Wer will noch mal, wer hat noch nicht?

Von Alexander Mey
Sebastian Vettel blickte nach seinem sechsten Platz in Barcelona sichtlich ratlos drein
© Getty

Nach dem Sieg von Pastor Maldonado in Spanien kratzen sich alle Verantwortlichen ratlos am Kopf. Einige Fragen von Journalisten zeigen, dass es ihnen genauso geht. Wer darf als nächstes siegen?

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Es war ein italienischer Journalist, der in der Pressekonferenz nach dem Sensationssieg von Pastor Maldonado in Barcelona eine Frage stellte, die noch am Freitag als kompletter Blödsinn abgetan worden wäre. Aber dieser Journalist meinte seine Frage verdammt ernst - und bekam eine ernste Antwort.

Er fragte: "Glauben Sie, dass Sie eine Chance auf den WM-Titel haben?" Maldonado antwortete: "Wir liegen zwar ein bisschen hinter den Führenden Alonso und Vettel, aber alles ist möglich. Wir tun unser Bestes, um weitere Siege und Podestplätze zu erringen."

LIVE-TICKER: So lief das Rennen in Barcelona

Es war Pastor Maldonado, der das sagte, nicht Jenson Button oder Lewis Hamilton - und niemand lachte über seine Antwort. Weltmeister 2012: Pastor Maldonado, Williams - warum eigentlich nicht?

Vettel schüttelt mit dem Kopf

Nicht nur die Journalisten hüten sich davor, ein solches Szenario auszuschließen, sondern auch die Fahrer. Denn sie wissen es schlichtweg auch nicht besser als jeder Fan vor dem Fernseher. "Williams war vor drei Wochen nirgends und fährt heute allen um die Ohren", schüttelte Vettel mit dem Kopf.

Der Weltmeister behielt seine WM-Führung gleichauf mit Alonso nur, weil er erstens in den letzten Runden plötzlich seinen Speed fand und noch drei Plätze gutmachte, und zweitens davon profitierte, dass es allen Mitfavoriten auf den WM-Titel auch nicht besser ging als ihm. Sie waren vom Speed her im Vergleich zu Maldonado nirgendwo.

Verkehrte Welt sogar innerhalb der Top-Teams

"Normalerweise bin ich gut darin, auf meine Reifen aufzupassen, und ich arbeite immer hart daran. Aber im Moment bekomme ich das einfach nicht hin und habe keine Ahnung warum", haderte Button nach seinem ernüchternden neunten Rang. "Ich habe gerade echte Probleme mit dem Auto und denke nicht, dass es dafür eine schnelle Lösung gibt."

Schon in ein und demselben Team spielt alles verrückt. Während Buttons Reifen über den Jordan gingen, kam ausgerechnet Hamilton als Einziger mit zwei Boxenstopps durch und freute sich über seine starke Aufholjagd von 24 auf acht. "Die Leute sagen immer, ich sei zu aggressiv mit den Reifen. Ich hoffe, dass ich sie heute Lügen gestraft habe", sagte Hamilton.

Ein ähnlich zweigeteiltes Bild gab es bei Red Bull. "Ich steckte hinter einem Force India fest und auch die McLarens haben nichts auf die Reihe bekommen. Davor ist Sebastian aber einfach davongezogen. Das ist faszinierend", sagte Mark Webber, der völlig ohne Punkte blieb.

Rosberg: "Was ist denn los mit der Formel 1?"

China-Sieger Mercedes ging es keinen Deut besser. "Vor zwei Rennen standen wir noch an der Spitze und nun wieder so weit hinten. Von Strecke zu Strecke und bei anderen Bedingungen ändert sich alles", sagte Nico Rosberg und stellte die Frage, die ihm niemand beantworten kann: "Was ist denn los mit der Formel 1? Wer ist denn jetzt der Beste?"

"Du kommst in einigen Tagen nach Monaco und hast keine Ahnung, ob du siegen oder keine Punkte holen wirst. So fühlen wir im Augenblick", erklärte Alonso die Gemütslage im Formel-1-Tross.

Wer ist der nächste: Lotus?

Fünf Teams haben in den ersten fünf Rennen gewonnen. Das gab es zuletzt 1983. Damals waren es am Ende der Saison sechs. Diesmal könnten es noch mehr werden, immerhin schnupperten mit Lotus und Sauber schon zwei weitere Teams am Sieg.

Vor allem Lotus war sowohl in Bahrain als auch in Spanien ganz dicht dran. "Der Sieg ist direkt um die Ecke", sagte Teamchef Eric Boullier. Der Drittplatzierte Kimi Räikkönen fügte hinzu: "Wir hätten schon zweimal gewinnen können. Solche Chancen müssen wir nutzen, denn wir bekommen sie nicht jeden Tag."

Der Iceman war unzufrieden mit seinem Podestplatz, weil er genau weiß, dass beim nächsten Mal er derjenige sein kann, der in die Röhre guckt.

"Bei einem Rennen bist du voll da, beim nächsten bist du nur noch Zehnter. Jedes Team, das halbwegs bei der Musik ist, kann dadurch, dass es die Reifen zum Arbeiten bringt, plötzlich viel schneller sein als alle anderen. Die Reifen sind der Schlüssel. Wenn du nur einen Tick aus deren Arbeitsfenster heraus fällst, hast du eine ganz harte Zeit", erklärte Räikkönen.

Alonso hofft auf etwas mehr Berechenbarkeit

Vor diesem Hintergrund verbieten sich Prognosen, sowohl für das kommende Rennen in Monaco als auch für die ganze weitere Saison. "Ich hoffe, wir sind in Monaco konkurrenzfähig, aber ich kann es nicht sagen. Ich weiß es einfach nicht", sagte McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh stellvertretend für alle anderen.

Ferrari-Pilot Alonso hat zumindest mittelfristig die Hoffnung auf ein bisschen mehr Durchblick noch nicht aufgegeben: "Wir müssen noch ein paar Rennen abwarten, bis sich die WM ein wenig stabilisiert hat, bis alle, die bisher unter Wert geschlagen wurden, die Reifen komplett verstanden haben. Erst dann sehen wir, wo wir wirklich stehen."

Auf diesen Moment der Klarheit warten vor allem die im Vorfeld gehandelten WM-Favoriten sehnsüchtig. Wann und ob der in dieser Saison aber kommt, steht in den Sternen.

Bis dahin gilt das gute alte Rummeplatz-Motto: Wer will noch mal, wer hat noch nicht?

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