"Lieber unfaire Strafen als Todesfälle"

Von SPOX
Max Mosley war von 1993 bis 2009 FIA-Präsident
© getty
Cookie-Einstellungen

Frage: Renault denkt als einer der vier aktuellen Hersteller derzeit darüber nach, sich aus der Formel 1 zu verabschieden.

Mosley: Das fundamentale Problem der Hersteller ist, dass sie alle gewinnen müssen und nur einer gewinnen kann. Sie kommen und gehen deshalb, wie es ihnen passt. Keinen unabhängigen Motorenhersteller zu haben, ist gefährlich. Außer Fiat mit Ferrari sind die Hersteller teils fünf oder sechs Mal in die Formel 1 eingestiegen, seit die Weltmeisterschaft mit der Saison 1950 startete. Ich hätte Cosworth und Mecachrome gebeten, die Regularien für die Hybridantriebe zu schreiben, sodass sie diese für einen bestimmten Betrag entwickeln können. Ich war aber auch immer Pessimist. Als ich früher sagte, dass die Formel 1 zu teuer würde und wir die Kosten senken müssten, sagte Bernie, dass sich immer ein Milliardär finden würde, der ein Team unterhält. Damit hatte er Recht. Vielleicht täusche ich mich auch hier.

Frage: Interesse an einem neuen Engagement besteht auch. Immerhin startet Gene Haas ab der Saison 2016 mit einem eigenen Team.

Mosley: Für die Formel 1 ist es gut, dass ein Amerikaner einsteigt. Das gab es in der Vergangenheit etwa mit Penske. Doch das war keine erfolgreiche Geschichte. Die Amerikaner haben aus meiner Sicht die Tendenz, das technische Level der Formel 1 zu unterschätzen. Es unterscheidet sich immens von dem Rennsport, den sie bei sich haben. Sie werden wohl zu kämpfen haben und es schwierig finden, aber es ist möglich, dass sie sich anpassen.

Frage: Zuletzt erzeugte der VW-Konzern nicht nur mit dem Abgasskandal, sondern auch mit Gerüchten um einen Einstieg in die Formel 1 für Schlagzeilen. Glauben Sie, dass Audi bald in der Formel 1 fährt?

Mosley: So wie ich es sehe, gibt es nach den Veränderungen im Management zwei bis drei Menschen an der Spitze von Volkswagen, die dazu tendieren, in die Formel 1 einzusteigen. Ich hege aber den Verdacht, dass die Vorfälle in Amerika ein Gamechanger sind. Sie sind gravierend. Die Firma hat bewusst die Software der Diesel-Motoren so beeinflusst, damit sie bei Tests ein anderes Programm abspielt. Es gab vor einigen Jahren einen ähnlichen Vorfall. Die Firma hatte einen Schalter unter der Motorhaube. Wenn sie gehoben wurde, schaltete das Motorsteuergerät in den Testmodus um. Volkswagen war zwar raffinierter, aber das Management ist jetzt in großen Schwierigkeiten. Das bringt die Pläne für den Formel-1-Einstieg in Gefahr. Ich wäre überrascht, wenn sie jetzt noch einsteigen würden.

Frage: Ihr alter Wegbegleiter Bernie Ecclestone sagte einst, Sie hätten einen "verdammt guten Premierminister" abgegeben. Wie war Ihre Beziehung?

Mosley: Als er 1971 das Brabham-Team erworben hat, machte es Klick. Dinge, die ich gut kann, bekommt Bernie vielleicht nicht so gut hin. Und Dinge, die er gut kann, mache ich bestimmt nicht gut. Er ist brillant in einigen Geschäftsfeldern. Wir haben sehr gut zusammengearbeitet, wobei der uns zusammenhaltende Klebstoff die Witze waren - vor allem nachdem ich FIA-Präsident wurde. Es kam zu Konflikten, weil ich die Interessen der FIA gegenüber seinen kommerziellen Interessen verteidigt habe. Wenn es stark regnete, musste er etwa sagen, dass wir starten sollen, weil sonst seine Satelliten-Verbindung ausgelaufen wäre. Der Sicherheitsmann aber sagte, dass es zu gefährlich wäre. In solchen Situationen muss der Sport Vorrang haben. Es gab viele kleine Dinge, aber am Ende haben wir alle Probleme gelöst, weil wir persönlich gut miteinander ausgekommen sind. Bernie hat einen großartigen Sinn für Humor.

Frage: Ecclestone erregt immer wieder Aufmerksamkeit, wenn er den Traditionsländern der Formel 1 droht, ihnen ihren Grand Prix wegzunehmen. Im Gegensatz zu den Verhandlungen in Italien scheint Ecclestone in Deutschland nicht zu Zugeständnissen bereit gewesen zu sein. Wie erklären Sie sich das?

Mosley: Ich kann nur spekulieren, weil ich den Kontakt verloren habe. Ich glaube, Bernie hat erkannt, dass es einige essenzielle Grundbestandteile in der Formel 1 gibt. Wenn er aber für die Anteilseigner und die Teams, die einen Großteil des Geldes bekommen, einen guten Deal abschließen kann, muss er bereit sein, Abschied davon zu nehmen. Es ist nicht gut, immer davon zu reden, wenn man es nicht ab und an macht. Das könnte der Grund für den Ausfall in diesem Jahr gewesen sein. Wir haben Frankreich schon verloren, dieses Jahr hatten wir keinen Deutschland-GP, England und Italien sind in Gefahr. Bernie weiß, dass es ein Limit gibt. Aber er spielt seine Karten ziemlich gut aus.

Frage: Stellen Sie sich vor, Sie hätten die Macht, die Formel 1 optimal aufzustellen, um das Interesse der Zuschauer wieder zu steigern. Was würden Sie ändern?

Mosley: Ich würde den kleinen Teams unter strenger Budgetbegrenzung größere technische Freiheit einräumen. Für die Regularien würde ich Experten hinzuziehen, die wie Ross Brawn nichts mehr mit dem Geschäft zu tun haben, und sie so aufstellen, dass die kleinen Teams gewinnen können. Die großen Teams wären empört. Die Antwort wäre aber einfach: Sie können ebenfalls unter dem Low-Budget-Reglement starten. Es steht jedem frei. Die großen Teams können mit geringen Kosten fahren, umgekehrt trifft das nicht zu. Sie haben nicht das Geld. Das würde es für die Öffentlichkeit interessant machen.

Seite 1: Mosley über Sicherheit und die Kostenobergrenze

Seite 2: Mosley über VW, Renault und Ecclestone

Kalender und WM-Stände 2015 im Überblick

Artikel und Videos zum Thema