp wegen des stärker werdenden Regens auf Intermediates auf die Strecke zu schicken, montierte die Boxencrew die Medium-Slicks von Pirelli. "Wir konnten nur die Reifen aufziehen, die für die aktuellen Bedingungen die richtigen waren, weil auf den Wetterbericht kein Verlass war", verteidigte Technikdirektor Adrian Newey die Entscheidung.

Die Konsequenz: Vettel bog nur zwei Runden später wieder in die Boxengasse, um sich nun Regenreifen zu holen. Allerdings wusste sein Team davon natürlich nichts. Die Mechaniker holten die Pneus erst aus der Garage, als Vettel schon fast bei ihnen war. Wieder verlor der Heppenheimer wichtige Sekunden, während er auf das fehlende vierte Rad wartete und fiel aus den Top 10.

Doch Vettel bewies seine Klasse und arbeitete sich schnell wieder nach vorne, wo plötzlich Schumacher herumfuhr. "Ich habe natürlich über Funk mitbekommen, dass Seb hinter mir war", erklärte der Rekordweltmeister. "Ich hatte kein Interesse daran, ihm unnütz im Weg zu stehen, weil ich in kleinster Weise in die Meisterschaft eingreifen wollte. Deshalb habe ich auch bereitwillig Platz gemacht. Ich habe ihm gerne den Platz überlassen."

Schumacher: "Hätte Sebastian fast getroffen"

Schon nach dem Start hatte der neue Dreifachweltmeister eine fulminante Aufhoiljagd starten müssen. In der Decida do Lago, der Linkskurve nach der Gegengeraden, bremste Vettel früh und zog dann zum Kurvenscheitel. Allerdings fuhr da Williams-Pilot Bruno Senna, der nicht mehr ausweichen konnte und mit dem Deutschen kollidierte.

"Ich hätte ihn fast noch getroffen", zeigte sich Michael Schumacher nach dem Rennen erleichtert, dass er Vettel noch ausweichen konnte: "Das war sicherlich für die Zuschauer nicht ohne. Ich denke, der eine oder andere brauchte auch einen kleinen Beruhigungstropfen."

Vettel drehte sich und hatte Glück, dass er mit seinem beschädigten Auto überhaupt weiterfahren konnte. Sennas Williams verlor nach dem Kontakt die Bodenhaftung und rauschte über den Seitenkasten des RB8. "Ich war überrascht, dass das Auto überhaupt überlebt hat", gestand Teamchef Christian Horner später bei "RTL".

Newey: "Dachten, das Auto würde Feuer fangen"

Red Bulls Technikdirektor erklärte das Problem bei "Sky Sports F1" etwas genauer. "Es gab einige Blechschäden, noch mehr Sorge bereitete mir aber das lädierte Auspuffsystem", sagte Design-Papst Newey, der als Gehirn des früheren Mittelklasse-Teams gilt, das mal auf den Namen Jaguar hörte: "Wir dachten, das Auspuffrohr würde brechen und das Auto Feuer fangen. Wir konnten nur noch die Daumen drücken."

Fast. Denn das Team reagierte schnell und veränderte Vettels Motoren-Mapping, um das Endrohr möglichst kühl zu halten. "Wir haben dadurch Leistung eingebüßt", gestand Newey, der während des Rennens am Kommandostand Fotos der verwundeten Abbey studierte, und beschrieb weitere Auswirkungen: "Wir haben auch Abtrieb am Heck verloren. Beim Boxenstopp konnten wir dann den Frontflügel nachjustieren, um das etwas auszugleichen."

Newey fühlte sich nach dem Rennen an das Jahr 1994 erinnert. Damals designte er noch für Williams und hätte Damon Hill mit einem aerodynamisch überlegenen Auto fast zum Weltmeister gemacht. "Wir hatten enorme Probleme mit dem Auto am Saisonbeginn, nachdem es zuvor zwei brillante Jahre waren", verdeutlichte Newey die Parallele.

Einen entscheidenden Unterschied gab es aber: "Damals haben wir mit Williams immerhin noch den Konstrukteurs-Titel geholt. Damon hätte die Fahrer-WM gesichert, wäre da nicht ein gewisser Deutscher gewesen", so Newey, der wohl glücklich ist, einen Deutschen aktuell bei sich selbst im Team zu haben.

Button entscheidet die WM

Dass Vettel trotz der mannigfaltigen Probleme noch Sechster wurde und den Titel verteidigte, ist fast ein Wunder. Am Ende war es aber Jenson Button, der die WM entschied. Wäre der McLaren-Pilot ausgeschieden und Alonso dadurch auf Rang eins und Vettel auf Platz fünf vorgerutscht, hätte der Spanier die WM doch noch gewonnen.

So wusste auch Rocky, bei wem er sich bedanken musste. "Wir haben drei oder vier Mal gedacht, die WM sei weg. Aber Jenson hat einen guten Job gemacht", sagte Rocquelin. "Wir hätten es uns einfacher gewünscht."

Dass Ferrari in den letzten Wochen mit beispielsweise der mutwilligen Strafversetzung von Massa alles riskierte, ist am Ende nur ein Randaspekt. Dennoch ließ es sich Vettel nicht nehmen, endlich auf die andauernden Psychospiele Alonsos zu reagieren: "Die anderen haben alles daran gesetzt, aber ich bin so erzogen worden: Lügen haben kurze Beine und Ehrlichkeit währt am längsten."

Der Endstand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM 2012