"Vettel hat mich enttäuscht"

David Coulthard landete nach Sebastian Vettels Sieg in Monaco mit ihm im Pool
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SPOX: Wie wichtig ist dabei Fernando Alonso? Er ist wohl der beste Pilot der aktuellen Fahrergeneration, aber er hat bei Ferrari sein Ziel nicht erfüllt: Weltmeister werden. Hat er Schwächen, wenn es darum geht, einen Wagen mit dem Team zu einem siegfähigen Auto weiterzuentwickeln?

Coulthard: Das ist auf jeden Fall sehr interessant. Ich stimme zu, dass er der Beste der Besten ist. Ich will dabei Sebastian Vettel, Lewis Hamilton oder anderen Fahrern nichts abreden, aber er ist seine gesamte Karriere über unglaublich beständig. Er schafft es immer, mehr Punkte zu sammeln als sein Teamkollege und ist auf der Strecke wohl eine Klasse für sich. Aber: Seine Zeit bei McLaren endete tränenreich und am Ende hat es auch bei Ferrari nicht funktioniert. Man kann es nicht verleugnen: So großartig Fernando auch ist, seine Integration ins Team birgt Explosionsgefahr.

SPOX: Wie wird sich das bei McLaren auswirken?

Coulthard: Ich glaube, er ist aufgrund fehlender Wahlmöglichkeiten bei McLaren. Das Team war nicht seine erste Wahl. Das ganze Szenario: Vettel geht zu Ferrari, Mercedes hat keinen Platz für ihn. Er hatte nicht die Wahl, woanders zu sein. Ich glaube aber, dass er im Auto 100 Prozent gibt. Wenn sie ihm eine Chance geben, dann wird er liefern. Wenn nicht - er ist genau wie Sebastian oder Lewis kein Designer. Lewis musste zu Mercedes gehen, um seinen zweiten Titel zu holen, weil es bei McLaren nicht funktioniert hat. Es ist schwer das zu beurteilen, weil man nicht weiß, was die Zukunft in Bezug auf neue Entwicklungen bringt.

SPOX: Sie haben Sebastian Vettel selbst erwähnt. Als Red-Bull-Racing-Berater kennen Sie seine Stärken. Ist er der besser geeignete Fahrer, um Ferrari wieder an die Spitze zu führen?

Coulthard: Ich glaube, er ist ein außergewöhnlicher Fahrer und findet die neuen Chancen bei Ferrari reizvoll. Er hatte bei Red Bull eine unglaubliche, vierjährige Erfolgszeit. Aber ihm hat die neue Formel 1 nicht gefallen, ihm hat die fehlende Wettbewerbsfähigkeit des Autos nicht gefallen. Offen gesagt hat er mich letztes Jahr enttäuscht. Wir wussten, dass Sebastian auf einem ganz hohen Level liefern kann - das war sicher nicht gerade seine beste Formel 1. Der Neustart wird vielleicht seine Energie und seinen Enthusiasmus wieder entzünden - ein mentaler Reset. Er ist sein Leben lang Ferrari-Fan, das ist sein Traum. Wenn jemand seinen Schwarm aus Schulzeiten küssen oder für sein Lieblingsfußballteam spielen kann, dann kann das einiges in Bewegung setzen.

SPOX: Das Interesse scheint schon jetzt zurück. Jedenfalls bedauerte Vettel, dass der Deutschland-GP in diesem Jahr wohl ausfallen wird. Monza hat für 2016 noch keinen Vertrag, Katar scheint extrem daran interessiert, nach der Handball-WM und vor der Fußball-WM auch noch ein Formel-1-Rennen zu bekommen. Was halten Sie von dem Trend, dass immer weniger Rennen in Europa stattfinden?

Coulthard: Das beunruhigt mich. Europa hat offenbar Schwierigkeiten, seine sichere Stellung im Formel-1-Kalender zu erhalten. Das ist natürlich eine Folge der international steigenden Beliebtheit. Wir sind nicht beim Super Bowl, in dem der Weltmeister gekürt wird, obwohl es eigentlich eine nationale Liga ist. Die Formel 1 ist eine echte Weltmeisterschaft. Länder auf der ganzen Welt sind scharf darauf, sich und ihre Technologien zu präsentieren, auch mit dem Bau von Rennstrecken.

SPOX: Das hört sich aber eher so an, als hätten sie kein Problem damit?

Coulthard: Es ist wichtig, das Rückgrat und die Geschichte der Formel 1 nicht zu vergessen. Es gibt einige "Vermächtnis-Grands-Prix", in welche sich Deutschland definitiv einreiht. Deutschland, Großbritannien, Italien, Belgien, Monaco und ein paar weitere gehören einfach in den Kalender. Es spricht sehr viel dafür, dass diese Strecken Teil der Weltmeisterschaft bleiben. Sollten sie bevorzugt behandelt und mehr oder weniger automatisch zugelassen werden? Ich würde sagen ja. Aber es ist eine geschäftspolitische Entscheidung. Die Formel 1 ist ein Business, so wie die Fußball-WM und die Olympischen Spiele. Am Ende ist es doch so: Einer muss das Geschäft führen. Einige werden ihm zustimmen, andere nicht.

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