"Das ist eine gute Verkaufsstrategie"

Von Am Red Bull Ring aufgezeichnet von: Alexander Maack
Toto Wolff erwiderte auch die flapsig formulierte Aussage von F1-Chefpromoter Bernie Ecclestone
© getty

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff hat am Rande des Österreich-GP auf die anhaltende Kritik von Red Bull und die am Donnerstag erfolgte Ausstiegsdrohung reagiert. Auch er sieht Verbesserungsbedarf, hat aber einen eindeutigen Tipp für die Österreicher: Ruhig bleiben.

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Frage: Red Bull hat in den letzten beiden Tagen eine ziemlich ausgeprägte Anti-F1-Agenda gefahren. Bernie Ecclestone hat die Formel 1 am Samstag als "Crap" bezeichnet. Was sagen sie dazu?

Wolff: (ironisch) Das ist eine gute Verkaufsstrategie. Es geht bei der Formel 1 auch um Kontroversen - auf und neben der Strecke. Wenn ich meine Mercedes-Kappe abnehme, glaube ich, dass die Show gut ist. Ist es gut, dass nur ein Team regelmäßig oder auch vorhersehbar gewinnt? Vielleicht nicht. Das gab es aber in der Vergangenheit auch. Wir haben eine Verpflichtung der Formel 1 gegenüber, es nicht schlecht zu reden. Dadurch, dass wir immer negative Sachen herauspicken, sind wir in eine Spirale negativer Kontroverse gekommen. Das ist nicht gut für die Formel 1. Wir sollten gut darüber reden und nicht schlecht.

Frage: Red Bull hat zudem mit dem Rücktritt gedroht. Ist das aus Ihrer Sicht das übliche Säbelrasseln oder ernst zu nehmen?

Wolff: Red Bull ist in keiner guten Situation. Das Team, das sich dem Anspruch stellt und schon bewiesen hat, viermal Weltmeister geworden zu sein, ist in einer Sackgasse. Es gibt nur wenig Möglichkeiten. Wenn man seine Marke promotet, ist es so schwierig den Misserfolg zu handeln. Man muss das Säbelrasseln oder die Argumentation ernst nehmen. Wir verstehen das. Wir akzeptieren die Problematik. Man kann nicht nur auf seine eigene Agenda schauen und sagen: 'Wir gewinnen und alles andere ist uns egal.' Wir nehmen das ernst und diskutieren, wie man dazu beitragen kann, dass es vielleicht besser wird. Ich kenne die Details nicht, aber es mit Ruhe anzugehen und zu analysieren, was falsch ist, ist am allermeisten gefragt. Mit dem Motorenhersteller hat Red Bull vier Weltmeisterschaften gewonnen. Nur Idioten können da nicht sitzen.

Frage: Könnte das nicht insofern Schule machen, dass die Verlierer dauerhaft ein anderes Reglement fordern?

Wolff: Ich weiß es nicht. Man muss die Dinge ernst nehmen. Wir brauchen die Plattform, ein Team wie Red Bull ist wichtig für die Formel 1. Deswegen muss man das akzeptieren. Diese generelle Einstellung - und damit meine ich nicht Red Bull sondern die gesamte Formel 1 - Regeländerungen unter der Saison zu fordern, wenn es einem nicht gut geht, das ist als würde man im Fußball sagen: 'Macht mal die Tore breiter oder ein bisschen höher.'

Frage: Was würden Sie an der Stelle von Dietrich Mateschitz machen? Ganz viel gewonnen, aber jetzt ganz viel Frust. Würden Sie sagen: Jetzt ist Schluss?

Wolff: Vielleicht würde ich mich zu Hause hinsetzen und mich freuen, was ich alles in meinem Leben geschafft habe. Es geht wohl zuerst darum, zu analysieren, wo man falsch abgebogen und was falsch gelaufen ist. Das haben wir bei Mercedes vor drei Jahren auch gemacht. 2012 hatte ich meine ersten Berührungspunkte - an Austin kann ich mich erinnern. Das war ein Rennen, wo der Mercedes nur rückwärts gegangen ist. Das ist eine Katastrophe, für die Marke absolut kontraproduktiv. Was wir gemacht haben: Analysieren. Was müssen wir besser machen, um nach vorne zu kommen? Meine Strategie wäre: Bevor ich mit dem Finger auf jemanden zeige, würde ich sicherstellen, dass es den Richtigen erwischt.

Frage: Was halten Sie denn von der Fanumfrage der Fahrer? Können daraus Änderungen resultieren?

Wolff: Die Befragung ist gut, Basisdemokratie funktioniert in der Formel 1 aber nicht. Deswegen sind wir in der Situation, dass keine Entscheidungen getroffen werden. Wir haben gesagt: Wir wollen die Autos 2017 wesentlich schneller machen, mit breiteren Reifen. Dazu mehr Downforce, mehr G-Forces. Spektakulärer. Dann machen auch die Rennstrecken mit den kilometerlangen Auslaufzonen wieder Sinn, weil wir wesentlich schneller ins Eck fahren. Das ist der erste Schritt und der wird passieren. Dann müssen wir weiter an der Schraube drehen.

Frage: Wie erklären Sie sich dann den Rückgang bei den Einschaltquoten?

Wolff: Wir müssen es ernst nehmen, dass wir mit wesentlich mehr Content zu kämpfen haben, als wir es vor zehn oder zwanzig Jahren hatten. Heute kann man sich alles bei Youtube anschauen, spektakuläre Sportarten in kleinen Häppchen-Clips angucken. Dann ist es einfach schwieriger. Wir haben zwar in den guten Märkten absolut weniger Zuschauer, aber die Quote ist nach wie vor hoch. Es ist ein Problem des traditionellen Fernsehmarktes und nicht nur der Formel 1.

Frage: Sind die schlechteren Rundenzeiten im Vergleich zu früher ebenfalls ein Grund?

Wolff: Es wird so viel über Rundenzeiten und darüber geredet, dass die Autos zu langsam wären. Wenn man aber bedenkt, dass diese Autos mit den Pirelli-Einheitsreifen am Beginn ihrer Entwicklung sind, und man die Zeiten mit denen des Endes der V10- und V8-Ära vergleicht, dann sind wir schon fast bei den Streckenrekorden von damals. Das Auto ist aber 100 Kilogramm schwerer.

Frage: Wie erklären Sie sich dann den Erfolg der 24 Stunden von Le Mans in den letzten Jahren?

Wolff: Gute Frage. Ich habe bei Le Mans 15 Stunden zugeschaut. Man macht sich fast in die Hosen, weil es super ist. Nur: Was ist Le Mans? Es findet einmal im Jahr statt, ist wie ein Weltmeisterschaftsfinale. Komischerweise redet dort niemand über die Langweilige von Hybridmotoren und Sound von Schreibmaschinen oder Rasenmähern. Es redet niemand davon, dass in der großen Klasse nur zwei Marken gegeneinander kämpfen. Alles, was wir uns in der Formel 1 immer schlecht reden, finden wir in Le Mans sensationell. Warum ist das so? Weil wir hier in dieser Downward-Spiral sind. Und der Erfolg von Le Mans? Wir sind alle Petrolheads und finden es deshalb so gut. Le Mans hatte als Peak 400.000 Zuschauer, wir haben 80 Millionen.

Frage: Also sollte sich in der Formel 1 nichts ändern?

Wolff: Es gibt sicher Schrauben, an denen man drehen kann, um den Sport spektakulärer zu machen. Ich finde diese Auslaufzonen, wo der Fahrer einen Fehler macht und dann über den Asphalt wieder auf die Strecke zurückfährt, absoluten Schwachsinn. Wenn man das Auto verliert und von der Strecke fährt, sollte man das Auto beschädigen. Mehr Konsequenzen als nur auf die Strecke zurückzufahren. Die Fahrer sind Gladiatoren, die in Autos fahren, die unheimlich schnell und immer noch gefährlich sind. Aber irgendwie kriegen wir das nicht rüber. Das müssen wir lösen. Wenn wir da Zuschauer und Fans hinzuziehen können, müssen wir das berücksichtigen. Umso mehr Antworten, umso besser. Daraus kann man Schlüsse ziehen.

Frage: Ihr Aufsichtsratschef Niki Lauda hat sich als Experte aber auch kritisch geäußert. Er sagte, die aktuellen Formel-1-Fahrer seien Jünglinge, man brauche wieder Männer.

Wolff: Martin Brundle hat als jemand, der die Erfahrung in den alten Autos hat, den Force India in Silverstone gefahren. Er hat gesagt, dass es unheimlich tricky ist. Das Drehmoment setzt brutal ein. Mit dem Pirelli-Standardreifen ist das Auto schwierig an der Haftgrenze zu fahren. Die, die an diesem Wochenende zwischen Turn 8 und 9 standen, haben gesagt: 'Es ist atemberaubend. Du glaubst nicht, mit welchem Speed die dort hineinkommen und wie das aussieht.' Wir reden da über etwas, was uns jemand erzählt, der nicht im Auto gesessen ist. Als Niki gefahren ist, war ein Fehler mit einem Unfall und einer Verletzung verbunden. Das hat sich verändert, weil wir im Sinne der Sicherheit die Autos verbessert und die Rennstrecken verändert haben. Vielleicht sind wir bei der Kombination dieser Entscheidungen so weit gekommen, dass die Wahrnehmung so ist, dass es nicht mehr so gefährlich ist. Deswegen ist die Initiative, die Autos schneller zu machen, ein Schritt in die richtige Richtung.

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