Sebastian Vettel: "Ich habe es verbockt!"

Von Alexander Maack
Die beiden Red-Bull-Piloten lieferten sich in der Schlussphase des Rennens einen erbitterten Fight
© getty

Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel kann vorerst wohl keine Hilfe von Red-Bull-Teamkollege Mark Webber erwarten. Der Australier ist nach dem Überholmanöver in Kuala Lumpur sauer. Auch das Team kritisiert den amtierenden Weltmeister, der einräumt, es übertrieben zu haben.

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Der Frust saß tief. "Am Ende hat Sebastian heute seine eigene Entscheidung getroffen und wird vom Team wie üblich geschützt werden. So läuft das immer", sagte Webber nach dem kontroversen Überholmanöver seines Teamkollegen und dem daraus resultierenden zweiten Platz des Australiers auf dem Sepang International Circuit.

Dabei war Vettel beim zweiten WM-Lauf der Saison 2013 eindeutig der schnellere der beiden Red-Bull-Piloten. Die Führung verlor er beim ersten Boxenstopp nur, weil sein Team ihn eine Runde zu früh von Regen- auf Trockenreifen wechseln ließ. Fortan fuhr der Australier an vorderster Stelle der Spitzengruppe.

Allerdings lag der amtierende Weltmeister durchgehend in Schlagdistanz zu Webber und wollte sein Team schon früh davon überzeugen, dass ihm die Führung zustehe. "Mark ist zu langsam. Nehmt ihn aus dem Weg. Er ist zu langsam", funkte der Heppenheimer in Runde 28 an die Box. Die klare Antwort: "Sei ruhig. Es ist erst das halbe Rennen rum." Webber verschärfte danach das Tempo und konnte sich wieder absetzen.

Die Probleme begannen erst, als sich der Heppenheimer nach Webbers vierter Fahrt an die Box direkt hinter ihm einreihte. Vettel hatte seine Reifen durch den Stopp eine Runde zuvor bereits auf Betriebstemperatur gebracht. Folglich attackierte der 25-Jährige den Teamkollegen vehement, konnte sich aber keinen entscheidenden Vorteil verschaffen und blieb Zweiter.

Webber: Das Rennen war schon vorbei

Der Australier ging anschließend davon aus, dass er beruhigt zum Sieg fahren könne. "Nach dem letzten Stopp hat das Team mir gesagt, dass das Rennen vorbei sei und wir haben den Motor runtergeregelt", erklärte der Australier sichtlich verstimmt. Red Bull hatte beschlossen, mit verringerter Drehzahl und durch früheres Schalten das Renault-Aggregat zu schonen. Die Piloten sollten die verbleibenden Runden kontrolliert zu Ende fahren.

Der eigentliche Grund für das Einbremsen der Fahrer waren aber die bisher unkalkulierbaren Gummimischungen, um die sich Teamchef Christian Horner sorgte. "Wir hatten uns Sorgen über den Reifenverschleiß gemacht. Ich muss gestehen, dass es außer Kontrolle geriet", gab Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko zu: "Christian bemerkte, dass wir auf die Reifen aufpassen müssen und die Positionen halten wollen."

Für Red Bull wäre Vettels erfolgreiches Überholmanöver in der 46. von 56 Runden fast zum Verhängnis geworden. Webber verteidigte seine Führung zuvor auf der Innenseite zur ersten Kurve, Vettel setzte sich zwischen ihn und die Boxenmauer.

Der Australier bemerkte den Heppenheimer im letzten Moment und steuerte seinen RB9 nach links. Andernfalls wäre eine Kollision wahrscheinlich gewesen. Technik-Direktor Adrian Newey hatte sich am Kommandostand kopfschüttelnd die Hände vors Gesicht gehalten.

Teamchef Horner kritisiert Vettel

"Wir sehen nicht die 25 Punkte für den Sieg, sondern die 43, die möglich sind", kritisierte Horner den Dreifachweltmeister verärgert: "Zu dem Zeitpunkt war es den Fahrern wichtiger, wie sie selbst dastehen. Sie haben das Team hinter ihre eigenen Bestrebungen gestellt." Der Teamchef fühlte sich an den Großen Preis der Türkei 2010 erinnert, als Vettel und Webber kollidierten und sich so selbst den sichergeglaubten Doppelsieg nahmen.

Dieses Mal hatte das Team eigentlich vorgesorgt. "Mir wurde zweimal rückversichert, dass wir unsere Autos nicht gegenseitig aufreiben würden, denn dann hätten wir leicht ohne Punkte für das Team dastehen können", so Webber. Dass Vettel nichts von der Strategie des sicheren Doppelsiegs wusste und deshalb weiter attackierte, dementierte Teamchef Horner: "Wir haben es beiden Fahrern klar gesagt. Sebastian hat sein Interesse über das des Teams gestellt. Das Team wollte die maximal möglichen Punkte holen, er die 25 für den Sieg."

Direkt nach dem Rennen, versuchte Vettel die Wogen innerhalb des Teams zu glätten. "Ich habe einen Fehler gemacht und möchte mich entschuldigen. Ich sehe, Mark ist sauer. Er wollte das Auto und die Reifen schonen, ich hätte meinen Platz halten sollen. Ich bin ein großes Risiko eingegangen, um ihn zu überholen." Sein eindeutiges Fazit: "Ich habe es verbockt!"

Webber nimmt Entschuldigung nicht an

Der aufgebrachte Webber wollte die Entschuldigung allerdings nicht annehmen. "Im Moment ist alles noch sehr frisch", erklärte der 36-Jährige: "Wir hatten vor dem Rennen einen Plan. Bei uns ist es vor den meisten Rennen der Fall, dass wir uns darüber unterhalten, wie wir uns in gewissen Situationen verhalten. Ich sollte jetzt besser nichts mehr sagen, glaube ich..."

Das knallharte Manöver könnte für den deutschen Dreifachweltmeister unterdessen im Saisonverlauf noch zum Verhängnis werden. Die Teams liegen eng beieinander. Ein ähnlich enger Kampf um den WM-Titel wie im vergangenen Jahr scheint auch 2013 möglich. Auf die Unterstützung seines Teamkollegen wird Vettel nun wohl vorerst verzichten müssen.

Wie es sich auswirken kann, wenn zwei Piloten innerhalb eines Teams gegeneinander arbeiten, zeigten Vizeweltmeister Fernando Alonso und der heutige Mercedes-Pilot Lewis Hamilton 2007 bei McLaren. Beide nahmen sich gegenseitig Punkte weg und lagen am Ende der Saison punktgleich auf Platz zwei der Fahrer-WM. Als lachender Dritter holte damals Kimi Räikkönen in Diensten von Ferrari mit einem Zähler Vorsprung den Titel.

Lauda: "Vettel hat mir viel zu sehr herumgeeiert"

Bei der Konkurrenz dürfte man sich ob des Zwists bei Red Bull die Hände reiben. "Sebastian hat sich entschuldigt. Das bringt dem Mark aber überhaupt nichts. Der Kampf geht weiter, das steht außer Frage", erklärte Mercedes' Aufsichtsratsvorsitzender Niki Lauda in seiner Funktion als "RTL"-Experte: "Der hat mir viel zu sehr herumgeeiert. Er hätte es besser rüberbringen können."

Im Gegensatz zu Vettel zeigten die Mercedes-Piloten Lewis Hamilton und Nico Rosberg, wie sich ein Fahrer als Teamplayer verhält. "Ich muss mich auch bei Nico bedanken. Er fuhr das Rennen cleverer und kontrollierter als ich und hätte meinen Platz auf dem Podium heute verdient gehabt", sagte Hamilton, dessen aggressiver Kampf gegen die Red Bull ihn in den Schlussphasen zum Sprit sparen zwang.

Rosberg war deutlich schneller, begnügte sich nach mehreren Funksprüchen seines Teamchefs Ross Brawn aber mit dem vierten Rang. "Natürlich war das hart für Nico und ich verstehe seine Enttäuschung", sagte Brawn: "Aber wir haben jetzt ein Auto, mit dem wir vorne mitkämpfen können. Es werden sich in dieser Saison noch viele Möglichkeiten ergeben, um gute Resultate zu erzielen."

Rosberg: "Das macht man so"

Dem schloss sich der zurückgehaltene Rosberg an. "Das ist auch normal, das macht man so", sagte der gebürtige Wiesbadener: "Wenn es in Zukunft mal andersherum ist, dann weiß ich, dass es wieder so gehandhabt wird." Per Boxenfunk hatte Rosberg nach der Zielüberquerung gesagt, er werde sich die Entscheidung merken. "Ich möchte, dass sie sich daran erinnern. Ich habe Fairplay gespielt und will, dass man sich das merkt", erklärte der 27-Jährige.

Dass sich Webber beim nächsten Grand Prix in China in drei Wochen an Vettels Manöver erinnert, ist klar. Ob er es bis dahin abgehakt hat? Er will vorerst nach Australien zurückkehren. "Ich glaube, das wird eine gute Medizin für mich sein. Ich muss aber gestehen, dass mir während der letzten 15 Runden des Grand Prix' viele Dinge durch den Kopf gegangen sind. Ob die Medizin ausreichend ist, werden wir sehen."

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