Red Bull gibt seine größte Stärke auf

Von Alexander Maack
Sebastian Vettel (r.) will Fernando Alonso beim Wüstenrennen in Bahrain wieder hinter sich lassen
© getty

Während der Formel-1-Zirkus in Sakhir Station macht, spitzt sich in der 30 Kilometer entfernten Hauptstadt Manama die Lage vor dem Großen Preis von Bahrain weiter zu. Sportlich belastet der Wüstenkurs Fahrer, Motoren und Reifen extrem. Red Bull plant deshalb offenbar, die Autos von Weltmeister Sebastian Vettel und Teamkollege Mark Webber umzubauen, um den Reifenverschleiß endlich in den Griff zu bekommen.

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Nach dem China-Grand-Prix hatte der Weltmeister aus Heppenheim lautstark über die stark abbauenden Reifen geklagt und dabei vergessen, dass einige Piloten damit wesentlich besser zurechtkommen. Red Bull hat sich daher nun offenbar dazu durchgerungen, das Erfolgsrezept der letzten Jahre vorerst aufzugeben.

Bisher sicherte sich das Team aus Milton Keynes mit starken Leistungen im Qualifying regelmäßig die vordersten Plätze in der Startaufstellung. Die Autos waren auf hohe Kurvengeschwindigkeit optimiert. In diesem Jahr kehrte sich der Vorteil aber um und schwächte die Fahrer, da die sensiblen Pirelli-Slicks noch stärker belastet wurden. Der RB9 fraß in Shanghai die weichen Slicks wegen seines Tempos förmlich auf.

"Grob erklärt, ist das Auto nicht anders als letztes Jahr", erklärte Vettel. Das Red-Bull-Problem liege lediglich darin, "dass wir bei zwei aus drei Rennen mehr Probleme hatten, die Reifen am Leben zu erhalten".

Red Bull kopiert Ferrari

Deshalb will Red Bull nun offenbar Ferrari kopieren. Vettel und Teamchef Christian Horner redeten über Änderungen am Setup. Der RB9 soll mit höherer Spitzengeschwindigkeit auf den Geraden und weniger Anpressdruck die Slicks schonen. Die Konkurrenz von Ferrari hat das Reifenmanagement schon über längere Zeit optimiert und verzichtete dafür im Vorjahr oftmals auf einen der vordersten Startplätze.

In die Favoritenrolle für Bahrain will sich die Scuderia trotz der überragenden Shanghai-Leistung von Fernando Alonso, der wie Webber am Sonntag in sein 200. Rennen starten wird und unter der Woche gemeinsam mit dem Australier Essen ging, unterdessen nicht drängen lassen.

"Die Bedingungen werden vollkommen anders sein, mit deutlich höheren Temperaturen. Das sollte Einfluss auf die Leistung der Reifen haben", erklärte Teamchef Stefano Domenicali. Auch wenn Ferrari bisher vier von acht Rennen in Bahrain gewann, hat das Ergebnis von 2012 Spuren hinterlassen. Im Vorjahr belegten bei Vettels Sieg die vier von Renault angetriebenen Autos von Red Bull und Lotus die ersten vier Plätze.

Kimi Räikkönen strebt zweiten Saisonsieg an

Die Lotus-Truppe aus Enstone plant nun den nächsten Coup. "Auf der Strecke habe ich noch nie gewonnen. Das könnte sich dieses Jahr ändern", sagte Kimi Räikkönen optimistisch. Die gute Balance seines E21 hilft ihm dabei. Für das Herausbeschleunigen aus den engen Kurven ist mechanischer statt aerodynamischer Grip nötig.

Zudem kommt es abermals auf die Reifen an, die Räikkönen bekanntlich aktuell wie kein anderer schonen kann. Schon vor dem Rennen in Malaysia entschied Pirelli, die beiden härtesten Reifenmischungen nach Bahrain zu liefern. Eine erste Reaktion auf den Saisonstart. Ursprünglich wollte der F-1-Monopolist in Sakhir die Soft- statt der Medium-Slicks fahren lassen.

Dennoch wird die Anzahl der Boxenstopps wahrscheinlich nicht abnehmen. Temperaturen von 35 Grad Celsius und die Streckencharakteristik sind eine echte Extrembelastung. Durch den Staub, der regelmäßig von den umliegenden Sanddünen auf die Strecke geweht wird, sinkt zudem die Bodenhaftung.

Vettel: "Jedes Auto ist ein kleiner Staubsauger"

Die Gefahr des Sandes: Die Pneus drehen beim Beschleunigen aus den engen Kurven durch, was ihr Inneres noch stärker aufheizt und den Verschleiß weiter erhöht. "Solange wir fahren, ist das nicht so schlimm. Jedes Auto ist ein kleiner Staubsauger", beruhigte Vettel.

Der 25-Jährige sieht ein anderes Problem, denn aktuell sind starke Winde angekündigt. "Man hat gesehen, dass bei manchen Rennen die Autos sehr sensibel reagieren, wenn es sehr windig ist", so Vettel. Das richtige Anbremsen der Kurven würde dadurch massiv erschwert.

Abgesehen von den klimatischen Bedingungen wartet auf die Teams an diesem Woche insgesamt eine vollkommen neue Herausforderung: Weniger schnelle Kurven, dafür Maximalbelastung für die Bremsen. Viermal pro Runde verzögern die Fahrer von etwa 300 Stundenkilometern in den ersten oder zweiten Gang.

Mercedes beendet Testprogramm

Unterdessen sind auch die Silberpfeile von Lewis Hamilton und seinem Partner Nico Rosberg an diesem Wochenende wieder ein Kandidat für die Pole-Position. Auch wenn Hamilton unter der Woche seine Meinung revidierte und erstmals vom Titelkampf sprach, geht es für Mercedes vorerst darum, den Aufwärtstrend zu bestätigen.

"Bahrain ist das letzte Rennen eines Quartetts", sagte Teamchef Ross Brawn "Autosport": "Es wird uns endgültig zeigen, ob wir ein Auto haben, das wir auf den meisten Strecken zum Arbeiten bringen können."

Ob es auch im Rennen für eine gute Vorstellung reicht? Rosberg, der bei den ersten Rennen zweimal ausschied, ist skeptisch: "Mit den Hinterreifen wird es sehr schwer werden und unsere größte Aufgabe ist es, da das Beste aus der Situation zu machen."

"Gewalt erzeugt Gegengewalt"

Neben den sportlichen Ereignissen, werden auch die politischen Entwicklungen die Gespräche am Wochenende bestimmen. An der Rennstrecke wird es durch massive Präsenz der Sicherheitskräfte wahrscheinlich ruhig bleiben, auch wenn die Opposition in Bahrain zum "Vulkan des Zorns" aufrief.

Die schiitische Bevölkerungsmehrheit wird versuchen, durch die gesteigerte Medienpräsenz die Aufmerksamkeit auf ihre Interessen zu lenken. Sie wünscht sich mehr Rechte, als die sunnitische Herrscherfamilie Al-Khalifa zugestehen möchte. Letztere reagierte auf Demonstrationen immer wieder mit drakonischer Gewalt.

"Wir sind nicht gegen den Grand Prix, aber wir wollen, dass die Welt unsere Forderungen hört - Demokratie, Achtung der Menschenrechte und eine gewählte Regierung", sagte Khalil al-Marzooq, einer der Führer der wichtigsten Oppositionspartei von Bahrain.

Polizei setzt Tränengas ein

Obwohl er sich für friedliche Proteste aussprach, konnte al-Marzooq eine weitere Eskalation nicht ausschließen: "Gewalt erzeugt Gegengewalt." Am Donnerstag ging die Polizei mit Tränengas und Blendgranaten gegen die Demonstranten vor.

Ablehnung gibt es dafür kaum. "Das hat nichts mit Demokratie zu tun, das ist Terrorismus. Darüber kann es keine zwei Meinungen geben", sagte der Vorsitzende des Bahrain International Circuit, Zayed Alzayani, über die Demonstranten.

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