Mercedes-Sieg: Mehr als nur Wunschdenken?

Von Alexander Mey
Mercedes steht beim Rennen in China mit beiden Autos in der ersten Startreihe
© Getty

Folgt auf die erste Startreihe für Mercedes beim China-GP (So., 8.45 Uhr im LIVE-TICKER) auch der erste Sieg? Wer ist überhaupt Favorit: Kobayashi? Räikkönen? Button? Hamilton? Und was macht eigentlich Vettel?

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Als Formel-1-Experte steht man vor dem China-GP vor einem Rätsel. Wer ist am Sonntag im Rennen eigentlich Favorit? Der Pole-Setter schon einmal nicht. Denn wirklich ernsthaft traut dem Silberpfeil niemand zu, die Pole von Nico Rosberg oder den zweiten Startplatz von Michael Schumacher in einen Sieg umzumünzen.

Nicht einmal die Mercedes-Verantwortlichen selbst. "Es ist nicht anzunehmen, dass der ersten silbernen Startreihe auch gleich der Doppelsieg folgen wird", sagte Mercedes-Sportchef Norbert Haug. Schumacher ergänzte: "Es ist sicher fraglich, ob wir unsere Positionen im Rennen halten können, aber wir werden unser Bestes versuchen."

Knackpunkt Reifenverschleiß

Knackpunkt wird der Umgang mit den Reifen werden. "Die Temperatur in den Reifen wird entscheidend sein. Der Mercedes nimmt die Reifen sehr hart ran. Das könnte im Qualifying geholfen haben", erklärte Red-Bull-Pilot Mark Webber und deutete damit gleichzeitig an: Im Rennen werden sie mit ihrem Reifenverschleiß Probleme bekommen.

Es ist schon im zweiten Jahr die Achillesferse der Silberpfeile. Die Hoffnung, man habe das Problem über den Winter gelöst, hat sich bisher nicht erfüllt. Aber das Team arbeitet hart daran. "Es ist klar, dass wir im Rennen noch nicht so stark sind wie im Qualifying, aber wir arbeiten hart an der Rennabstimmung und haben uns auch schon verbessert", sagte Rosberg nach der ersten Pole seiner Karriere. "Aber so etwas geht eben nicht von heute auf morgen." Immerhin haben sowohl Rosberg als auch Schumacher einen frischen Reifensatz in der Hinterhand.

Qualifying-Duelle: Rosberg verkürzt, Vettel immer noch sieglos

Wohl kein Regen im Rennen - aber vorher

Die Reifen sind 2012 ohnehin ein Mysterium, nicht nur für Mercedes. Es kann schon entscheidend sein, ob während des Rennens die Sonne scheint oder ob es bedeckt ist. Beides ist aktuellen Wettervorhersagen zufolge möglich. Regnen soll es nur über Nacht noch einmal, was auf jeden Fall viel Grip von der Piste waschen wird.

Auch das wird sich wiederum auf den Reifenverschleiß auswirken. "Bislang sahen unsere Long-Runs mit viel Benzin und unser Reifenverbrauch laut Pirelli nicht so schlecht aus", plauderte Haug aus dem Nähkästchen.

Long-Runs sprechen für Red Bull, McLaren - und Sauber

Allerdings fiel beim Studium der Long-Runs am Freitag auf, dass die Zeiten von Schumacher und Rosberg deutlich heftiger einbrachen als die der Konkurrenten von McLaren und Red Bull. Auch der Sauber des sensationell Drittplatzierten Kamui Kobayashi wird allen bisherigen Erfahrungen nach konstantere Rundenzeiten fahren können.

Ist der Japaner nach dem zweiten Platz seines Teamkollegen Sergio Perez in Malaysia nun sogar Top-Favorit auf den Sieg? "Wir haben ein gutes Auto und gehen normalerweise auch schonend mit den Reifen um. Ich bin also voller Zuversicht für das Rennen", sagte er. "Startplatz drei eröffnet uns eine Menge Möglichkeiten, aber ich bin kein Träumer. Das Ziel bleibt, so viele Punkte wie möglich zu holen."

Auf Platz vier folgt Kimi Räikkönen. Mit all seiner Erfahrung sicher auch ein Siegkandidat, aber er war mit dem Speed seines Autos überhaupt nicht zufrieden. "Unsere Updates haben nicht wie gewünscht funktioniert, deshalb haben wir das Auto zurückgebaut", erklärte der Iceman. Klingt nicht nach optimalen Voraussetzungen für einen Sieg.

McLaren-Duo schreibt Sieg nicht ab

Bleibt also doch das McLaren-Duo. Von den Positionen fünf und sieben aus sollte für Jenson Button und Hamilton bei dem starken Speed des Autos noch alles drin sein.

"Wir können es immer noch ganz nach vorne schaffen", sagte Hamilton kämpferisch. "Ich habe mein Auto im Hinblick aufs Rennen abgestimmt, und auch wenn Jenson und ich etwas weiter hinten starten und einiges an Arbeit vor uns liegt, ist noch alles drin."

Wenn man sich die Long-Run-Zeiten vom Freitag ansieht, möchte man ihm beipflichten. Nur Red Bull konnte in diesem Punkt mithalten - startet aber von noch weiter hinten.

Vettel: Ist das Podium noch erreichbar?

Insbesondere natürlich Sebastian Vettel. Er war nach seinem elften Platz ratlos und sich keines Fehlers bewusst. "Wir waren einfach nicht schnell genug", sagte er. Auch mit Blick auf das Rennen war er nicht gerade euphorisch: "Im Renen kann viel passieren, es ist also noch einiges drin. Aber natürlich tut man sich schwerer, wenn man von Platz elf losfährt."

Wenn man sich wie Vettel nach vorne kämpfen muss, hilft es nicht, in Sachen Top-Speed mehr als zehn km/h hinter Mercedes herzuhinken. Die müssten schon extreme Reifenprobleme bekommen, damit Vettel sie noch überholen und ans Podium denken kann.

Auch wenn ihm Mercedes-Sportchef Haug das noch zutraut. "Er wird im Rennen den nötigen Speed haben und wird zu den schnellsten zählen, da mache ich mir keine Sorgen", sagte Haug.

Warum nicht doch ein Mercedes-Sieg?

Insgeheim hofft er aber auf etwas anderes. Nämlich darauf, dass die Reifenprobleme an den Silberpfeilen vielleicht doch nicht so gravierend sind, dass sich beide Piloten gegenseitig abschirmen und dass der überlegene Top-Speed reicht, um alle anderen hinter sich zu halten.

Eine ähnliche Sensation eben wie in Malaysia durch Fernando Alonso. Denn dann hätten wir ihn doch, den ersten Mercedes-Sieg seit einer Ewigkeit.

Das komplette Qualifying-Ergebnis