Lauda: "Alarmzeichen bei Red Bull"

Von Interview: Harry Miltner
Niki Lauda (r.) im Gespräch mit dem amtierenden Weltmeister Sebastian Vettel
© Getty

Der dreifache Weltmeister Niki Lauda sieht Sebastian Vettel auf einem guten Weg zur Titelverteidigung, fordert aber von Red Bull die Behebung der technischen Probleme. Im SPOX-Interview spricht er außerdem über einen möglichen Wechsel des Deutschen zu Ferrari, unsinnige Neuerungen und die Siegchancen von Michael Schumacher.

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SPOX: Niki, im dritten Rennen wurde die Dominanz von Sebastian Vettel erstmals durchbrochen. Dennoch führt er weiter überlegen in der WM. Können ihn die anderen überhaupt schlagen, wenn der Red Bull halbwegs zuverlässig bleibt?

Lauda: Natürlich war Sebastian bisher meistens absolut überlegen und hat einen perfekten Job gemacht. Derzeit sieht für ihn und Red Bull alles gut aus. Aber die anderen Teams schlafen nicht. Ferrari und McLaren entwickeln wie die Blöden und wenn Red Bull seine Technik nicht in den Griff bekommt, dann ist es bald vorbei mit der Dominanz.

SPOX: Sie haben noch nach Sepang gesagt, dass es ein WM-Solo von Vettel geben könne...

Lauda: Sebastians Bilanz mit zwei Siegen und einem zweiten Platz aus drei Rennen ist sensationell. Wenn es für ihn so weitergeht, mache ich mir mit Sicherheit keine Sorgen. Aber bis Istanbul muss sein Wagen fehlerfrei funktionieren. Das war in China nicht der Fall und prompt war die Konkurrenz da. Hamilton ist ein super Rennen gefahren und hat mich ehrlich überrascht. Ich hatte damit gerechnet, dass Sebastian auch hier dominieren wird, aber er hatte eben technische Probleme. Das Rennen hat gezeigt, dass McLaren dran ist, vor allem wenn Red Bull ohne KERS fährt. Und auch Ferrari war schnell.

SPOX: Was müssen die Bullen nun tun, um vorne zu bleiben?

Lauda: Red Bull muss aufpassen, dass sich die Probleme nicht ausbreiten. Webber hatte - schon vorher und auch in China wieder - massiv zu kämpfen, war dadurch in der Quali völlig von der Rolle. Und Vettel war im Rennen gehandicappt. KERS hat wieder mal nicht funktioniert. Solche Dinge sind Alarmzeichen und sollten bis Istanbul schleunigst behoben werden.

SPOX: Vettel hat kürzlich seinen Vertrag bis 2014 verlängert. Muss ein Mann wie er nicht irgendwann mal für Ferrari fahren?

Lauda: Jeder Formel-1-Pilot möchte irgendwann einmal für Ferrari fahren. Ferrari ist ein Mythos, ein Traum für jeden Fahrer. Aber in erster Linie will ein Pilot gewinnen und momentan hat Red Bull das beste Paket.

SPOX: Webber war froh, dass Vettel in China nicht gewonnen hat. Ist das schlechter Stil?

Lauda: Ach was. Das ist eine ganz normale Rechnung. Hätte Vettel wieder gewonnen, wäre sein Vorsprung noch größer. Und auch Webber will Weltmeister werden. Grundsätzlich ist Dein Teamkollege immer der erste, den Du schlagen musst. Natürlich bist Du in einem Team, aber wer erfolgreich sein will, muss ein Egoist sein.

SPOX: Ist Webber nicht auch gereizt, weil seine Zeit genau wie die von Massa bei einem Top-Team abgelaufen sein könnte, wenn sie erneut gegen ihre Teamkollegen verlieren?

Lauda: Vom Level her können Webber und Massa auf Dauer nicht auf dem von Vettel bzw. Alonso fahren. Aber um die beiden zu ersetzen, musst Du erst einmal zwei Bessere finden.

SPOX: Zuletzt gab es im Fahrerlager ja Gerüchte um Dreamteams wie Vettel/Hamilton oder Vettel/Rosberg. Wären die nicht besser?

Lauda: Gerüchte gibt es in der Formel 1 immer wieder. Aber ich bin doch kein Hellseher und ich habe auch keine Kristallkugel zuhause...

SPOX: Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo hat die künstliche Formel 1 kritisiert. Was hältst Du von den technischen Helfern wie KERS oder DRS?

Lauda: Die Ferraris fahren derzeit hinterher, daher regt sich di Montzemolo auf. Das ist ganz normal. KERS ist absolut in Ordnung, obwohl es heuer niemandem einen Vorteil bringt, weil es alle haben. Diese Heckflügelgeschichte ist hingegen tatsächlich Unsinn, denn mit rund 15 Stundenkilometern mehr kann ja jeder überholen. Der Frontflügel ist heutzutage viel wichtiger. Mittlerweile macht er 80 Prozent des Abtriebs aus - bei mir waren es noch 60 vorne und 40 hinten. Daher proifitiert Red Bull auch so von seinem Frontflipper.

SPOX: Bei Ferrari brodelt es ohnehin. Was passiert bei einer weiteren Niederlage in Istanbul? Muss Fernando Alonso nicht wahnsinnig werden, wenn er jahrelang seinem dritten WM-Titel hinterher läuft?

Lauda: Natürlich will Alonso immer gewinnen. Er hat das Potenzial dazu, aber momentan nicht den Wagen. Der Grund ist ganz einfach - der Ferrari kommt mit den Pirelli-Reifen nicht zurecht. Bei den Italieneren sind die harten und die weichen Mischungen komischerweise gleich schnelll, was die Strategie schwierig macht. Die Türkei war aber immer ein guter Boden für sie. Man wird sehen, ob sie das Problem in der Pause in den Griff bekommen haben.

SPOX: Kommen wir zu einem anderen Weltmeister, für den es nicht gut läuft: Michael Schumacher. Du hast mit 36 Jahren aufgehört, Schumacher ist 42 und will noch einmal den Titel holen. Hat er das noch drauf?

Lauda: Michael ist topfit und absolut in der Lage dazu, wieder Siege zu holen - aber nur, wenn ihm Mercedes den Wagen dazu gibt. Danach schaut es aber momentan zumindest einmal nicht aus. Zuerst muss er aber sowieso Nico schlagen. Nico war in Shanghai wie entfesselt, hat mit einem unterlegenen Wagen geführt und hätte sein Team das nicht versaut, wäre einiges drin gewesen.

SPOX: Welche Teams/Fahrer haben Sie bis jetzt am meisten überrascht?

Lauda: Im Negativen leider Mercedes, denn da war vor der Saison schon die Rede vom Kampf um den Titel, aber ihr Wagen ist deutlich zu langsam. Und dann kommen noch Fehler hinzu - das mit dem Tanken in Shanghai zum Beispiel. Dass Nicos Renningenieur die falschen Daten vom Training nimmt, darf einfach nicht passieren. Das ist auch eine Frage der Intelligenz. Positiv war bislang Renault mit den beiden Podestplätzen - und mit einem fitten (Robert) Kubica wäre vielleicht noch mehr gegangen. Sauber und Toro Rosso waren phasenweise auch gut unterwegs.

SPOX: Die Pirelli-Reifen standen bisher bei jedem Rennen im Mittelpunkt. Wie beurteilen Sie den Wechsel von Bridgestone zu Pirelli?

Lauda: Die Reifen sind sicher eine große Herausforderung, da sie für alle neu sind. Wie man in Shanghai gesehen hat, funktionieren auch nicht alle Mischungen auf allen Autos gleich, weswegen es zu den vorhergesagten Verschiebungen kommt. In Summe kann man sagen, wer die Reifen schneller verstanden hat und sein Auto am besten darauf abgestimmt hat, wird die Nase vorn haben. In China waren die drei Stopps richtig, vielleicht sogar zwei möglich. Das könnte nun in Istanbul das Erfolgsrezept sein.

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