Es ist genug, Pastor!

Von Alexander Mey
Pastor Maldonado sorgte auch in Ungarn wieder für einen Aufreger
© Getty

Auch in der Formel-1-Saison 2012 bewertet SPOX-Redakteur Alexander Mey nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 11: Der Ungarn-GP.

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Wäre dies ein Team-Ranking, dann stünde Lotus ganz oben. Was die Truppe von Teamchef Eric Boullier in Ungarn leistete, war extrem stark. Aber: Das hier ist nunmal keine Teamwertung. Hier geht es um Einzelleistungen. Um Fahrer.

Und da führt kein Weg an Lewis Hamilton vorbei. Dermeldet sich eindrucksvoll zurück und schnappt sich nach dem Sieg in Ungarn auch den ersten Platz im Ranking. Nach der dominanten Vorstellung in Ungarn führt kein Weg daran vorbei.

Für den Aufreger des Wochenendes war einmal mehr Pastor Maldonado verantwortlich. Der Williams-Pilot rauschte Paul di Resta beim Überholversuch in die Karre und beschwerte sich anschließend auch noch über die gegen ihn verhängte Strafe.

Meine Wertung für den Ungar-GP

Platz 1, Lewis Hamilton: Spektakulär war es nicht, das Rennen des Lewis Hamilton. Musste es aber auch gar nicht. Der McLaren-Pilot dominierte das komplette Wochenende, war in nahezu jeder Session das Maß der Dinge. Und: Er schien dabei sogar immer noch Luft nach oben zu haben. Hamilton dominierte den Ungarn-GP als wäre McLaren schon immer bei der Musik dabei gewesen. Im Rennen ließ er ich von Romain Grosjean und Kimi Räikkönen zu keiner Zeit aus der Ruhe bringen und hatte das Geschehen stets im Griff. Wenn er musste, legte er kurzzeitig zu - ansonsten schonte er die Reifen und fuhr genau so schnell, wie er musste. Das war eine ganz, ganz souveräne Vorstellung und damit der verdiente Platz 1.

Platz 2, Kimi Räikkönen: Wenn das Rennen allein betrachtet, könnte man den Finnen vielleicht sogar an die Spitze des Rankings setzen. Gegen Ende seines langen ersten Stints fuhr er auf den abgenutzten Reifen unglaublich schnelle Zeiten und kam dadurch auch ohne spektakuläre Manöver nach vorne. Das lieferte er nach, als er sich nach dem zweiten Stopp knallhart aber fair an Teamkollege Grosjean vorbeibremste. Das war der alte Iceman, das hat mich beeindruckt. Besonders, wenn man bedenkt, dass der Finne zu Beginn mit Problemen am KERS zu kämpfen hatte. Abzüge gibt es lediglich für das Qualifying, bei dem er nciht das Optimum aus dem Lotus herausholen konnte uns sich dem Teamkollegen deutlich geschlagen geben musste.

Platz 3, Romain Grosjean: Es geht doch! War der Franzose bisher häufig durch unnötige Kollisionen aufgefallen, beeindruckte er mich nun mit einem fast perfekten Rennwochenende. Dass der 26-Jährige schnell ist, hat er schon mehrfach bewiesen. Deshalb hat mir auch nicht etwa sein zweiter Startplatz am meisten imponiert. Auch nicht, wie er mit Lewis Hamilton unter Druck setzen konnte. Nein. Für mich war es am wichtigsten zu sehen, dass er in den entscheidenden Situationen auch mal zurückziehen konnte. Besonders beim Duell mit dem aus der Box kommenden Räikkönen hätte es genau so gut auch knallen können. Grosjean hat in dieser Saison einen beachtlichen Schritt nach vorne gemacht. Hinter seinen Teamkollegen fällt er hier nur zurück, weil Räikkönens Aufholjagd im Rennen noch ein klein wenig beeindruckender war.

Platz 4, Bruno Senna: Ja, Bruno Senna. Der Mann, der bisher meist durch unnötige Unfälle und wilde Ausritte auffiel. Der Mann, der gegen Teamkollege Pastor Maldonado bisher so gut wie keine Chance hatte. Genau der lieferte in Ungarn nun eine beeindruckende Vorstellung ab. Senna war auf Anhieb schnell, konnte in den freien Trainings mit der Spitze mithalten (Dritter am Freitag, Platz vier am Samstag) und brachte den Williams am Samstag sicher in die Top-Ten. Im Rennen leistete er sich dann keinen Fehler und fuhr mit Platz sieben ein ganz wichtiges Ergebnis ein. Der Grund für den Aufschwung: Ein gutes Gefühl. Senna ist ein Instinkt-Fahrer und auf die Rückmeldung seines Boliden angewiesen. Er muss spüren können, was das Auto macht. Am Hungaroring war das plötzlich der Fall. Keiner weiß, warum. Ist mir aber auch egal. Denn das, was er daraus gemacht hat, war stark.

Platz 5, Fernando Alonso: Fernando Alonso wusste, dass Ungarn ein ganz schwieriges Pflaster für ihn werden würde. Nach dem starken Rennen in Hockenheim musste er nun kleinere Brötchen backen. Sein Motto daher: Schadensbegrenzung. Und das hat geklappt. Mehr noch. Während er nur zwei Punkte weniger holte als Vettel, wuchs sein Vorsprung auf den direkten Verfolger in der WM, Mark Webber, sogar noch. Wie viel Alonso-Faktor einmal mehr in dieser Leistung steckt, zeigt der Vergleich mit Teamkollege Felipe Massa. Konnte der Brasilianer in der Qualifikation noch gut mit Alonso mithalten, fiel er im Rennen immer weiter zurück. Während Alonso noch einen Platz gut machte, musste Massa mit seinen zwei Punkten am Ende noch glücklich sein. Alonso ist und bleibt ein Phänomen: Wann immer der Ferari auch nur halbwegs mithalten kann, ist er ein Siegkandidat. Und funktioniert der Ferrari nicht, schafft er es dennoch konstant in die Punkte zu fahren. Sehr beeindruckend.

Platz 6, Sebastian Vettel: Für Sebastian Vettel hätte der Ungarn-GP so schön werden können. Man war deutlich schneller als Ferrari, hätte im Kampf um die WM wichtige Punkte gutmachen können. Und wäre der Deutsche am Start an Grosjean vorbei gekommen, anstatt einen Platz gegen Button zu verlieren, stünde er jetzt vermutlich deutlich besser da. Und wenn am Ende die Sache mit dem dritten Boxenstopp noch geklappt hätte, dann... . Doch Fakt ist: hätte, wäre, wenn - das zählt in der Formel 1 alles nicht. Und so muss sich der Weltmeister mit einem vierten Platz begnügen, mit dem er nicht zufrieden sein kann. Auf der anderen Seite erlaubte er sich aber im Gegensatz zu Teamkollege Mark Webber (im Qualifying) auch keine groben Schnitzer. Manchmal muss man eben das mitnehmen, was man kann. So wie Platz sechs in meinem Ranking.

Platz 7, Jenson Button: Eigentlich verdient Jenson Button einen deutlich besseren Platz im Ranking. Eigentlich. Sein Überholmanöber am Start gegen Vettel war stark, seine Leistung in der Qualifikation (Platz vier) in Anbetracht der Probleme mit der Balance seines McLaren ein Erfolg. Und auch sein eher mittelmäßiges Abschneiden im Rennen (Platz sechs) ist eher der etwas unverständlichen Boxenstrategie des Teams anzulasten. McLaren holte den Briten offenbar zu früh zum zweiten und dritten Stopp und schickte ihn dann auch noch mitten in den Verkehr wieder raus. Das kostete ihn mehrere Plätze. Trotzdem sah er nach dem tollen Rennen in Hockenheim gegen Teamkollege Hamilton zu keinem Zeitpunkt die Sonne. Er hatte das komplette Wochenende über Probleme, ein gutes Setup zu finden und das Optimum aus dem Auto herauszuholen. Deshalb hier nur Rang sieben.

Platz 8, Mark Webber: Mark Webber hat am kompletten Rennwochenende nur einen Fehler gemacht. Er bekam kurz vor dem Ende der zweiten Quali-Session seine schnelle Runde nicht zusammen und schied damit aus. Dafür gibt es einen dicken Punktabzug. Gegen Teamkollege Vettel hatte er dann keine Chance mehr. Dass sich der Australier im Rennen am Ende zum zweiten Mal in Folge mit Platz acht begnügen musste, lag nicht an ihm. Er fuhr lange Zeit ein gutes Rennen, arbeitete sich konstant nach vorne. Leider ging der Switch zur Dreistopp-Strategie völlig in die Hose. Doch die Entscheidung, die Webber drei Plätze kostete, laste ich weder ihm noch dem Team negativ an. Auf dem engen Kurs kamen weder er noch Vettel an den Vorausfahrenden vorbei, das Team musste also etwas versuchen. Das kann dann auch mal schiefgehen.

Platz 9, Nico Rosberg: Eigentlich war Ungarn ein ziemliches Desaster. Und wenn man sich Platz 13 im Qualifying und den zehnten Rang im Rennen so anschaut, dann fragt man sich, wie es der Deutsche im Ranking so weit nach oben schaffen konnte. Doch bei ihm gilt das gleiche wie bei Vettel und Alonso vor ihm: er holte das Maximum aus dem waidwunden Mercedes heraus - vermutlich sogar noch mehr als das. Das zeigt der Vergleich mit Teamkollege Schumacher. Nach drei Rennen in dessen Schatten hat Rosberg nun die Nase wieder vorn. Er hat im Rennen sicherlich keine Wunder vollbracht, fuhr aber dennoch das komplette Wochenende über den eigentlichen Möglichkeiten des Autos. Das ist mir Platz sieben wert.

Platz 10, Felipe Massa: Der Brasilianer steht vor den wichtigsten Rennen seiner Karriere. Er kämpft um eine Vertragsverlängerung bei Ferrari und sollte besonders motiviert sein. Das Resultat, Platz neun im Rennen, sieht nicht sonderlich gut aus. Besonders dann nicht, wenn man bedenkt, dass er noch direkt hinter Teamkollege Alonso gestartet war. Das gebe ich zu. Trotzdem schafft es Massa ins Ranking. Denn nach seinem verkorksten Start, bei dem ihm vermutlich aufgrund einer überhitzten Kupplung die Räder zu stark durchdrehten und er zwei Plätze verlor, fuhr er ein solides Rennen ohne Fehler. Und das ist für den Brasilianer schon einges Wert.

Härtefall 1, Michael Schumacher: Verkorkst. So wird das Wochenende des Michael Schumacher von den meisten Experten beschrieben. Erst Platz 17 in der Quali, dann den eigenen Startplatz nicht gefunden, Motor abgestellt, aus der Box gestartet, Plattfuß geholt, Durchfahrsstrafe kassiert und am Ende dann nicht einmal das Rennen zuende gefahren. Kurz gesagt: es lief überhaupt nicht für den Rekordweltmeister. Nach dem Aufwärtstrend der vorherigen Rennen wurde er von der bitteren Realität eingeholt. Aber: Schmacher war in zwei von drei Trainingssitzungen schneller als Rosberg, in der Quali hätte er sich ohne die Probleme in der letzten Runde vermutlich noch einmal verbessern können. Das Wochenende war Mist, zweifelsohne. Dennoch sollte man Schumachers Leistung nicht so schwarz sehen, wie es die blanken Zahlen suggerieren.

Härtefall 2, Pastor Maldonado: Langsam ist es mal genug! Was Pastor Maldonado seit seinem Sieg in Spanien zusammenfährt, geht auf keine Kuhhaut. Keinen einzigen WM-Punkt brachte der Mann aus Venezuela seither über die Runden. Ganz im Gegenteil. Er fiel eigentlich nur noch durch seine Abflüge und Kollisionen auf. Wie auch hier. Diesmal rutschte er Paul di Resta beim Überholversuch in die Seite. Klar, das kann passieren. Aber doch nicht andauernd. Und noch viel schlimmer: Maldonado sieht es nichtmal ein. "Ich empfand es als ein gutes Überholmanöver", sagte er nach dem Rennen und verglich seine Aktion mit dem Duell zwischen Räikkönen und Grosjean. Eine Strafe sei vollkommen übertrieben, so Maldonado. Schon klar, Pastor.

Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM

Meine Punkte für das Ungarn-Wochenende