"Der Titel ist so gut wie weg"

Von Alexander Mey
Sebastian Vettel hat den Europa-GP in Valencia zum zweiten Mal in Folge gewonnen
© Getty

Sebastian Vettel fährt nach seinem Sieg beim Europa-GP weiter in einer eigenen Liga. Die WM-Führung ist fast schon irrwitzig komfortabel. Vettel selbst mahnt zur Zurückhaltung, ist aber auf Rekordjagd.

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Langsam aber sicher dürfen die Rekordbücher gezückt werden, denn Sebastian Vettel ist auf dem besten Weg, einige Bestmarken der Formel-1-Geschichte anzugreifen. Nicht einmal Michael Schumacher ist vor ihm sicher.

Beispiele gefällig? Vettel hat nach nur acht Saisonrennen 2011 sieben Pole-Positions und sechs Siege auf dem Konto. Den Rekord an Saisonsiegen hält Schumacher seit 2004 mit 13. Den Pole-Rekord von 14 hat Nigel Mansell 1992 erzielt.

Aber es geht noch weiter. Vettel stand bisher in jedem Saisonrennen auf dem Podium. 2002 schaffte Schumacher eine perfekte Saison mit 17 Podestplätzen in 17 Rennen. Saisonübergreifend stand Vettel zehn Mal in Folge auf dem Podium. Schumachers Rekord von 19 kommt langsam in Sichtweite.

186 von 200 möglichen Punkten geholt

Unabhängig von Rekorden lesen sich schon die nackten Zahlen zu Vettels Dominanz beängstigend. Er hat 186 von 200 möglichen WM-Punkten auf dem Konto. 2010 wurde er nach 19 Rennen mit 256 Zählern Weltmeister. Diese Marke kann er schon in drei Rennen erreichen.

Sein Vorsprung auf die punktgleichen Zweiten Mark Webber und Jenson Button ist mit 77 Punkten so groß, dass Vettel in Silverstone, auf dem Nürburgring und in Ungarn Urlaub machen könnte und trotzdem nicht von der WM-Spitze zu verdrängen wäre.

Vettel-Gegner strecken die Waffen

Weltmeister Vettel? Eigentlich schon jetzt nur noch Formsache. "Ich weiß nicht mehr, was ich dazu sagen soll", gestand Force-India-Testfahrer und "Sky"-Experte Nico Hülkenberg. "Die Zuschauer denken bestimmt, der Hülkenberg redet immer das Gleiche. Aber es ist eine Bilderbuchsaison - und Vettel ist unaufhaltsam."

Angesichts dessen strecken die ersten Vettel-Verfolger schon die Waffen. Lewis Hamilton, ohnehin schon frustriert von seinem vierten Platz in Valencia, gab zu Protokoll: "Der Titel ist so gut wie weg. Red Bull fährt in einer anderen Welt."

Genauer gesagt Vettel, denn dessen Teamkollege Webber musste sich von Fernando Alonso schlagen lassen. Grund genug für den Spanier, seinen zweiten Platz als das Maximum zu bezeichnen, das dieser Tage für ihn möglich ist. Red Bull schlagen, ja. Vettel schlagen, nein.

"An die WM denken wir nicht", sagte Alonso. "Wer denkt, man kann Weltmeister werden, wenn man acht Zehntel pro Runde langsamer ist als der Gegner, der hat er die Formel 1 nicht verstanden."

Hamilton fürchtet: Bei McLaren wird alles schlimmer

So schnell kann es gehen. Noch vor zwei Wochen waren die Vettel-Verfolger nach dem Last-Minute-Sieg von Jenson Button in Kanada obenauf. Jetzt sind die Gesichter lang. "Wir brauchen dringend Neuerungen am Auto, sonst können wir nicht mit Red Bull und Ferrari mithalten", schlug Button nach seinem enttäuschenden sechsten Rang im McLaren-Lager Alarm.

Das Auto, das in Montreal in den letzten Runden noch mit Abstand am schnellsten war, kam in Valencia mit exakt einer Minute Rückstand auf Vettel ins Ziel. Hamiltons 46 Sekunden klingen kaum besser. "Wir haben einen Rückschritt gemacht", sagte er.

Rückzieher von Hamilton glaubwürdig?

Und es könnte noch schlimmer werden, befürchtet Hamilton. Seine These ist, dass das in Silverstone greifende Verbot des angeblasenen Diffusors McLaren mehr schadet als Red Bull und Ferrari. Interessant, herrschte doch bisher die Hoffnung, dass dieses Verbot Red Bull einbremsen könnte.

Einen Tag später merkte Hamilton offenbar, dass er seinen Fans nicht jeden Mut nehmen darf und twitterte, dass er natürlich niemals wirklich aufgeben und bis zum Ende kämpfen werde. Aber Journalisten, die ihn am Sonntag hautnah erlebt haben, glauben eher seinen ersten Aussagen.

Vettel: "Muss nicht mehr jedes Rennen gewinnen"

Vettel glaubt dagegen noch nicht an eine Entscheidung in der Fahrerwertung. "Ich schaue mir den Punktestand in der WM nicht an. Die Saison ist dafür noch viel zu lang. Es kann auch die Zeit kommen, in der wir Probleme bekommen", sagte der Weltmeister.

Er machte aber auch keinen Hehl daraus, dass er in einer sehr komfortablen Situation ist: "Klar ist, dass ich nicht mehr jedes Rennen gewinnen und zu viel Risiko eingehen muss. Aber das Ziel bleibt natürlich weiterhin, GP-Siege einzufahren. Wir müssen hungrig bleiben."

Wer Vettels Jubelschrei nach der Zieldurchfahrt in Valencia gehört hat, kann sich nicht vorstellen, dass ihm dieser Hunger nach Siegen abhanden kommen wird.

Selbst dann nicht, wenn er Schumachers Rekorde tatsächlich erreichen sollte.

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