Kontrollierte Euphorie

Von Johannes Mittermeier
Grund zur Freude hatte Nico Rosberg zuletzt öfter - der Mercedes-Pilot kämpft um die WM
© getty

Mercedes hat sich endgültig vom Mittelmaß der Formel 1 abgesetzt. Parallel mit der Entwicklung des Werksteams ist auch Nico Rosberg gereift. Vor dem Bahrain-GP (alle Sessions im LIVE-TICKER) sind die Titel-Aussichten rosig wie nie, doch Rosberg kann die Lage einordnen. Optimismus ja, Begeisterungsstürme nein.

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Nico Rosberg ist ein diplomatischer Mensch geworden. Es hat seine Zeit gebraucht, aber inzwischen scheint die Entwicklung abgeschlossen. War es einst so, dass er den störrischen Dienstwagen als "Katastrophe" bezeichnete, findet Rosberg heute weise Worte. Auch bei Themen, die das Potential zum Sprengstoff bergen.

Über die leidige Stallorder-Geschichte vom Vorjahr möchte er nicht reden, sagte der Mercedes-Pilot in Malaysia in einer Gesprächsrunde mit SPOX-Beteiligung. Bei der 2013er Auflage musste Rosberg an gleicher Stelle Teamkollege Lewis Hamilton den Vortritt gewähren. Hamilton wurde unglücklicher Dritter, Rosberg unglücklicher Vierter. Der silberne Hauskrach schien programmiert.

"Racing pur, Überholmanöver, Fights!"

Aber er kam nicht zur Entfaltung. Noch nicht? Bisher ist Mercedes das dominierende Team der Saison 2014. Rosberg und Hamilton haben je ein Rennen gewonnen, der Deutsche führt die WM mit 43 zu 25 Punkten an. Kann Mercedes seine Vormachtstellung konservieren, ruft diese Konstellation zwangsläufig Krisenherde hervor.

"Wir wollen ein gutes Rennen und vor allem eine gute Show abliefern", bemerkt Rosberg: "Mit Racing pur und Überholmanövern und Fights. Das wird noch kommen." In Australien verhinderten Motorenprobleme bei Lewis Hamilton das Duell um den Rennsieg. Zuletzt in Malaysia war der Brite eine Klasse für sich: Pole Position, schnellste Runde, 18 Sekunden Vorsprung im Ziel - auf Rosberg, der als Zweiter den ersten Mercedes-Doppelerfolg seit 1955 sicherstellte.

Angesichts der Überlegenheit drohen innerbetriebliche Konflikte. Als Rosberg in Malaysia 2013 zurückgepfiffen wurde, biss er sich öffentlich auf die Zunge. Doch seine Verstimmung war zu spüren. "Merkt euch das", zischte er bei der Zieldurchfahrt via Funk an den Kommandostand. Keine schöne Kunde für die Außendarstellung im Marketingkosmos, fast so schlimm wie ein "katastrophales" Auto.

110 Mal probiert...

Ein Jahr später hat Rosberg dazugelernt. Gekonnt umkurvte er die Frage, ob die Mercedes-Stärke neue, verschärfte Zankereien unter den Piloten provozieren werde. "Für Mercedes ist es das beste Marketing, wenn wir auf der Strecke gegeneinander um Siege kämpfen. Etwas Besseres gibt es nicht für die Zuschauer!"

Und für Rosberg persönlich auch nicht. Er brauchte lange, um im Konzert der Großen mitzuspielen. Das lag nicht nur an ihm, aber in Statistikbüchern tauchen die Zwischengeräusche nicht auf. Wie zementiert stand dort geschrieben: Nico Rosberg, null Siege. Dass Mercedes ein Werksteam im Aufbau war, dass er Rekordweltmeister Michael Schumacher über drei Jahre die Stirn bot, das hätte das sorgsam gezeichnete Bild vom "ewigen" Talent zerrütten können.

"Ich bin völlig zufrieden, wie es gelaufen ist. Aus schwierigen Zeiten lernt man das meiste", sagt Nico Rosberg heute. Nur die Sache mit der Sieglosigkeit stört ihn ein wenig: "Ich hätte lieber früher gewonnen, das hat sehr lange gedauert. Gewinnen ist das Schönste am Sport, das sind so viele Emotionen, das ist so genial!"

Nach 110 vergeblichen Versuchen wurde er beim China-GP 2012 Erster. Endlich. In der Saison 2013 folgten zwei weitere Siege in Monaco und Silverstone und es gab nicht wenige, die den Deutschen damit in den Kreis der Titelanwärter aufnahmen.

"Es macht Spaß"

Am Ende der Saison 2013 reichte es trotzdem nur zu WM-Rang sechs. Zudem schwebte die malaysische Stallregie über dem Binnenverhältnis bei Mercedes wie ein unsichtbares Fanal. Erneut sahen sich all jene bestätigt, die Rosbergs Eignung als Teamleader anzweifelten.

Abgesehen von der Malaysia-Affäre, die im Schatten der Red-Bull-Order stand, kamen sich Lewis Hamilton und Nico Rosberg 2013 nicht wirklich in die Quere. Mercedes war noch nicht bereit, um regelmäßig ein Sieganwärter zu sein. Das ist nun anders, zumindest in der Saisonanfangsphase. "Ich fühle mich wohl im Auto, kann alles rausholen. Das Paket stimmt einfach. Es macht Spaß", sagt Rosberg.

Auch sein eigenes Standing habe sich verbessert. Der Respekt sei mit dem Erfolg verknüpft, bemerkt der 28-Jährige. Wichtig bleibe allerdings, "das Beste mit dem Team zu schaffen."

Spritsparmodus in Reinkultur

Womit sich wieder der diplomatischen Nico Rosberg in Szene setzt. Er war stets ein gutes, ist jetzt aber ein perfektes Aushängeschild für den Weltkonzern Mercedes. Jung, frisch, smart - und erfolgreich. Doch neben dem Champagner-Duft bleibt eine Frage offen: Wann kommt es zur ersten Auseinandersetzung der beiden Mercedes-Piloten?

Hamilton versus Rosberg, das könnte 2014 der Kampf um die WM-Krone werden. Der Deutsche schränkt jedoch ein: "Red Bull ist weiter die Messlatte. Mit denen muss man immer rechnen."

Mit Mercedes neuerdings ebenfalls. Die schwäbisch-britische Connection hat zwei Siegfahrer am Steuer und dazu einen Wagen gebaut, der alle Unwägbarkeiten des Reglements zu vereinen scheint. Viele glauben, dass die Silbernen ihre Möglichkeiten bei weitem nicht ausgereizt haben - sozusagen ein Spritsparmodus in seiner reinsten Form.

Personifizierter Zweckoptimismus

Überlegenheit ist ein ungewohntes Gefühl für Nico Rosberg, umso intensiver schöpft er die Situation aus: "Ich genieße es. Das ist so cool, einen so schnellen Silberpfeil zu haben", sagt er und wirkt dabei nahezu so euphorisch wie früher, als Zweckoptimismus zur Methode wurde. Dann aber, und das ist der Unterschied, zieht Rosberg geschwind die Handbremse: "Ich habe schon öfters gelernt, dass man nicht übereifrig werden soll."

Dass Mercedes der Favorit auf den Titel ist, lässt sich dennoch nicht bestreiten. "Wir sind als Team gereift", konstatiert Nico Rosberg und könnte selbiges über sich sagen. Rosberg ist Laureus-Botschafter, Ehemann in spe, voll in der Formel 1 involviert.

Die Zeiten, als ihn das Fahrerlager wegen seiner ausschweifenden Haarpracht mit dem Kosenamen "Britney" betitelte, sind lange vorbei. Nico Rosberg wird ernst genommen, 2014 erst recht. So wird Jugendfreund Lewis Hamilton vom Kollegen zum Konkurrenten. Das sind die Mitbringsel der Konkurrenzfähigkeit.

Der neue Rosberg

Und auch die Mercedes-Marketingabteilung wird erleichtert aufatmen. Rosberg hat die Gesetze der Branche verinnerlicht, deshalb kann er sich erlauben, einen Gang hoch zu schalten: "Natürlich gibt es kleine Bereiche, bei denen das Team Priorität über den Fahrern hat. Das haben wir durchdiskutiert, jeder weiß, wo er steht. Und das ist auch gut so."

Der neue Nico Rosberg: Selbstüberzeugt, aber nicht arrogant. Teamfähig, aber nicht devot. Fokussiert, aber nicht eindimensional. Er kennt die Werte, die Sport vermitteln kann: "Teamgeist, wie man sich gegenüber anderen verhält, Respekt gegenüber, das lernt man perfekt im Sport."

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