Ferrari feuert aus allen Rohren

Von Alexander Mey
Ferrari gibt alles, um in den kommenden Rennen Lotus-Renault und McLaren zu überholen
© Getty

Die Formel 1 erwacht nach ihrer ersten längeren Pause und geht in den Türkei-GP als Vorspiel zur Europa-Saison. Drei Wochen lang haben die Teams fieberhaft an ihren Autos gearbeitet. Wo stehen sie vor dem Rennen in Istanbul? Eine Bestandsaufnahme.

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Red Bull (WM-Rang 1, 105 Punkte, 2 Siege):

Der Saisonstart verlief nahezu optimal, vor allem für Sebastian Vettel, der nach zwei Siegen und einem zweiten Platz die Fahrerwertung souverän anführt. Das Auto ist denen der Konkurrenz aerodynamisch deutlich überlegen.

Einziges Problem war KERS, das System wurde immer wieder zu heiß und musste abgeschaltet werden. Das Problem soll in der Türkei aber nicht mehr auftreten. Über Ostern ist das Red-Bull-KERS auf dem Prüfstand einwandfrei gelaufen.

"Unserem KERS geht's gut, es hat Ostern am Prüfstand verbracht mit einigen Modifikationen. Das Erfreuliche: Es ist ihm jetzt deutlich kühler. Es funktioniert", zitiert "Bild" Motorsportchef Helmut Marko.

McLaren (WM-Rang 2, 85 Punkte, 1 Sieg):

McLaren ist nach dem Sieg von Lewis Hamilton in China im Aufwind, aber vom reinen Speed her noch nicht auf dem Level von Red Bull. Ohne Red Bulls falsche Reifenstrategie bei Vettel und dessen schlechten Start hätte Hamilton ihn in Shanghai nicht schlagen können.

Das weiß man bei McLaren natürlich auch, verzichtet in der Türkei aber auf ein großes Update. Es sind lediglich einige kleiner Veränderungen am Chassis angekündigt.

Großes hat McLaren mit dem Auspuff vor. Momentan laufen intensive Untersuchungen, warum Red Bull gerade in diesem Bereich einen so großen Vorteil hat. Die Antwort auf diese Frage war aber offenbar nicht bis zum Türkei-GP zu finden.

"Unsere Geschwindigkeit bei der Entwicklung kann uns zu WM-Titeln führen und wir gehen in den Türkei-GP mit der festen Absicht, dass unsere Updates unseren Fahrern praktische Fortschritte bringen", sagte Teamchef Martin Whitmarsh.

Ferrari (WM-Rang 3, 50 Punkte):

Im Gegensatz zu McLaren setzt Ferrari schon in Istanbul auf einen großen Wurf, wenn auch nicht auf den einzigen. Die Scuderia feuert nach dem verpatzten Saisonstart aus allen Rohren und wird zu den kommenden drei Rennen jeweils signifikante Updates mitbringen. Danach soll die Lücke zu Red Bull und McLaren endlich geschlossen sein.

Los geht es in der Türkei mit neuem Front- und Heckflügel sowie modifizierten Bremsbelüftungen. In Spanien und Monaco geht Ferrari dann die entscheidenden Felder Unterboden und Auspuff an, auch der flexible Frontflügel von Red Bull ist ein heißes Thema.

Die Scuderia musste in den vergangenen drei Wochen Vollgas gegen, weil das Team erstens bei der Konstruktion des neuen Autos von Anfang an zu konservativ war und zweitens im Windkanal falsche Messergebnisse erhalten hatte, weil der nicht richtig kalibriert war. Diese krassen Fehler gilt es nun so schnell wie möglich auszumerzen.

"Unser Auto muss sich von vielem erholen. Wie hatten diese Windkanal-Probleme und andere Defizite in unserer Herangehensweise. Wir sind dabei, uns an beiden Fronten zu verbessern, aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns", sagte Chefdesigner Nikolas Tombazis dem "Corriere della Sera". "Wir werden in der Türkei näher dran sein, aber ich bezweifle, dass wir dort sein werden, wo wir hin müssen."

Lotus-Renault (WM-Rang 4, 32 Punkte):

Nach zwei starken Rennen zum Auftakt erlebte das Team um Nick Heidfeld in China die erste kleine Ernüchterung. Aber die soll nicht von langer Dauer sein, im Gegenteil. Heidfeld deutet sogar das Vorhaben an, Ferrari im Kampf um Platz drei herauszufordern. "Wir kämpfen derzeit mit Ferrari und werden definitiv versuchen, sie zu schlagen", sagte Heidfeld dem Fachmagazin "Motorsport aktuell".

Um das zu schaffen und gleichzeitig nicht von Mercedes überholt zu werden, bringt Lotus-Renault einen neuen Frontflügel, eine modifizierte Nase sowie Veränderungen an Lufteinlässen und Unterboden mit nach Istanbul. "Wir bringen ein gutes Paket mit in die Türkei", sagte Teamchef Eric Bouiller.

Mercedes (WM-Rang 5, 16 Punkte):

Bevor Mercedes das Auto mit spektakulären Updates vorantreibt, muss das Team erst einmal das Auto verstehen, das es vor sich stehen hat. Das hat in China gut funktioniert und prompt waren die Silberpfeile schneller als Ferrari.

In Istanbul kommen trotzdem einige neue Teile vor allem an er Mechanik ans Auto, die laut Teamchef Ross Brawn in erster Linie dabei helfen sollen, das Potenzial des Autos zuverlässiger abrufen zu können. Er nennt zwar keine Details, aber es ist davon auszugehen, dass Mercedes vor allem am verstellbaren Heckflügel gearbeitet hat, der bisher nur sehr unzuverlässig funktioniert hat.

Nico Rosberg hat das neue Update-Paket schon im Simulator getestet und war sehr angetan. "Dort war ich schnell", sagte er. Michael Schumacher ergänzte: "Ich bin überzeugt, dass wir mit den geplanten Upgrades für Istanbul ein ähnlich positives Ergebnis erleben können wie in China."

Sauber (WM-Rang 6, 7 Punkte):

Die positive Überraschung der ersten drei Rennen. Sauber kämpfte mit Mercedes um den Einzug in die dritte Quali-Runde und fuhr beständig in die Punkteränge. Doch das könnte in der Türkei schwieriger werden.

Denn im Gegensatz zur Konkurrenz hat Sauber kein großes Update am Auto. Es werden im Training am Freitag zwar einige Komponenten getestet, aber sie sind noch nicht ausgereift genug, um schon im Rennen eingesetzt zu werden.

Dabei geht es vor allem um den Auspuff. Sauber fuhr bisher mit einer relativ konservativen Variante, obwohl man im Winter eine Red-Bull-ähnliche Version schon im Computer hatte. Diese wurde aus Kostengründen auf Eis gelegt, nun soll sie aber doch so schnell wie möglich ans Auto. Vor dem übernächsten Rennen in Spanien wird das aber nicht klappen.

So könnte Istanbul zu einem Übergangsrennen werden, bei dem Sauber vom beeindruckend schonenden Umgang mit den Pirelli-Reifen zehren muss.

Toro Rosso (WM-Rang 7, 4 Punkte):

Je kleiner das Budget der Teams wird, desto bescheidener werden auch die angekündigten Updates für Istanbul. Toro Rosso hält an seinem ursprünglichen Plan für die Saison fest und bringt das erste große Update erst in Monaco, wird also sowohl in der Türkei als auch in Spanien noch mit dem Auto antreten, das bisher überzeugt hat.

"Wir haben in den ersten drei Rennen mit Williams, Sauber und Force India gekämpft und erwarten auch für den Rest der Saison interessante Kämpfe mit diesen Teams", sagte Chefingenieur Laurent Mekies.

Force India (WM-Rang 7, 4 Punkte):

Das Auto lief in den ersten Rennen überraschend gut, nachdem es während der Testfahrten zum größten Flop im Feld erklärt worden war. Der Force India ist zuverlässig und sein Mercedes-KERS funktioniert einwandfrei.

Vor allem im Qualifying fehlt es aber an Speed und genau darauf richten sich die Verbesserungen, die das Team mit nach Istanbul bringt. Details sind nicht bekannt, aber Force India hat vor allem in Sachen Auspuff und Unterboden sicher noch einigen Nachholbedarf.

"Wir haben einige vielversprechende Aerodynamik-Updates in der Pipeline, die die Leistung des Autos in den kommenden Rennen deutlich verbessern sollten", sagte Teamchef Vijay Mallya. "Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht in jedem Rennen in die Punkte fahren sollten."

Williams (WM-Rang 9, 0 Punkte):

Die große Enttäuschung der ersten Rennen hat dazu geführt, dass unter anderem Technikchef Sam Michael zum Saisonende seinen Hut nehmen muss. Neu zum Team stoßen wird der nach der Spionageaffäre um Ferrari und McLaren im Jahr 2007 vorbelastete Mike Coughlan.

Zunächst muss aber die alte Truppe die Suppe auslöffeln, die sie sich mit dem FW33 eingebrockt hat. Gleich mehrere Updates sind in den kommenden Rennen geplant, darunter auch ein neuer Auspuff. Dessen Premiere im Training von Shanghai ging jedoch deutlich daneben. Die heißen Abgase brannten Löcher in den Unterboden. Er steht auch für Istanbul nicht auf der Agenda.

Stattdessen bringt Williams neue Bremsbelüftungen sowie modifizierte Front- und Heckflügel mit in die Türkei, um endlich die ersten WM-Punkte des Jahres zu holen.

"Wir brauchen nur ein paar kleine Schritte in den kommenden drei oder vier Rennen, um das Auto konkurrenzfähig zu machen", sagte Michael "Autosport". "Uns gehen die neuen Ideen und Konzepte noch lange nicht aus. So weit sind wir nicht davon entfernt, mit dem Auto respektabel abzuschneiden."

Lotus (WM-Rang 10, 0 Punkte):

Bei Lotus machte bisher nur Heikki Kovalainen einen starken Einruck. Er holte für das Team die Kohlen aus dem Feuer. Jarno Trulli hadert dagegen mit Problemem mit der Servolenkung, die aber wohl bis Istanbul noch nicht komplett behoben sein werden.

Erst in Barcelona rückt Lotus mit einem großen Update aus, das neben der Lösung für Trullis Problem auch ein völlig überarbeitetes Heck und zahlreiche aerodynamische Verbesserungen enthalten soll.

Bis dahin ist Bescheidenheit angesagt. "Ich rechne nicht damit, dass wir Zeit auf das Mittelfeld gutgemacht haben", sagte Teamchef Tony Fernandes.

Virgin (WM-Rang 11, 0 Punkte):

Beim Team von Timo Glock geht es in Istanbul um alles. Seitdem Virgin beim ersten Wintertest gemerkt hat, dass das Auto eine Gurke ist, wurde hinter den Kulissen fieberhaft an der totalen Wende gearbeitet. Die Früchte dieser Arbeit kommen nun in Istanbul ans Auto.

Die Ankündigungen der Verantwortlichen sind vollmundig. "Die Größe unseres Updates ist mindestens erheblich zu nennen. Wir schlagen aerodynamisch einen völlig neuen Weg ein", sagte Teamchef John Booth.

Glock gab vorsichtshalber schon einmal zu bedenken, dass es viel Zeit kosten wird, all die neuen Teile am Freitag in Istanbul zu testen. Darunter wird mit Sicherheit das Set-Up leiden. Der Türkei-GP wird also als große Testfahrt missbraucht werden müssen. Denn wenn dieses Alles-oder-Nichts-Update ein Flop ist, ist Glocks Saison gelaufen.

HRT (WM-Rang 12, 0 Punkte):

Die Hinterbänkler der Saison haben nach überraschend soliden Vorstellungen in Malaysia und China die Hoffnung, zu Virgin aufschließen zu können. Endlich kann Technikchef Geoff Willis einige neue Teile an das Auto bringen, das bisher nicht viel mehr war als das umlackierte Vorjahresauto.

Von zahlreichen mechanischen und aerodynamischen Veränderungen ist die Rede, darunter sicher auch eine neue Nase, denn die hat sich im Vergleich zu 2010 noch überhaupt nicht verändert.

"Sollten sich unsere Daten aus dem Computer auf der Strecke bestätigen, dann sollten wir in der Lage sein, unsere engsten Rivalen in der Türkei zu schlagen", sagte Willis. Das wäre dann Virgin.

Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM

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