Bestzeiten als Ferrari-Beruhigungspille

Sebastian Vettel fuhr in Jerez erstmals einen aktuellen Ferrari
© getty

Sebastian Vettel wechselte mit hohen Zielen innerhalb der Formel 1 von Red Bull zu Ferrari und ließ schon bei den ersten Testfahrten mit Bestzeiten aufhorchen. Doch was war die Vorstellung in Jerez wirklich wert? Zumindest eine positive Auswirkung gibt es schon vor der nächsten Probefahrt in Barcelona.

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Die kühnsten Träume erfüllten sich schon bei der ersten Ausfahrt. "Das Ziel ist, endlich wieder an die Spitze zu kommen", zitierte die Scuderia ihren neuen Star, als sie Vettels Verpflichtung im November 2014 nach der wochenlangen Hängepartie offiziell bekannt gab.

In Jerez setzte Vettel seine Voraussage in die Tat um. Zwei Tage lang durfte er den SF15-T bewegen, an beiden Tagen setzte er sich an die Spitze des Klassements. Nur Neu-Teamkollege Kimi Räikkönen war anschließend noch schneller. Trotzdem: Der jüngste Mehrfachweltmeister der Formel-1-Geschichte gab sich zurückhaltend wie nach einem durchschnittlichen Freitagstraining.

"Wir sollten daran denken, wo wir herkommen. Es gibt eine Menge Veränderungen und neue Dinge. Wir haben eine Menge gelernt", sagte der 27-Jährige: "Es war wichtig, lange zu fahren, das Auto kennen zu lernen, alle Daten zu verstehen und sicher zu sein, dass wir für den nächsten Test bereit sind."

Selbst der begeisterte Applaus der Ferrari-Mechaniker am zweiten Testtag kümmerte ihn kaum. Zuvor hatte Vettel seine eigene Bestzeit auf 1:20,984 Minuten gedrückt. Nico Rosberg fühlte sich anschließend genötigt, den Auftritt als "Eye-Opener" zu bezeichnen. Mercedes müsse die Truppe aus Maranello im Auge behalten.

Zurückhaltung bei Vettel

"Einige haben nicht viel gezeigt, einige hatten eine etwas andere Herangehensweise", gab Vettel zu und erklärte die Herangehensweise der Konkurrenz: "Längere Runs - extreme Longruns, um ehrlich zu sein."

Gemeint war Mercedes. Das dominierende Team der Saison 2014 verzichtete in Jerez komplett auf schnelle Fahrten. Stattdessen testete das Team seinen W06 Hybrid auf Herz und Nieren. Die aus dem Vorjahr bekannten technischen Defekte sollen der Vergangenheit angehören, weshalb die Tests zu Langstreckenversuchen genutzt werden.

2208 Kilometer fuhren Rosberg und sein weltmeisterlicher Teamkollege Lewis Hamilton, der Deutsche verbrachte am ersten Tag sogar seine Mittagspause essend im Cockpit. Die Ferrari-Piloten kamen unterdessen auf 1563 Kilometer. Was also war der Ferrari-Plan?

Die Frage nach der Aussagekraft

Alle Beobachter sind sich einig, dass Räikkönen wesentlich besser mit dem neuen Auto zurechtkam, als es im Vorjahr der Fall war. Auch die Linien der FlowViz-Farbe, mit der die Luftströmung am Auto sichtbar gemacht wird, fielen vergleichsweise regelmäßig aus.

Dass Sauber - ebenfalls mit Ferrari-Power-Unit im Heck - am dritten Tag die Spitze im Klassement übernahm und auch sonst das zweitschnellste Auto hatte, verdeutlicht allerdings die geringe Aussagekraft der Wintertest-Zeiten.

Die Geheimnisse der neuen Autos: Detailarbeit im Extrembereich

Ausgerechnet die Schweizer, die 2014 keinen einzigen WM-Punkt einfahren konnten, sollen plötzlich vorne mitmischen? Unwahrscheinlich. Die finanziell angeschlagenen Eidgenossen haben wohl eher Promofahrten mit wenig Sprit gemacht, um neue Sponsoren anzuziehen.

Ferrari und Sauber unter einer Decke?

Ähnlich könnte Ferrari vorgegangen sein. Schon 2014 fuhr die Scuderia am ersten Testtag an die Spitze und ließ anschließend die erste Saison ohne Sieg seit 1993 folgen. Was folgte? Tiefgreifende Umbauarbeiten innerhalb der Teamführung. Bis auf Technikdirektor James Allison wurde nahezu die gesamte Riege der Spitzeningenieure ausgetauscht.

Auch wenn die Aussagekraft der Zeiten in Frage gestellt werden darf, sind sie dennoch wichtig. Die italienischen Medien loben die Leistung beim inoffiziellen Saisonauftakt in höchsten Tönen. Das Team ist beruhigt, weil offenbar in die richtige Richtung gearbeitet wurde.

"Die Rundenzeit ist egal", sagte Räikkönen: "Ich habe ein gutes Gefühl." Sein Teamkollege brauchte das nicht zu erzählen. Vettel strahlte eine längst vergessen geglaubte Leichtigkeit aus. Wie groß der Unterschied ist, verdeutlichte sein langjähriger Förderer am besten.

"Er schreibt mir wieder böse und lustige Nachrichten. Er ist wieder der Alte", berichtete Helmut Marko. Der Tapetenwechsel hat die Motivation maximiert, die Traumkombination Vettel-Ferrari hat ihre erste Hürde genommen. Jetzt muss nur echter Erfolg her. Bei den Tests in Barcelona muss der nächste Schritt folgen.

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