"Mercedes hat sich keinen Gefallen getan"

Von Interview: Alexander Maack
Michael Schumacher verliert sein Mercedes-Cockpit. Bisher zeigt kein Top-Team zeigt Interesse
© xpb

Strietzel Stuck kann die Entscheidung von Mercedes nicht nachvollziehen, den Vertrag mit Michael Schumacher nicht zu verlängern. Für ihn war die Fahrer-Paarung mit Nico Rosberg perfekt. Der ehemalige Formel-1-Fahrer erwartet, dass Rosberg und Lewis Hamilton sich im nächsten Jahr "schwer an die Karre gehen".

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SPOX: Herr Stuck, seit letztem Freitag ist bekannt, dass Mercedes AMG in der kommenden Saison mit Lewis Hamilton und Nico Rosberg an den Start geht. Wie haben Sie die Entscheidung, Michael Schumachers Vertrag nicht zu verlängern, aufgenommen?

Hans-Joachim Stuck: Ich war geschockt. Ich hab's am Abend zuvor erfahren und konnte es eigentlich gar nicht glauben. Wenn die Entscheidung wirklich von Mercedes ausging, den Vertrag von Michael Schumacher nicht zu verlängern, ist das für mich nicht nachvollziehbar. Ich finde, Schumacher hat eine absolute Berechtigung, im Mercedes-Team zu sein.

SPOX: Während der letzten Zeit kam allerdings auch Kritik auf.

Stuck: Michael Schumacher hat Nico Rosberg Paroli geboten. Er hat ihn geschlagen. Er ist in diesem Jahr auf der schwierigsten Strecke in Monaco zur Pole Position gefahren. Er hat aus einem unterlegenen Auto wirklich das Maximale herausgeholt. Es ist ein unverdienter Lohn für seine Arbeit, wenn die Trennung von Mercedes ausging.

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SPOX: Würden Sie es denn verstehen, wenn sich Mercedes dafür entschieden hat, mit der Fahrer-Paarung seine Zukunftsperspektive zu verbessern und einen jungen Fahrer zu verpflichten?

Stuck: Sie haben ja schon einen. Ich fand die Konstellation perfekt. Nico Rosberg, der in diesem Jahr seinen ersten Grand Prix gewonnen hat und Michael Schumacher, der eine Formel-1-Lichtgestalt ist und für jedes Team ein unglaublicher Zugewinn wäre. Ich finde es rein taktisch unklug, einen Hamilton und einen Rosberg zu paaren. Die werden sich schwer an die Karre gehen. Für mich ist Hamilton mit Sicherheit einer der schnellsten Formel-1-Fahrer. Aber mir fehlt bei ihm die Konstanz. Ich glaube nicht, dass Mercedes sich damit einen Gefallen getan hat.

SPOX: Also gehen Sie davon aus, dass sich Rosberg und Hamilton ähnlich behindern könnten, wie Fernando Alonso und Hamilton 2007 bei McLaren?

Stuck: Richtig. Ich bin zwar nicht der Herr Mercedes, ich verstehe die Hintergründe nicht. Sie werden sicher einen Grund haben oder es argumentieren können. Aber aus meiner bescheidenen Sichtweise ist es einfach nicht nachvollziehbar.

SPOX: Zumal Michael Schumacher auch als einer der Fahrer gilt, die ein Auto in Zusammenarbeit mit den Ingenieuren am besten weiterentwickeln können.

Stuck: Absolut. Das ist keine Frage. Zumal die Paarung Ross Brawn/Michael Schumacher bisher als Erfolgsgarant gegolten hat. Klar ist auch, dass Ross Brawn nicht 365 Tage im Jahr ein Genie ist. Dieses Jahr war das Auto nicht der große Wurf. Aber über das Jahr hat man auch nicht so viele Möglichkeiten, die Probleme auszumerzen. Sie waren aber auf dem richtigen Weg und ich bin mir sicher, dass sie nächstes Jahr bei Mercedes ein Auto haben werden, das funktioniert. Für Michael Schumacher ist es wirklich dumm gelaufen, was die Performance des Autos angeht.

SPOX: Wie viel Einfluss hat der Fahrer denn eigentlich bei den wenigen Testmöglichkeiten noch?

Stuck: Ich würde sagen, er ist noch wichtiger als früher. Er hat gar nicht die Zeit, sich in den unzähligen Tests auf das Auto einzustimmen und etwas auszuprobieren. Ein Fahrer ist heute viel schneller gefordert, noch präzisere Angaben zu machen. Man hat weniger Raum für Fehler, man hat weniger Raum, neue Konstruktionen auszuprobieren. Genau deswegen ist ein Schumacher auch Gold wert. Er hat seinen Popometer. Er weiß, wie er ein Auto fahren muss, damit es schnell ist. Zudem ist der Link von Schumacher zu Ross Brawn ein unschlagbarer Wert. Wenn die Basis des Autos besser gewesen wäre, hätte er schon längst Rennen gewonnen. Das ist gar keine Frage.

SPOX: Zumal Mercedes seit geraumer Zeit mit dem Reifenverschleiß kämpft und die Fortschritte nicht so groß sind wie erhofft.

Stuck: Richtig. Und da muss ich eines sagen: Diese Argumente, die ich im Boulevard gelesen habe, ob er zu alt zum Rennen fahren sei oder eine Brille brauche, das ist eine Unverschämtheit. Das ist einem Michael Schumacher unwürdig. Er hat in diesem Jahr bewiesen, dass er zur absoluten Spitze gehört. Das ist absolut unterirdisch, was da geschrieben wurde. Das ist absolut unbegründet.

SPOX: Ausgelöst wurden die Schlagzeilen von dem Auffahrunfall in Singapur.

Stuck: Das war eine Verkettung unglücklicher Umstände. Es fährt doch keiner einem anderen absichtlich hinten drauf. Michael Schumacher hat gesagt, dass er nicht später gebremst hat. Vielleicht hat der vor ihm einfach früher gebremst. Das kann keiner mehr ganz genau nachprüfen. Auch die Bestrafung ist ungerecht. Wenn wir in der Formel 1 anfangen, so strenge Regeln aufzustellen, brauchen wir kein Rennen mehr fahren und können das Ergebnis schon vorher auswürfeln. Es ist immer noch Motorsport. Dass da einer dem anderen in die Karre fährt, liegt in der Natur der Sache.

SPOX: Immerhin wurde Romain Grosjean nach dem Startcrash in Spa für das ganze Monza-Wochenende gesperrt.

Stuck: Es gibt Manöver, die bestraft werden müssen. Das ist richtig. Dass man im nächsten Rennen zehn Plätze zurückversetzt wird, wenn man dem anderen hinten drauf fährt, finde ich absolut überzogen. Da wird der Fahrer zweimal bestraft. Einmal, weil das Auto kaputt ist, er das Rennen nicht zu Ende fahren kann und wichtige Punkte weggeschmissen hat. Und mit der Strafversetzung ist das nächste Rennen dann auch im Arsch.

SPOX: Sauber hat mittlerweile bestätigt, dass man sich mit einer Verpflichtung des Rekordweltmeisters auseinandersetzt. Denken Sie, dass das eine Option für Schumacher ist und er weiter in der Formel 1 fährt?

Stuck: Ich hoffe es persönlich sehr. Aber ich wünsche Michael auch von Herzen, dass er in einem ordentlichen Auto sitzt. Da muss man einfach sagen, dass Sauber nichts für Michael Schumacher ist, obwohl sie sicher einen super Job machen. Wenn Michael weiterfährt, gibt es nur ganz, ganz wenige Möglichkeiten. Zum einen ist das Ferrari. Das bezweifle ich aber. Die andere Möglichkeit wäre Lotus. Danach wird die Luft aber schon verdammt dünn. Da muss er sich sehr scharf überlegen, was er jetzt tut.

SPOX: Zumal er zuletzt betonte, dass es ihm nur noch um den Spaß geht.

Stuck: Sicher, aber Spaß wird er nur haben, wenn er auf dem Podium steht. Er sollte mal mit seinem Bruder Ralf in der ADAC GT Masters starten. Da könnten sie zusammen Spaß haben.

SPOX: Oder vielleicht in der DTM? Da könnte er bei Mercedes bleiben.

Stuck: Das wäre schon cool. Aber das glaube ich nicht. Als siebenfacher Weltmeister tut man sich das nicht mehr an.

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