Genau so muss Motorsport sein!

Ein Duell für die Ewigkeit? Nico Rosberg und Lewis Hamilton haben freie Fahrt im Mercedes
© getty

Die Saison 2014 mit den vielen Regeländerungen spalten noch immer die Gemüter. Vor dem Saisonhighlight in Monaco setzt SPOX jetzt ein klares Bekenntnis: Die Formel 1 ist wieder die echte Königsklasse des Motorsports und sie ist spannender als in den gesamten letzten 25 Jahren.

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1. Die WM bleibt bis zum letzten Rennen offen

Die Regeländerungen machen sich bezahlt. Selbst wenn Lewis Hamilton bis zur Sommerpause alle Rennen gewinnt, hat Nico Rosberg durch die doppelten Punkte beim letzten Saisonrennen noch Chancen auf die WM. Auch wenn eine Fortsetzung der Triumphfahrt nicht ausgeschlossen ist, höchstwahrscheinlich ist sie nicht. Auch der Deutsche wird irgendwann den besseren Tag erwischen, sich vor Hamilton qualifizieren und am Sonntag den Strategievorteil auf seiner Seite haben - oder er überholt ihn einfach im Rennen.

Eins ist sicher: Die aktuelle Zurückhaltung, die Rosberg und Hamilton zeigen, wenn sie sonntags aufeinandertreffen, ist bald passé. Wenn Mercedes die WM frühzeitig auch rechnerisch sicher hat, werden die Messer gewetzt. "Irgendwann wird es krachen. Die Wahrscheinlichkeit eines Crashs wird immer größer", räumt selbst Aufsichtsratschef Niki Lauda ein.

Warum die Saison 2014 nicht besser ist als gedacht: Es droht jahrelange Langeweile

Ein offener Fight zwischen zwei Teamkollegen um die WM: Gleiches Material, gleiche Chancen, keine Stallorder und zwei komplett verschiedene Charaktere - wann gab es das zuletzt? 2007 fightete Hamilton mit Fernando Alonso im McLaren bis zum Schluss, allerdings mischte da noch Kimi Räikkönen mit und fing beide ab. Ähnlich war es bei Sebastian Vettel und Mark Webber 2010, die mit Hamilton und Alonso konkurrierten.

Letztmals gaben es sich zwei Teamkollegen ohne Rücksicht auf Verluste im Saisonfinale 1989 - vor fast einem Vierteljahrhundert. Ayrton Senna vs. Alain Prost, Japan-GP in Suzuka - die beiden McLaren kollidieren, Senna gewinnt, wird wegen der verpassten Schikane disqualifiziert und verliert die WM. Dieses Rennen ist bis heute legendär und genauso können wir jetzt Geschichte erleben.

Der direkte Zweikampf in Bahrain und der Strategie-Wettkampf in Barcelona waren erst der Anfang. Professor Rosberg gegen das Jahrhunderttalent Hamilton - dieses Duell ist besser als alles, was es in den letzten 25 Jahren gab.

2. Endlich sind die umgekehrten Kampfjets weg

Die Ära Newey ist vorbei. Red Bull hat nicht mehr allein die Vormacht inne, weil die Aerodynamik des Autos dem Rest des Feldes so überlegen ist, wie ein LaFerrari einem Fiat 500 beim Viertelmeilenrennen. Endlich kann sich ein Team auch durch andere Bereiche Vorteile verschaffen: Verbrennungsmotor, Hybridsystem, ja selbst das in den letzten Jahren unwichtige Benzin können den entscheidenden Unterschied machen.

Komischerweise ist das Geschrei bei Änderungen immer riesig, dabei geht es in dieser Sportart eigentlich nur um eins: technischen Fortschritt, dafür braucht es Anpassung. 2007 wurde der Untergang der Formel 1 herbeigeschrieben, weil das Wettrüsten der Motorenhersteller beendet wurde, jetzt ist der Sport angeblich am Ende, weil Mercedes, Renault und Ferrari wieder beim Antrieb gegeneinander arbeiten.

Statt nur die Prinzipien der Luft- und Raumfahrttechnik anzuwenden, sind jetzt die gesamten Ingenieurmannschaften gefordert wie seit Jahren nicht mehr. Ein unbegrenztes Aufs-Gas-Treten ohne die Gefahr eines Drifts und des damit einhergehenden Zeitverlusts ist stinklangweilig.

Gerade in Monte Carlo hat sich dies in den letzten Jahren gezeigt: Wer vorne stand, gewann. Neunmal gewann der Polesetter in den letzten zehn Jahren. Es war nicht immer zum Einschlafen, aber ein legendärer Unfall wie Michael Schumachers Fahrfehler aus dem Jahr 1996 war kaum mehr möglich.

Statt minimale Verbesserungen zu erreichen, durften die Ingenieure für 2014 auf einem fast weißen Blatt anfangen. Die Kästchen waren durch die Forschung letzten Jahrzehnte vorgegeben, doch die genaue Umsetzung war so anspruchsvoll wie noch nie. Genau das ist der klassische Dreiklang in der Königsklasse des Motorsports: Innovation, Optimierung, Überlegenheit. Und genau das macht Mercedes mit seinem Paket zum absolutistischen Herrscher der Königsklasse.

3. Die Formel 1 besinnt sich endlich auf Fan-Wünsche

Innovationen für Technikjunkies, Verbremser und Fahrfehler für den normalen TV-Zuschauer, verschiedene Strategien für Mathematikliebhaber. Alles ist gut in der aktuellen Formel-1-Welt. Es gibt keine elendig langen Diskussionen über schlechte Reifen, die keine drei Runden halten. Es gibt keinen einzelnen Fahrer, der mal eben neun Rennen am Stück gewinnt, ohne dass sein Team per Stallorder Einfluss nimmt.

Selbst dem größten Kritikpunkt der aktuellen Saison, dem leisen Klang der Autos, nehmen sich die Teams an. In Barcelona testete Mercedes ein Megaphon am Auspuff. Dass die Tröte nicht so funktionierte, wie gedacht, vergeben und vergessen. Schuld am neuen Klang sind ohnehin nicht die Powerunits sondern der beschnittene Auspuff. Und den kriegt man angepasst, wenn man unbedingt will.

Es ist klar zu erkennen, dass die Formel 1 verstanden hat, dass sie für sich für den Zuschauer verändern muss. Die FIA arbeitet mit Soundingenieuren an einer Verbesserung des Sounds. Auch die Transparenz wird mit TV-Experten verbessert, die neue Ideen liefern. Weitere Änderungen werden also folgen und solange sie nicht den Rennsport an sich verändern, werden sie funktionieren.

4. Der Fahrer entscheidet selbst über sein Schicksal

Das Genörgel zu Saisonbeginn war groß. Nicht nur Sebastian Vettel regte sich über die veränderten Autos auf. Zu wenig Anpressdruck, zu leiser und komischer Sound. "Vielleicht hatte ich zu Beginn des Jahres wirklich Probleme, mich mit dem neuen Konzept der Formel 1 anzufreunden. Aber ich würde nun nicht daraus schließen, dass meine Motivation gelitten hätte", sagt der deutsche Vierfachweltmeister gegenüber "Speedweek" mittlerweile: "Das zeigt sich ja auch dadurch, dass ich wenig Freude daran hatte, Rennen zu verlieren."

Mittlerweile ist das Gemecker verstummt. An das Turbo-Zischen und Reifenquietschen haben sich die Zuschauer gewöhnt. Zudem drängt sich ein Verdacht auf: War die Kritik des Weltmeisters nur dadurch bedingt, dass Vettel seinen Vorteil eingebüßt hat? Gut möglich.

Warum die Saison 2014 nicht besser ist als gedacht: Es droht jahrelange Langeweile

Das Erfolgsgeheimnis der neuen Formel 1 ist aus Pilotensicht ein anderer Fahrstil, als der des Weltmeisters in den letzten vier Jahren. Der geringere Anpressdruck auf der Hinterachse durch den fehlenden Beam-Wing, das größere Drehmoment durch die Turboaufladung und das Hybrid-System die Piloten stehen vor ganz anderen Aufgaben. Und das ist auch gut so.

Klar, noch immer gewinnt kein Hinterbänkler bei trockenem Wetter auf einer normalen Rennstrecke. Doch immerhin sind die Piloten wieder gefordert. Nichts ist langweiliger als auf Schienen fahrende Superautos, die eigentlich zu schnell für die alten Strecken sind. Eau Rouge, Monaco und die S-Kurven in Suzuka sind endlich wieder richtige Herausforderungen.

"Wartet mal eine Minute", sagte Ex-F1-Fahrer Derek Warwick kürzlich: "Zum ersten Mal seit langer Zeit sehe ich Racer - die besten der Welt - die Autos fahren, die sie beißen. Die Wagen haben zu viel Power und nicht genug Downforce. Das ist fantastisch!" Genau so muss die Formel 1 sein!

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