Ferrari fordert weitreichende Konsequenzen

Von Alexander Mey
Romain Grosjean flog beim Startcrash in Spa über den Ferrari von Fernando Alonso
© spox

Der Startcrash beim Belgien-GP in Spa und seine Folgen: Ferrari fordert weitreichende Konsequenzen, Fernando Alonso ist froh, gesund zu sein, Romain Grosjean wurde drakonisch bestraft und Sebastian Vettel freut sich über die unverhoffte Trendwende im Titelrennen.

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Behinderung von Nico Hülkenberg im Qualifying: drei Startplätze Strafe. Fehlstart: fünf Startplätze Strafe für Monza. Timo Glock ins Heck gerauscht: noch mal fünf Startplätze Strafe für Monza. Pastor Maldonado hat in Spa wirklich alles gegeben, der Titel "Buhmann des Belgien-GP" ging trotzdem unumstritten an einen anderen. Romain Grosjean.

Seine rücksichtslose Fahrweise am Start des Rennens löste einen Crash aus, wie ihn die Formel 1 schon länger nicht mehr gesehen hat. Vielleicht war auch deshalb die erste Aufregung so groß.

Lauda ledert los, Kritik auch von Surer

Bei Ex-Weltmeister Niki Lauda zum Beispiel, der sich ob der Tatsache, dass Grosjean Lewis Hamilton abgedrängt und damit eine Kettenreaktion in Gang gesetzt hatte, die vier Top-Autos aus dem Rennen riss, kaum beruhigen konnte: "Ist der dumm? Der soll mal seine Marille einschalten! Was da hätte passieren können! Ich glaube, es war das sechste Mal in dieser Saison. Der gehört in meinen Augen gesperrt!"

Sein Experten-Kollege Marc Surer war ähnlicher Meinung, drückte sich bei "Sky" aber sehr viel diplomatischer aus: "Er ist sehr oft in so etwas involviert. Diesmal war es so eindeutig und unnötig. Es war nicht so, dass er eingeklemmt war. Er fuhr einfach rüber und hat den anderen gerammt."

Drakonische Strafe für "sehr ernsten Fehler"

Die Rennkommissare stimmten den Experten zu und sperrten Grosjean für das kommende Rennen in Monza. Zudem muss er 50.000 Euro Strafe zahlen. Kein Einspruch - weder von ihm noch vom Team. "Die Stewards stellen fest, dass das Team zugegeben hat, das sein Fahrer einen sehr ernsten Fehler begangen und die Situation völlig falsch eingeschätzt hat", hieß es in einem offiziellen Statement. "Weder der Fahrer noch das Team haben eine Milderung der Strafe beantragt."

Einige Stunden später folgte Grosjeans Schuldeingeständnis: "Ich habe einen Fehler gemacht und den Abstand zu Lewis falsch eingeschätzt. Ich war mir sicher, schon vor ihm zu sein. Es war bestimmt nicht meine Absicht, Lewis in die Mauer zu drängen. Es tut mir sehr, sehr leid und ich bin froh, dass niemand verletzt wurde. Ich habe in dieser Saison schon zu viele Fehler gemacht und ich bin am meisten sauer auf mich selbst."

Nach Ansicht der TV-Bilder bestand kein Zweifel an der alleinigen Schuld von Grosjean an dem heftigen Startcrash, der mit Fernando Alonso und Lewis Hamilton gleich zwei WM-Anwärter aus dem Rennen gerissen hat.

Alonso mit Schmerzen, aber generell okay

Bitter für beide. Für Alonso, weil sein Vorsprung in der Fahrerwertung von 40 auf 24 Punkte geschrumpft ist, für Hamilton, weil er gegenüber den anderen Verfolgern an Boden verloren hat.

Alonso gab zu, enttäuscht zu sein, aber am Ende überwog die Erleichterung, dass bei dem Crash nichts Ernstes passiert ist. "Ich bin froh, in fünf Tagen in Monza wieder im Auto sitzen zu können. Grosjeans Auto war so nah, da hätte ich mich auch leicht an den Händen oder sogar am Kopf verletzen können", sagte Alonso.

Er blieb direkt nach dem Crash im Auto sitzen, weil er Schmerzen im Rücken und an der Schulter hatte. Eine Untersuchung beim Rennarzt bescheinigte ihm aber wenig später gute Gesundheit.

Domenicali fordert Konsequenzen im Nachwuchs-Bereich

Eine erfreuliche Nachricht, mit der die Sache für Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali aber noch lange nicht erledigt war. Im Gegenteil, er forderte nach Grosjeans Blackout weitreichende Konsequenzen.

"Für mich ist es am wichtigsten, sich das Verhalten der Fahrer auf der Strecke vorzunehmen. Und das muss schon in den Meisterschaften unter der Formel 1 losgehen", sprach Domenicali die Schulung des Nachwuchses an. "Man sieht es in den unteren Klassen viel zu oft, dass die Fahrer zu aggressiv sind und Dinge versuchen, die eigentlich gar nicht gehen. Da muss man hart durchgreifen."

Alonso "nicht sauer auf Grosjean"

Alonso bestätigte seinen Teamchef, indem er feststellte: "Bestimmte Fahrer sollten versuchen, am Start weniger Risiken einzugehen. Dies ist im Moment so etwas wie eine Tendenz in den Junior-Formeln. Es wäre besser, wenn sie sich von Beginn ihrer Karriere an daran gewöhnen würden, sich strikter an die Regeln zu halten."

In diesem speziellen Fall gab er sich aber versöhnlich: "Ich bin auf Grosjean nicht sauer, er hat das definitiv nicht absichtlich gemacht. Es war einfach so, dass ich zur falschen Zeit am falschen Ort war."

Vettel zurück im Titelkampf

Fahrer wie Nico Hülkenberg und Michael Schumacher waren bei dem Startcrash genau am richtigen Ort und machten jede Menge Plätze gut. Sebastian Vettel fast schon kurioser Weise nicht. "Ich glaube, ich war vielleicht der einzige Fahrer, der am Start keine Plätze gut gemacht hat", sagte Vettel und scherzte: "Ich bin neben den Force India gestartet, die waren nach der ersten Kurve an Button dran, ich kämpfte mit den Caterham."

Umso furioser war seine Aufholjagd im weiteren Verlauf des Rennens. Er überholte einen Konkurrenten nach dem anderen auf grandiose Weise und erarbeitete sich dadurch letztlich Rang zwei und 18 wichtige Punkte im Titelkampf. Nun ist Vettel wieder Zweiter. 24 Zähler fehlen noch auf Alonso.

"Ich habe vor meinem Urlaub mal auf den WM-Stand geschaut. Dort sieht es jetzt natürlich wieder besser aus als vorher", sagte Vettel. "Jetzt kümmere ich mich aber nicht mehr um Punkte und Punktabstände. Ich habe in der ersten Kurve in Spa mit eigenen Augen gesehen, wie schnell es gehen kann."

Kann Vettel Alonso aus eigener Kraft einholen?

Bleibt die Frage, ob Vettel nach dem Glück von Spa in den kommenden Rennen die Lücke auf Alonso auch aus eigener Kraft schließen kann. Red Bull hatte im Qualifying in Belgien rätselhafte Schwächen, war im Rennen aber extrem stark unterwegs.

Was aber nach wie vor fehlt, ist der Top-Speed, den Vettel vor allem am kommenden Wochenende in Monza schmerzlich vermissen könnte. Ausgerechnet beim Ferrari-Heimspiel. Und dass der F2012 auch nach der Sommerpause ein sehr starkes Auto ist, hat Felipe Massa mit seinem fünften Platz gezeigt. Ein Podium für Alonso wäre bei normalem Rennverlauf sehr wahrscheinlich gewesen.

Auch deshalb sieht Surer Alonso im Titelrennen nach wie vor vorne: "Natürlich braucht Vettel weiterhin Pech von einem Alonso, dass er da wirklich wieder in den Kampf eingreifen kann. Wenn ich mir die Stärken der Autos ansehe und wie der Red Bull heute gefahren ist, ist der WM-Kampf aber wieder neu eröffnet."

Vergesst Räikkönen nicht!

Mit Ferrari, mit Red Bull, aber natürlich auch mit McLaren. Jenson Button ist trotz seines Sieges in Spa noch weit von der Spitze weg, aber er hat gezeigt, dass er und vor allem Teamkollege Lewis Hamilton mit dem bärenstarken Auto noch ins WM-Rennen eingreifen können.

Und vergessen wir Kimi Räikkönen nicht, Grosjeans Teamkollegen. Der Iceman ist schließlich schon einmal aus der Versenkung gekommen und Weltmeister geworden. 2007 war das. Und wen hat er damals im letzten Rennen noch abgefangen? Fernando Alonso und Lewis Hamilton.

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