Schumacher: Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Von Alexander Mey
Michael Schumacher machte in einigen Rennen sehr viel Spaß, in anderen machte er Fehler
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Die negativen Schlagzeilen 2011

 

Das Jahr der dramatischen Unfälle

Das Jahr stand schon vor der ersten Testfahrt unter keinem guten Stern. Bei einem privaten Rallye-Einsatz in Italien verunglückte Lotus-Renault-Pilot Robert Kubica so schwer, dass er diese und wohl auch die kommende Saison komplett verpasst.

Und das ist noch Glück, denn nachdem ihm eine ins Cockpit eingedrungene Leitplanke die komplette rechte Körperhälfte zertrümmert hatte, drohte sogar eine Zeit lang die Amputation der rechten Hand. Das konnte verhindert werden, aber mit den Folgen des Unfalls kämpft Kubica heute noch.

Noch schlimmer wurde es in zwei schwarzen Wochen im Oktober. Erst verunglückte der Engländer Dan Wheldon beim IndyCar-Rennen in Las Vegas tödlich. Formel-1-Fahrer wie Button und Webber, die die Nachwuchsklassen in Großbritannien durchlaufen hatten, kannten Wheldon persönlich.

Nur eine Woche später starb MotoGP-Pilot Marco Simoncelli auf der Formel-1-Strecke in Malaysia. Ihn wiederum hatte Vettel erst einige Monate zuvor persönlich kennen gelernt. Wie alle anderen Piloten war auch Vettel beim folgenden Grand Prix in Indien sehr nachdenklich und widmete seinen Sieg den verunglückten Kollegen. Die Piloten ehrten Wheldon und Simoncelli zudem mit einer Schweigeminute und zahlreichen Symbolen auf ihren Helmen.

Fahrer jenseits von gut und böse

Einige Fahrer erlebten ein Jahr zum Vergessen. Allen voran Lewis Hamilton. Obwohl er drei Rennen gewinnen konnte und mit 227 Punkten WM-Fünfter wurde, spricht er selbst vom schlimmsten Jahr seiner Karriere.

Bis kurz vor Saisonende war kein Pilot so oft bei den Rennkommissaren vorgeladen wie er. Dass er dann noch von Pastor Maldonado überflügelt wurde, wird den extrem oft bestraften Hamilton kaum trösten.

Er war in vielen Rennen ungewohnt passiv, in anderen leistete er sich dumme Kollisionen. In Monaco und Singapur war Massa sein Opfer, in Spa geriet er mit Kamui Kobayashi aneinander, in Kanada sogar mit Teamkollege Button. Es reihte sich ein Scharmützel an das andere.

Zu allem Überfluss trennte er sich auch noch von seiner Dauerfreundin Nicole Scherzinger und verlor den Bezug zu seinem Vater. Erst gegen Saisonende scheint er sich wieder ein wenig gefangen zu haben.

Der zweite Fahrer, der völlig neben sich stand, war Felipe Massa. Allerdings hatte das bei ihm rein sportliche Gründe. Massa, 2008 noch Fast-Weltmeister, sah gegen Fernando Alonso kein Land, verlor das Quali-Duell mit 4:15, fuhr kein einziges Mal aufs Podium und holte mit 118 Punkten nicht einmal halb so viele Zähler wie sein Ferrari-Kollege.

Folgerichtig wurde er öffentlich oft in Frage gestellt. Er darf zwar 2012 fahren, aber: "Ich weiß, dass ich mehr zeigen muss", sagt er selbst. Wie schon 2010 war er auch 2011 eines Ferrari-Cockpits nicht würdig.

Kommen wir zu Mark Webber, dessen Saison mit dem Sieg in Brasilien und Platz drei in der Fahrerwertung zwar versöhnlich endete, der aber sicher noch einige Zeit an den Demütigungen durch Vettel knabbern wird. 1:11 nach Siegen, 3:16 in den Quali-Duellen - das sind vernichtende Zahlen. Er hat zu lange gebraucht, um sich auf die Pirelli-Reifen einzustellen, war im Qualifying zu langsam und ist viel zu schlecht gestartet. Dort hat er regelmäßig Plätze verloren.

Dass er dazu zwischenzeitlich auch noch beim Thema Vettel die Nerven verloren und einen Journalisten beleidigt hat, macht den Eindruck, den der Australier hinterlassen hat, nicht besser.

Letzter Name auf der Liste der Enttäuschenden ist Nick Heidfeld. Er startete als Geheimtipp in die Saison, war neben Vettel der einzige Deutsche auf dem Podium - und musste doch nach nur elf Rennen gehen, weil er die Erwartungen von Lotus-Renault nicht erfüllen konnte.

Heidfeld gingen vor allem wegen seiner eklatanten Qualifying-Schwäche letztlich die Argumente aus und er wurde in Spa durch Bruno Senna ersetzt. Er verlor das Duell gegen den nicht als Überflieger bekannten Witali Petrow mit 3:8 unter erreichte nur dreimal im Qualifying die Top Ten. Das war es wohl mit seiner Formel-1-Karriere.

Teams jenseits von gut und böse

Auch bei den Teams gab es große Enttäuschungen. Ferrari zum Beispiel konnte dem Anspruch eines Titelanwärters nie gerecht werden. Nur ein Sieg, keine Pole-Position, 275 WM-Punkte Rückstand auf Red Bull - das sagt alles. In Maranello wird im Winter der Baum brennen.

Mercedes ging es nicht viel besser als Ferrari. Nach den Wintertests war sogar von Siegen die Rede, letztlich sprang kein einziger Podestplatz für Schumacher und Rosberg heraus. 2012 soll mit jeder Menge neuem Personal alles besser werden. Muss es auch.

Lotus-Renault hat den rasantesten Absturz hingelegt. Nach zwei Podestplätzen in den ersten beiden Rennen sah alles nach einem echten Herausforderer für Mercedes, vielleicht sogar für Ferrari aus. Doch danach wurden die Ergebnisse immer schlechter. In den ersten sieben Rennen holte das Team 60 Punkte, danach nur noch 13. Zu Heidfelds Ehrenrettung kann man auch sagen: Mit ihm holte Lotus-Renault 66 Punkte, ohne ihn sieben.

Letzter großer Verlierer ist Williams. Das Traditonsteam ist am Boden, die letzte Startreihe für Barrichello und Maldonado in Abu Dhabi war der Tiefpunkt. So etwas ist Williams zuvor in 570 Rennen noch nie passiert. Dabei wurde das Team vor der Saison aufgrund seines revolutionär flachen Getriebes sogar als Geheimtipp gehandelt. Davon war allerdings nie etwas zu sehen. Am Ende stehen klägliche fünf WM-Punkte zu Buche.

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Verblasen

Angeblasener Diffusor war das Unwort dieser Saison. Jedes Jahr kommen die Ingenieure mit etwas um die Ecke, das den ganzen Zirkus in helle Aufregung versetzt. 2009 war es der Doppel-Diffusor, 2010 der F-Schacht, nun eben das Auspuffsystem, das die Abgase permanent auf den Diffusor bläst.

Das System war für den Laien kaum verständlich und unter den Ingenieuren ein ständiger Streitpunkt. Kalt angeblasen, heiß angeblasen? Schleppbetrieb oder kein Schleppbetrieb? In Silverstone kurzzeitig verboten, dann doch wieder erlaubt. Niemand ist mehr durch das Wirrwarr durchgestiegen. 2012 ist das System zum Glück nicht mehr erlaubt, aber die Hoffnung, dass den Masterminds der Teams nicht wieder etwas Neues einfällt, ist gering.

Michael Schumacher alias Mr. Hyde

Zum Abschluss die Kehrseite der Saison von Schumacher. So hell sein Stern in einigen Rennen gestrahlt hat, so finster war seine Bilanz in den Qualifyings. Er ging im Duell gegen Rosberg mit 3:16 baden. Sieben Mal verpasste er sogar die Top Ten, Rosberg wegen eines technischen Defekts einmal.

Dazu kamen einige dumme Kollisionen, die sich Schumacher geleistet hat. Zweimal war sein Opfer Petrow, an dessen Heck er sich unmotiviert die Frontflügel abfuhr. In Silverstone kassierte er nach einem Crash mit Kobayashi eine Strafe. In Singapur fuhr er auf das Hinterrad von Sergio Perez auf und baute einen spektakulären Unfall.

Für den Reifenschaden in Brasilien nach der Kollision mit Senna konnte er wenig, aber er steht als Sinnbild dafür, dass Schumacher bei allen positiven Ansätzen doch recht oft über das Ziel hinausgeschossen ist.

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