"Schumacher ist überreif für einen Sieg"

Von Interview: Alexander Mey
Michael Schumacher feiert in Hockenheim am Wochenende sein Heimspiel
© xpb

Hans-Joachim Stuck erlebt den ersten Deutschland-GP (Training, Fr., 14 Uhr im LIVE-TICKER) als Präsident des Deutschen Motosport Bundes. Im SPOX-Interview nennt er Vor- und Nachteile des neuen Jobs. Zudem spricht er über das Drama am Nürburgring, Hockenheim-Außenseiter Sebastian Vettel und den Wahnsinn, den ein Sieg von Michael Schumacher auslösen würde.

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SPOX: Herr Stuck, vor Ihnen liegt Ihr erster Deutschland-GP als Präsident des Deutschen Motorsport Bundes. Etwas anderes als früher, oder?

Hans-Joachim Stuck: Klar. Allein schon deshalb, weil ich am Sonntag die Siegerehrung durchführen darf. (lacht) Am Freitagabend lade ich zudem zum President's Dinner mit Vertretern der FIA. Zum ersten Mal in all den Jahren muss ich beim Deutschland-GP einen Anzug anziehen. Aber okay, was sein muss, muss sein...

SPOX: Abgesehen vom gelegentlichen Anzugzwang: Wie gefällt Ihnen generell Ihr neuer Job?

Stuck: Alles im grünen Bereich. Es macht Freude, weil ich merke, dass ich eine gute Akzeptanz genieße. Wir sind an einigen spannenden Projekten in verschiedenen Motorsport-Serien dran. Es gibt viel zu tun, aber der neue Job nimmt Gott sei Dank nicht allzu viel Zeit in Anspruch. Ich muss also meine anderen Aufgaben bei VW nicht vernachlässigen.

SPOX: War zu Ihrer aktiven Zeit in der Formel 1 der Deutschland-GP etwas Besonderes oder ein Rennen wie jedes andere?

Stuck: Er war immer etwas Besonderes, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen war es immer megastressig. Es haben einfach viel mehr Leute an dir herumgezerrt als in anderen Ländern, du hattest jede Menge Verpflichtungen. Ganz abgesehen von den tausend Freunden, die du plötzlich mehr hattest als sonst, weil alle Tickets haben wollten. Zum anderen war es immer am schwierigsten, beim Heimatrennen sportlich gut auszusehen. Die Erwartungshaltung war einfach zu hoch.

SPOX: Klingt eher nach Heimnachteil als Heimvorteil.

Stuck: Für mich war das Heimatrennen ganz sicher nie ein Vorteil. Abgesehen von meinem dritten Platz 1977 hatte ich in Hockenheim wenig zu jubeln. (lacht)

SPOX: Sind Sie lieber auf dem Hockenheim- oder dem Nürburgring gefahren?

Stuck: Der Nürburgring ist für mich ein kleines Wohnzimmer. Ich habe dort mit meinem Vater einige Jahre meiner Jugend verbracht. Ich bin dort mein erstes und mein letztes Rennen gefahren. Der Nürburgring ist mir deutlich lieber als alles andere in Deutschland.

SPOX: Mit wie viel Sorge verfolgen Sie als DMSB-Präsident die Insolvenz des Nürburgrings?

Stuck: Das macht mir Angst. Es wäre eine Katastrophe, wenn der Nürburgring als der deutsche Motorsport-Schauplatz schlechthin wegbrechen würde. Da geht es ja bei weitem nicht nur um die Formel 1. Da geht es um 24 Stunden Rennen, Truck-GP, Langstreckenserie VLN und vieles mehr. Was sollen die alle denn machen, wenn die den Ring zusperren? Für mich ist es unverständlich, dass sich die EU so quer stellt. Der Nürburgring ist ein nationales Kulturgut und wir müssen den Rennbetrieb unbedingt irgendwie aufrechterhalten. Vor diesem Hintergrund freue ich mich sehr über die Signale von Bernie Ecclestone, dem Nürburgring helfen zu wollen.

SPOX: Genug Politik - reden wir über Sport. Sebastian Vettel hat noch nie ein Heimspiel gewonnen...

Stuck: ...da haben wir es schon wieder. Der am schwersten zu gewinnende Grand Prix. (lacht)

SPOX: Schafft er es denn dieses Mal?

Stuck: In den letzten beiden Jahren waren seine Chancen größer. Diesmal erwarte ich eine Zitterpartie, weil auch andere Autos und Fahrer sehr stark sind. Ich hätte in den vergangenen Jahren eher auf Vettel gewettet als in diesem. Schauen Sie sich doch an, wie viele verschiedene Sieger wird in dieser Saison schon hatten. Den Seriensieger der vergangenen Jahre gibt es nicht mehr. Red Bull ist nicht mehr so gut aufgestellt - zum Glück, denn sonst würde es uns ja langweilig.

SPOX: Eine Konstante im turbulenten Saisonverlauf war Fernando Alonso. Folgerichtig führt er die WM an. Hätten Sie nach den Wintertests noch einen Pfifferling auf ihn und Ferrari gegeben?

Stuck: Nein, garantiert nicht! Aber das zeigt uns, dass man Ferrari wirklich niemals abschreiben darf. Wenn es bei denen einmal richtig schlecht läuft, finden sie immer wieder einen Weg heraus. Man muss aber auch klar sagen, dass so etwas nur mit einem Kämpfer wie Alonso am Lenkrad funktioniert. Er ist nicht nur fahrerisch stark sondern auch ein guter Leader im Team. Das ist eine gute Kombination.

SPOX: Ist Alonso der beste Fahrer im Feld?

Stuck: So weit würde ich nicht gehen. Da gibt es meiner Meinung nach schon fünf, sechs Piloten, die sich auf ähnlichem Niveau bewegen. Genau sagen kann man das sowieso nicht, denn es werden nie alle am gleichen Tag mit dem gleichen Auto auf den gleichen Reifen gegeneinander fahren.

SPOX: Michael Schumacher ist nach dem Aufwärtstrend der letzten Rennen auch ein Podiumskandidat für Hockenheim.

Stuck: Schumacher ist nach wie vor ganz wichtig für den Motorsport in Deutschland, weil er polarisiert und weil er immer noch der erfolgreichste Formel-1-Fahrer der Neuzeit ist. Meiner Meinung nach ist er überreif für einen Sieg. Und es wäre natürlich die Obernummer, wenn er in Hockenheim gewinnen würde. Ich glaube, dann wird das Motodrom am Sonntag abgerissen. (lacht)

SPOX: Wenn Sie schon am Sonntag die Siegerehrung vornehmen: Wie lautet Ihr Siegertipp?

Stuck: Ich tippe auf den Sieger Mark Webber. Er ist gut drauf und mag die Strecke in Hockenheim. Webber wird sich mit Fernando Alonso um den Sieg streiten. Das sind meine beiden Hauptverdächtigen. Ich bin aber auch überzeugt, dass Sebastian Vettel und Michael Schumacher vorne mitmischen.

SPOX: Aber kein Heimsieg?

Stuck: Nein, glaube ich nicht.

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