Mit Vollgas dem Abgrund entgegen

Ferrari begeisterte viele Fans mit seiner Designstudie, er SF15-T wirkt dagegen seltsam altbacken
© getty/ferrari

Eine Regelumwälzung mit futuristischem Design und 1000-PS-Motoren sollten die Formel 1 wieder spektakulär machen. Doch die Entscheider zeigen ein Verhalten wie eine Kindergartengruppe ohne Erzieher. Niemand gibt sein Schäufelchen ab, stattdessen will jeder die Spielzeuge des anderen. Die Königsklasse bezahlt jetzt für ihre verfehlte Politik. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Alexander Maack.

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Es gab Zeiten, in denen sich die Leitung der Formel 1 einig war. Wenige finanziell gut ausgestattete Teams fuhren um den Titel, die weniger gut situierten Rennställe feierten ab und an einen kleinen Überraschungserfolg. Für einige Teambesitzer war der Motorsport gar nur ein Hobby, in dem sie ihre überschüssigen Millionen verpulverten. Doch spätestens seit Mitte der 90er sind die Zeiten von Teams wie Scarab, Hesketh, Andrea Moda und Co. gezählt.

Eigentlich wäre das kein Problem: In der Formel 1 gab es immer Teams, die mit geringsten finanziellen Mitteln nur mitfuhren und nach kurzer, unerfolgreicher Zeit wieder verschwanden. Der Unterschied zur heutigen Situation: Es gibt außer Gene Haas niemanden mehr, der nachrücken will. Beim US-Amerikaner ist zwar noch nicht sicher, ob er erfolgreich bestehen wird, er verfolgt aber ohnehin einen anderen Ansatz: Die Formel 1 ist auch ein Marketinginstrument für seine Werkzeugmaschinen.

Das Geld reicht nicht zum Hinterherfahren

Ansonsten? Ebbe. HRT, Caterham und Marussia starteten nur, weil ihnen vom Automobilweltverband eine Kostendeckelung versprochen wurde. Da sie nicht kam, wurde ihr Geschäftsplan über den Haufen geworfen. Die eigentlich veranschlagten Budgets waren selbst zum akzeptablen Hinterherfahren zu gering. Der Ausgang ist bekannt: Keiner der drei Rennställe überlebte in seiner ursprünglichen Form bis zur Saison 2015.

Immerhin: Die Formel 1 hat die Zeichen der Zeit erkannt und diskutiert intensiv über die Probleme. Nur kommt bei der Diskussion nichts heraus. Das Problem ist, dass jeder seinen vermeintlichen Vorteil verteidigt wie ein trotziges Kindergartenkind seine Schaufel, gleichzeitig aber die Spielzeuge der anderen haben will.

Eine kurze Zusammenfassung: Mercedes würde am liebsten nichts ändern, nach dem sportlichen Erfolg der letzten Saison kaum verwunderlich. Red Bull möchte die Hybridmotoren beerdigen und zurück zu einer Aerodynamik-Formel, schließlich kann das Team die Antriebseinheiten von Renault nur bedingt beeinflussen. Honda und Mercedes blockieren das aber und drohen mit Ausstieg, da reine Verbrennungsmotoren nicht ins zukunftsgerichtete Marketingkonzept passen würden.

Ferrari weckt falsche Hoffnungen

Und Ferrari? Torpediert die letzte Sitzung der Strategiegruppe, indem das Team eine radikale Studie von einem Formel-1-Auto der Zukunft veröffentlicht, während die Teilnehmer gerade auf dem Weg zum Meeting nach Genf sind. McLaren und Red Bull hatten schon zuvor eine Idee vorgelegt, die jedoch nicht den Weg an die Öffentlichkeit fand. Um ihn erst zu besprechen, zu verfeinern und keine falschen Hoffnungen zu wecken?

Zumindest krankt der Vorschlag von Ferrari schon in den Kinderschuhen. Die Studie wurde augenscheinlich von einem Designer gezeichnet, mit der Realität hat sie nichts zu tun. In der Formel 1 arbeiten Ingenieure, die nicht auf Schönheit achten. Sie maximieren die Leistung innerhalb eines vorgegeben Reglements.

Ferraris Vorschlag bietet aber einige Details, die aerodynamisch keinen Nutzen haben und sich wohl eher negativ auswirken würden. Wie soll dies festgeschrieben werden? Feste Bauteile, die alle Teams verbauen müssen? Das Konzept der Konstrukteursserie wäre für immer Vergangenheit. Zudem würde dieser Vorschlag am Veto der von Luft- und Raumfahrttechnikern bestimmten Teams scheitern. Andersrum wäre es dieselbe Geschichte.

Die Kostenfrage bleibt das dringlichste Problem

Die ganze Diskussion verheimlicht aber das wahre Problem: Die Kostenfrage. Die Formel 1 krankt, die Zuschauerzahlen sind rückläufig. Schon jetzt klaffen die Budgets meilenweit auseinander. Wie gesagt: Wenn es potente Neueinsteiger geben würde, wäre das kein Problem. Porsche oder Nissan etwa - doch die starten lieber in der Langstreckenweltmeisterschaft WEC und damit in Le Mans, weil hier Technik für die Serie wirklich abgeleitet werden kann.

Ohne eine gerechtere Aufteilung der Gelder und eine Neuausrichtung - auch in Sachen Öffentlichkeitsarbeit (Social Media? Internetmedien?) steuert die Formel 1 weiter mit Vollgas dem Abgrund entgegen. Klar, Geld gibt es noch von den TV-Anstalten. Doch die Top-Teams sperren sich dagegen, etwas vom Kuchen abzutreten. Schließlich wollen sie gewinnen und nicht den Kleinen helfen. Doch was passiert, wenn die Generationen wegbrechen, denen der Vater am Sonntag die Begeisterung für die vermeintliche Königsklasse vor dem TV-Bildschirm beigebracht hat?

Einen gemeinsamen Nenner wird es nie geben

Erst wenn die Formel 1 einen Weg gefunden hat, die Kosten zu verringern und die Erlöse besser zu verteilen, kann der nächste Schritt folgen: Die Attraktivitätssteigerung durch ein neues Reglement. Doch die mit demokratischen Vetorechten ausgestattete Strategiegruppe wird aufgrund ihrer egomanischen Einzelinteressen nie einen gemeinsamen Nenner finden - außer beim erschütternden Verbot wechselnder Helmdesigns. Es fehlt eine Vision, die vielleicht eine unabhängige Kommission erarbeiten und vor allem umsetzen könnte.

Die Teams würden wohl auch sie zu beeinflussen versuchen. Bleibt also nur eine Lösung: Ein einzelner, willensstarker und gleichzeitig von allen Seiten akzeptierter Unabhängiger müsste mit allen Kompetenzen ausgestattet werden, um die Formel 1 auf die Zukunft auszurichten. Ein neuer Bernie Ecclestone. Doch glaubt jemand ernsthaft daran, dass alle ihre Schäufelchen abgeben?

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