"McLaren nicht weit weg von Red Bull"

Von Alexander Mey
Red Bull machte bei den Testfahrten im Winter einen sehr souveränen Eindruck
© Getty

Am übernächsten Wochenende startet die Formel 1 in die neue Saison. Die Testfahrten haben ein ungefähres Bild vom Kräfteverhältnis gezeichnet, das SPOX gemeinsam mit F-1-Experte Marc Surer analysiert. Mit dabei: Die Favoriten Red Bull und McLaren, Verfolger Mercedes und Sorgenkind Ferrari.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Bevor in gut einer Woche die Motoren in Melbourne aufheulen, weiß kein Formel-1-Team genau, wo es steht. Die Testfahrten haben zwar ein ungefähres Bild vom Kräfteverhältnis gezeichnet, aber es bleibt dennoch Raum für Überraschungen.

"Man weiß nie, wer wie sehr geblufft hat, und muss mit Prognosen entsprechend vorsichtig sein", sagt Formel-1- und Sky-Experte Marc Surer im Gespräch mit SPOX. Dennoch hat er bei den Wintertests vor Ort genug gesehen, um sich ein ungefähres Bild machen zu können.

Sein Fazit: "Das Feld rückt in jedem Fall enger zusammen." Die komplette Analyse:

Die Favoriten

Red Bull: Die Bullen brauchten keine Revolution, um vermeintlich wieder das beste Auto im Feld zu haben. Der RB8 ist eine konsequente Weiterentwicklung der überlegenen Vorgänger RB6 und RB7. Auch ohne viele Bestzeiten bei den Tests überzeugte der Red Bull durch Konstanz auf den Long-Runs und seine ruhige Straßenlage. Das Auto von Sebastian Vettel funktioniert, auch wenn es den einen oder anderen Defekt des Getriebes gab.

"Die Hackordnung würde ich so sehen: Wir sind leicht vorne, dann McLaren mit Mercedes - das kann man noch nicht genau beurteilen - aber nicht weit weg", sagte Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko.

Marc Surer: "Die Getriebeprobleme bei Red Bull machen ein wenig Sorgen. Aber grundsätzlich würde es mich wundern, wenn Vettel in Melbourne zu schlagen wäre."

McLaren: Nach den schwachen Wintertests 2011 scheinen die Briten diesmal deutlich besser vorbereitet zu sein. Es gibt kaum technische Probleme und das im Vergleich zur Konkurrenz ungewöhnliche Konzept des tiefen Schwerpunkts mit der tiefen Nase scheint sich auszuzahlen. "Wir haben das Gefühl, dass wir ein konkurrenzfähiges Auto haben, mit dem wir ums Podium kämpfen können", sagte Lewis Hamilton nach dem Ende der Tests.

Surer: "McLaren ist gut gerüstet, viel besser als im letzten Jahr. Sie sind nicht weit weg von Red Bull, wenn überhaupt. Für mich sah es zwischen den beiden ziemlich ausgeglichen aus. McLaren hat seinen eigenen Weg konsequent weiterverfolgt und schwimmt mit der tiefen Nase erfolgreich gegen den Trend. Man muss nicht immer kopieren. Dass es auch anders geht, spricht für McLaren."

Die Verfolger

Mercedes: Die Silberpfeile haben vor allem in puncto Konstanz einen erheblichen Schritt nach vorne gemacht. Die Rundenzeiten auf den Long-Runs sind zwar nicht so stark wie die von Red Bull oder McLaren, aber allzu viel fehlt nicht mehr. Laut Mercedes eine halbe bis dreiviertel Sekunde. Laut Red Bull sogar weniger. Wie es mit dem Speed auf eine schnelle Runde aussieht, kann man noch nicht sagen, denn wie die beiden Topfavoriten ist auch Mercedes nie mit leeren Tanks gefahren.

"Platz eins halte ich für unwahrscheinlich. Ich sehe Red Bull vorne. Dahinter wird es unheimlich eng", resümierte Michael Schumacher seine Testeindrücke.

Surer: "Mercedes hat sich gesteigert, das ist sicher. Sie haben gar nicht versucht, schnelle Zeiten zu fahren, was dafür spricht, dass sie um ihre Stärke wissen. Wenn wir uns an 2011 erinnern: Da fuhr Schumacher beim letzten Test mit wenig Benzin Bestzeit und in Melbourne kam dann der Schock. Ich glaube nicht, dass sie einen Red Bull oder einen McLaren schlagen können, aber sie sind diesmal näher dran. Und Ferrari haben sie auf jeden Fall hinter sich."

Lotus: Das Team ist ein Phänomen. Bei den Tests waren sie immer, wenn sie auf der Strecke waren, extrem schnell. Sowohl die absolute Bestzeit in Jerez (Grosjean) als auch die in Barcelona (Räikkönen) ging auf das Konto von Lotus. Alles nur Show? Nein, denn auch die Zeiten auf den Long-Runs haben Mut gemacht. Sie waren nicht überragend, aber dennoch sehr gut.

Entsprechend selbstbewusst äußerte sich Teamchef Eric Boullier: "Wenn ich denken würde, dass Red Bull und McLaren außer Reichweite sind, könnte ich gleich aufgeben. Es ist sehr ermutigend, dass wir die Lücke vom letzten auf dieses Jahr verkleinern konnten." Zum Problem könnte noch die fehlende Testerfahrung aus der zweiten Woche werden, die das Team wegen eines defekten Chassis komplett absagen musste.

Surer: "Der Lotus ist das Dark Horse. Das Auto war immer schnell, im Qualifying muss man mit denen also rechnen. Mir waren sie im Renntrimm aber noch nicht stark genug, um ganz vorne mitmischen zu können. Da wirkt die ausgefallene zweite Testwoche noch nach. Bei den Fahrern ist Grosjean schneller als Räikkönen, das kann man jetzt schon sagen. Die Jugend gewinnt, das musste auch Michael Schumacher bei seinem Comeback schon lernen. Im Duell der Verfolger sehe ich Mercedes als Nummer drei. Der Lotus ist vielleicht auf eine Runde schneller, im Rennen sollte aber Mercedes die Nase vorne haben."

Teil 2: Das enge Mittelfeld

Artikel und Videos zum Thema