Hamilton gewinnt Reifendrama in Montreal

Von Alexander Mey
Lewis Hamilton hat den Sieg in Montreal in den letzten Runden gesichert
© Getty

Lewis Hamilton hat den Kanada-GP gewonnen und ist damit der siebte Sieger im siebten Rennen der Saison. In einem Reifendrama in den letzten Runden hat Hamilton noch Fernando Alonso und Sebastian Vettel abgefangen.

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Lewis Hamilton ist der siebte Sieger im siebten Rennen und setzt damit den kuriosen Verlauf der Saison fort. Passend dazu war auch das Zustandekommen seines Triumphes kurios.

Hamilton drohte nach seinem zweiten Boxenstopp auf einen taktischen Bluff von Alonso und Vettel reinzufallen. Beide stellten die Taktik auf einen Stopp um und wollten das Rennen zu Ende fahren. Doch beide brachten die Pneus nicht über die Distanz, Hamilton stürmte von hinten heran und überholte beide noch.

"Wow, was für ein großartiger Tag. Endlich der erste Sieg in diesem Jahr. Ich habe jede einzelne Minute dieses Rennens genossen." Für den 27-Jährigen war es der 22. Grand-Prix-Erfolg seiner Karriere. Hamiltons Teamchef Martin Whitmarsh fiel ein Stein vom Herzen: "Wir hatten hier die beste Strategie. Wir hatten Glück, dass wir richtig lagen."

Zocker Vettel und Alonso fallen zurück

Die Zocker Vettel und Alonso fielen sogar noch vom Podium herunter. Vettel wurde nach einem Not-Reifenwechsel kurz vor Schluss noch Vierter, Alonso quälte sich ins Ziel und wurde auf Position fünf durchgereicht.

"Die Reifen haben nicht bis zum Ziel durchgehalten. Irgendwann sind sie halt eingebrochen", sagte Vettel, der dennoch nicht allzu unzufrieden schien: "Ich habe wichtige Punkte gesammelt, man sieht wie eng das vorne zugeht."

Schumi scheidet schon wieder aus

Nutznießer dieses Reifendramas waren Romain Grosjean und Sergio Perez. Beide hatten von Anfang an auf eine Einstopp-Strategie gesetzt und trugen ihre Reifen auf die Plätze zwei und drei.

Nico Rosberg wurde im Mercedes Sechster, Michael Schumacher schied schon wieder wegen eines technischen Defekts aus. "Michael hatte ein Problem mit der klemmenden Heckflügelklappe. Und wir alle im Team wissen, dass wir die Zuverlässigkeit verbessern müssen", sagte Mercedes-Sportchef Norbert Haug.

Schumacher selbst machte aus seiner Enttäuschung nach dem fünften Ausfall im siebten Rennen keinen Hehl: "Das ist ärgerlich, klar. Aber das ist es für jeden im Team. Deswegen hat mein Team trotzdem mein vollstes Vertrauen. Die Jungs probieren ihr Bestes, sind genauso enttäuscht, wie ich das jetzt bin."

Hamilton hat durch seinen Sieg die WM-Führung übernommen. Mit 88 Punkten liegt er zwei Zähler vor Alonso und drei vor Vettel.

Schlüsselszenen des Rennens:

Start: Vettel kommt sehr gut weg und verteidigt seine Führung locker. Auch dahinter geht alles glatt - kaum Positionsverschiebungen und keine Unfälle. Sehr ziviler Start!

Runde 6: Massa dreht sich in Kurve eins und ruiniert sich die Reifen. Damit schenkt er Rosberg den Platz, den er ihm kurz vorher im direkten Duell abgenommen hatte. Rosberg verliert zudem einen Rang gegen di Resta. Mercedes hat den Speed der Besten auch zu Rennbeginn nicht.

Runde 16: Vettel kommt zum ersten Reifenwechsel. Er muss kommen, weil Hamilton und Alonso aufschließen.

Runde 19: Zwei Runden nach Hamilton und drei nach Vettel kommt Alonso zum Boxenstopp. Er setzt sich dadurch an die Spitze, ganz knapp vor Hamilton, der seinerseits Vettel an der Box überholt hat. Alonso kann die Führung aber nur bis zur langen Geraden verteidigen. Hamilton nutzt DRS und geht in Führung. Danach kann er sich sogar etwas absetzen.

Runde 45: An Schumachers Auto lässt sich das DRS nicht mehr schließen. Er reitet folgerichtig in einer Kurve aus, weil er nicht mehr richtig bremsen kann. Er kommt an die Box, die Notreparatur scheitert - das war es schon wieder für Schumi!

Runde 50: Hamilton kommt zum zweiten Stopp, verliert dabei aber zwei Sekunden, weil bei McLaren mal wieder eine Radmutter klemmt. Er ist Dritter und denkt, dass Alonso und Vettel vor ihm auch noch einmal Reifen wechseln. Aber das tun sie nicht. Beide versuchen ihn auszutricksen und stellen die Taktik auf einen Stopp um. Jetzt beginnt Hamiltons Hetzjagd.

Runde 62: Hamilton fliegt an Vettel heran und geht problemlos vorbei. Die Reifen von Vettel und Alonso halten nicht. Zwei Runden später schnappt sich Hamilton auch Alonso. Er hat die Führung zurück! Wieder ein grandioses Finish eines McLaren-Piloten in Kanada! Wie Button im letzten Jahr!

Runde 64: Vettel zieht die Notbremse und holt sich doch noch einmal neue Reifen. Damit fällt er auf Rang fünf zurück. Verzockt!

Runde 66: Alonso schlittert nur noch um die Strecke und muss sich Grosjean kampflos ergeben. Er ist nur noch Dritter, hat aber Luft auf Perez.

Runde 69: Alonso bricht total ein, Perez ist dran und geht vorbei auf Platz drei. Podestplatz für den Sauber-Piloten! Noch in der gleichen Runde geht auch Vettel noch an Alonso vorbei und wird Vierter.

Ziel: Hamilton gewinnt letztlich doch noch souverän vor Grosjean und dem grandiosen Perez. Vettel rettet sich noch vor Alonso ins Ziel. Rosberg verfehlt den Ferrari um 0,4 Sekunden und bleibt Sechster.

Mann des Rennens: Sergio Perez. Im Schatten des spannenden Dreikampfs um den Sieg ist der Mexikaner ein geniales Rennen gefahren. Er hat die Einstopp-Strategie von Sauber von Startplatz 15 aus deutlich besser umgesetzt als zum Beispiel Räikkönen im Lotus und sich damit den Podestplatz redlich verdient. Besonders sehenswert war sein trickreiches Überholmanöver gegen Rosberg, als er ausnutze, dass der Mercedes-Pilot nach dem Abkürzen der Schikane Massa vorbei lassen musste.

Flop des Rennens: Jenson Button. Der Teamkollege gewinnt, man selbst fährt das ganze Rennen lang im Nirgendwo und landet unter ferner liefen. Schlechter kann man als F-1-Fahrer kaum aussehen. Für Button ist dieses desolate Ergebnis symptomatisch für seine langsam chronisch werdenden Probleme mit dem McLaren. Und das ausgerechnet an der Stelle, an der er erst vor einem Jahr seinen wohl größten Sieg gefeiert hat.

Analyse: Wieder ein dramatisches Finish in Kanada - wie 2011. Hamilton sichert sich als siebter Sieger im siebten Rennen die 25 Punkte. Er und McLaren haben im Gegensatz zu Red Bull und Ferrari bei der Reifenstrategie alles richtig gemacht.

Aber das Risiko von Vettel und Alonso hat zumindest für eine tolle Schlussphase gesorgt und Hamilton die Chance gegeben, sich den ersten Saisonsieg fahrerisch voll und ganz zu verdienen.

Mercedes war vom Speed her wider Erwarten nirgendwo. Das erneute Pech von Schumacher war symptomatisch und nimmt langsam Besorgnis erregende Formen an.

Abgesehen von Hamilton waren die Einstopper die großen Sieger des Rennens. Grosjean hat Räikkönen klar ausgestochen, Perez ist von Startplatz 15 aus ein Hammer-Rennen gefahren.

LIVE-TICKER: So lief das Rennen in Montreal

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